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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0220
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206

BESPRECHUNGEN.

In den andern Sektionen stehen allgemeine musikgeschichtliche Fragen zur
Diskussion. Hier verbürgt die internationale Zusammensetzung der Referenten eine
große Reichhaltigkeit der Ergebnisse, die sich in der Arbeit der kirchenmusikalischen
und der musikbibliographischen Sektion noch spezialisieren. Rein ästhetische Fra-
gen traten auf diesem Kongreß zurück. Auch in der methodologischen und ästheti-
schen Sektion dominierten die Probleme der vergleichenden Musikwissenschaft. Ein
Referat Siegfried Nadeis stellt die Hauptprobleme der neueren Musikpsychologie im
Anschluß an Stumpf zusammen; Paul Moos referiert über Hermann Siebeck als
Musikästhetiker.

Berlin. Hans Mersmann.

Rudolf Bosch, Die Problemstellung der Poetik. Leipzig 1928,
VIII u. 183 S. Beiträge zur Ästhetik, gegründet von Theodor Lipps und Richard
Maria Werner, Heft 18.

Der Verfasser geht von der Annahme aus, daß die Trennung, die wir heute in
der Philosophie zwischen Weltanschauungsphilosophie und wissenschaftlicher Philo-
sophie vornehmen, auch auf die Poetik übertragen werden muß. Es gibt eine wert-
setzende und eine wissenschaftliche Poetik. Der wertsetzende Poetiker hat kunst-
schöpferische oder doch kunstkritische Absichten. Er muß von seinem Kunstver-
ständnis überzeugen. Er benützt das allgemeine Mittel der wissenschaftlichen
Theorie wesentlich im Interesse des Wertziels, zu dessen Anerkennung er hinleiten
will, während die wissenschaftlich-psychologische Poetik der wissenschaftlichen
Wahrheitserkenntnis dient, aber keine poesieästhetischen Werte schafft. Zur Klar-
heit über den prinzipiellen Unterschied der beiden Arten von Poetik soll die Dar-
legung des Streites über die Anschaulichkeit in der Poesie führen, zu dem ich durch
mein Buch „Das Stilgesetz der Poesie" (Leipzig 1901) den Anlaß gegeben habe. In
einer langen, mit großer Gelehrsamkeit geführten Untersuchung wird die Entstehung
der poetischen Anschauungstheorie in der wertsetzenden Ästhetik verfolgt von Bod-
mer und Breitinger und A. Baumgarten an über Lessings Laokoon bis zu Friedrich
Vischer und immer wieder hervorgehoben, wie es dieser Ästhetik um die Klärung
des poetischen Wertes, des ästhetisch Wirksamen zu tun gewesen sei, wie sie die
Phantasieanschaulichkeit nicht als eine psychologische Tatsache, sondern als eine
aus dem intuitiven Verständnis des poetisch Wertvollen erschlossene Forderung
verkündet habe, und wie es also für das richtige Verständnis dieser Forderung
notwendig sei, den metaphorischen Charakter des Ausdrucks Anschaulichkeit zu
erkennen. Nun habe aber Vischer die Forderung der Phantasieanschaulichkeit mit
einer psychologischen Theorie der sprachlichen Vorstellungstätigkeit unterbaut, nach
der mit jedem Wort der Sprache ein inneres Anschauungsbild erzeugt werde, er
habe so den metaphorischen Charakter des Wortes Phantasieanschaulichkeit zu Gun-
sten des wissenschaftlich psychologischen Begriffs Anschaulichkeit preisgegeben,
und da habe ich vom psychologischen Standpunkt aus im großen und ganzen
recht, wenn ich bestreite, daß das dichterische Wort in unserem Geist Anschau-
ungsbilder erzeuge. Aber ich sei dafür in den entgegengesetzten Fehler verfallen,
zu meinen, mit einer induktiven wissenschaftlichen Ästhetik wertästhetische Ergeb-
nisse erzielen zu können. Demgemäß habe ich die Wertschätzungen zerstört, die im
Anschauungsprinzip Vischers enthalten gewesen seien. Vischer mit seiner wert-
setzenden Poetik und ihrem falschen psychologischen Unterbau und meine induktiv-
wissenschaftliche Poetik mit ihrem falschen Anspruch auf Wertsetzungen seien
 
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