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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0093
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BESPRECHUNGEN.

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ihn aber erstaunlich vermissen lassen? Kann der eigne Ton überhaupt als ästhe-
tische Kategorie bestehen? Läßt er sich am Einzelgedicht erkennen? Ist die Un-
echtheit einer Nachahmung auch ohne Kenntnis des Vorbildes zu entlarven? Fra-
gen über Fragen, die aber den Verfasser nicht beirren, da sie ja in die gemeine
Sphäre des Praktischen hinabführen. Da aber fühlt sich Pfeiffer nicht zuhause, wie
er es denn auch für überflüssig gehalten hat, auch nur eine einzige Abhandlung als
Vorarbeit zu benutzen, die sich statt mit allgemein-ästhetischen Problemen einmal
mit einem einzelnen Lyriker beschäftigt; und aus der Fülle derartiger Literatur wäre
gewiß mancherlei Gültiges zu entnehmen gewesen. Solcher „Metaphysik" gegen-
über, die sich um die „intentionale Struktur" und den „ontologischen Ort" (S. 1)
bemüht, vor dem Was und Wie der Einzelerscheinung aber versagt, möchte man den
Physiker geradezu beneiden, der etwa den naiven Begriff der Gleichzeitigkeit einfach
hinauswirft, nur weil sich das Phänomen praktisch nicht fassen läßt. Bei Pfeiffer
wird immer lustigzu drauflos „identifiziert", „ineins geformt", „verwandelt", „ver-
leibt", „eingeschmolzen", „gebannt" und „beschworen". Aber das bleibt, mit und
ohne Anführungsstrichelchen, doch ganz und gar im „Vagen". Pfeiffer selbst mag
derartiges gefühlt haben, wo er fragt: „Endet nicht der ganze Klärungsansatz den-
noch abermals in ohnmächtiger Flucht ins Irrationale?" Er hat Recht, und ich gebe
durchaus zu, daß sich ästhetische Dinge nicht logisch exakt erledigen lassen; mag
man also ruhig mit „Unbekannten" rechnen! Aber eben sinnvoll „rechnen" muß
man schon mit ihnen. Gelingt es nicht, sie teilweise zu eliminieren oder sonstwie
den Gesamtzusammenhang ins Knappere und Übersichtliche zu transformieren, so
hat das bloße Herumschieben von x auf y und von y auf z nicht den geringsten
Wert. Ich will sogar weitergehen und die Möglichkeit zugestehen, daß man nicht
ohne Paradoxie auskommen kann, in der ästhetischen so wenig wie in der religiösen
Sphäre. Aber hat einer dann das Recht, wie Pfeiffer tut, der „Einfühlungstheorie"
„unauflösliche Schwierigkeiten" ausführlich vorzuwerfen, wenn sich ihm selbst das
lyrische Gedicht zum Schlüsse nur „als Wunder der Synthese antinomischer Kompo-
nenten enthüllt" (S. 107)?

Marburg/Lahn. Kurt Oppert.

Gerhard Thrum: Der Typ des Zerrissenen. Ein Vergleich mit dem
romantischen Problematiker. Leipzig 1931.

Thrums Untersuchung ist anscheinend durch teils äußere Bedingungen schon
in ihrem Beginne in Gebiet und Methode festgelegt worden, so daß der Verfasser
späteren Einsichten, die seinen ursprünglichen Plan zu wandeln nahe legten,
nicht mehr frei folgen konnte. Thrums anfängliche und Hauptabsicht ist, den für
die Erkenntnis der Kulturkrise des 19. Jahrhunderts wichtigen Typus des Zer-
rissenen bei den Jungdeutschen, und hier nur in ihren literarischen, nicht ihren
autobiographischen Zeugnissen zu erfassen. Er stellt fest, daß der Typ des Zer-
rissenen, in der Romantik vorgebildet, dann in dem von Byron beeinflußten Heine
repräsentativ gelebt, zwischen 1830 und 1840 literarische Modeerscheinung wird;
Held von Romanen und Novellen der Jungdeutschen, eines Gutzkow, Laube, Wien-
barg, Mündt und ihnen mehr oder weniger nahestehender Männer, wie Alexis,
Sternberg, Kühne, Willkomm und andern. Er erscheint hier auf vielen Stufen, als
Ironiker, Skeptiker, Blasierter, Nihilist der Tat.

So richtig diese Tatsachen sind, so wenig ist ihr Sinn in ihnen selbst zu er-
kennen; und das Substantielle und Verstehbare dieser Mode liegt nirgends in den
meist literarisch belanglosen Romanen oder Novellen, sondern in den Verfassern,
die sich zu ihnen gedrungen fühlen. Verständnis dieser Erscheinung ist also nur
 
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