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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0317
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BESPRECHUNGEN.

303

züglich zur Bildschließung verwendet wird. Die liegende Gestalt — antiken Vor-
bildern entstammend — ist denn auch inhaltlich und formal bezeichnenderweise in
der jetzt zum Selbstzweck erhobenen Geschichte seit Raffael festzustellen. Zum
Fluchtmotiv tritt im Barock ebenso natürlich der Raubgestus; es wird zum Thema
des Umfassens und Bezwingenwollens, wo vorher Flucht und vergebliches Bemühen
sich darstellte. Soviel zum Problem des Transitorischen, um hier nur eine Frage-
stellung deutlich zu machen. Daß daneben noch andere Momente mitspielen, wie
die Bedeutung des Landschaftlichen, des Erotischen, des Sentimentalischen sei nur
nebenbei bemerkt. Mit wohltuender Bilder- und Literaturkenntnis verfolgt der Autor
sein Thema und gibt in einem Schlußkapitel auch ein Stück Musikgeschichte, indem
er inhaltlich und formal den Weg von der ersten Oper, Rinuccinis „Apollo e il
Pitone" (1589) zu Händeis Daphnekantate „la terra e liberata" (nach 1708) auf-
weist.

Berlin. Alfred Neumeyer.

Carroll C. Pratt: The Meaning of Music, a study in Psycholo-
gical Aesthetics. Mc. Craw-Hill, Publishing Co., London.
Das Buch von Pratt handelt von der Bedeutung der Musik. Unter „Bedeutung"
versteht er dabei rein negativ „diejenigen Qualitäten, die keine Entsprechung mit
den physikalischen Eigenschaften des Reizes haben". „Bedeutung" wird also nicht
bedeutungsphilosophisch bestimmt, sondern gewissermaßen nur als die Transzen-
denz experimenteller Disziplinen zugestanden. Diese Bestimmung von Meaning kann
nicht erstaunen machen. Denn definieren liegt Pratt wenig. Seine Frage, was Musik
sei, findet er außerordentlich ähnlich der Frage, was Intelligenz sei. In seiner All-
gemeinheit ist ihm das Problem der Definition fremd. Trotz dieser seiner Unbefan-
genheit in rebus logicis steuert er zeitweilig auf direkt Gegenstandsphänomenologi-
sches und -logisches los. Mit vieler Leidenschaft — freilich ohne eine einzige Ana-
lyse zu unternehmen — setzt er sich für die pure Untersuchung dessen ein, was
Musik von Natur aus sei. Schon dieser Naturbegriff ist bei einem historischen
Phänomen wie der Musik, das in jedem Jahrhundert etwas anderes ist und etwas
anderes bedeutet, fragwürdig. Die Theoretiker, so fährt Pratt fort, verwechselten
stets das, was Musik sei, mit dem, was sie bewirke; die Wirkungen (die emo-
tions) seien völlig gleichgültig und musikfremd. Daß die Wirkung der Musik zu
ihrer Natur gehören könne, da Musik ja schließlich etwas vom Menschen für sich
selbst bewirktes darstellt, fällt Pratt nicht bei. Als Wirkung kennt er nur Zustände,
die er so generell bestimmt, daß sie auch durch anderes als durch Musik erregt
werden könnten. Die — ob emotional oder nicht so genannte — Bewegtheit des
Subjekts, die einfach im Mitvollzug der musikalischen Bewegtheit besteht, sieht
Pratt nicht; ebensowenig, daß diese Bewegtheit des Subjektes mit dem Musikablauf
mitgeht, also nicht einfach abgetrennter Effekt der Musik ist. Denn die alternativen
Kategorien, die er benutzt: die Sache selbst, der Effekt durch die Sache, sind außer-
musikalisch. Für seine Position beruft er sich auf Hanslick als Kronzeugen. Sehr
zu Unrecht: Pratt versteht Hanslick in jener Vereinfachung, in der die auf Wagner
sich berufende Musikästhetik ihn mißverstanden hatte. Der Hauptbegriff Hanslicks
ist nicht die bloße Form, nicht das bloße abgetrennte Musik-Objekt, sondern der
Begriff der „Physiognomie". Diesen Begriff der Ausdruckhaftigkeit als Sachqualität
bekämpft Pratt aber gerade als „Pathetic Fallacy".

Das Problem der Gegenstandslosigkeit und der Emotionslosigkeit der Musik,
das die fünf deutlich zu scheidenden historischen Wurzeln hat: Piatonismus ((pavij
Aq>mvtfs PJotin), Christentum (res quae canitur gegenüber cantus), Arithmetik (Ar-
 
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