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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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Frydmann, Richard: Das Erlebnis der Näherung: ein Versuch über das ostasiatische Sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0319
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Das Erlebnis der Näherung: ein Versuch über das
ostasiatische Sehen.

Von

Richard Frydmann.

Wir können nicht behaupten, daß unsere bisherigen Versuche, uns
in die Kunst des fernen Ostens einzufühlen, die (zugegebenermaßen
äußerst reizvolle) äußere Schale zu durchbrechen vermocht hätten. Im-
mer sind wir im großen Ganzen auch heute noch im Bereiche der ost-
asiatischen Künste darauf angewiesen, den Gegenstandsgehalt
dieser Künste im Vereine mit der dem Kerne des Ästhetischen fremden
Bewunderung der technischen Darstellungsvirtuosität und dem
doch überhaupt nur für uns sinnvollen „Zauber des Exotischen",
also einer dem Wesenszwecke des konkreten Kunstwerkes völlig inadä-
quaten subjektiv-psychischen Funktion, unserem Kunsterleben zugrunde-
zulegen. Meist geht dies so weit, daß man sich darauf beschränkt, die
ästhetische Wirkung in bewußtem und nicht einmal geordnetem Rück-
züge vor der Essenz des Problems mit dem „dekorativen Werte" der
Darstellung abzutun. Wir ersehen daraus, daß das Problem selbst sich
überhaupt noch im Stadium der Fragestellung befindet und seiner eige-
nen Formulierung noch harrt.

Schon die Tatsache, daß der Erlebniswert ostasiatischer Kunstwerke
für den europäischen Betrachter sich anläßlich der Bewertung des ein-
zelnen Künstlers nicht immer mit der diesem seitens seiner asiatischen
Landsleute entgegengebrachten Wertung deckt, kann nicht mit einem
Achselzucken erledigt werden. Wenn Hokusai, welcher der uns vorauf-
gegangenen Generation den Blick nach Japan öffnete, den Japanern
nicht als ihr größter, sondern nur als ihr — westlichster Maler
gilt, dann ist es nicht verwunderlich, wenn die in Japan als die wirklich
großen Klassiker geschätzten Meister des 15. und 16. Jahrhunderts, wie
Sesshü oder die späteren Kano-Meister Motonobu und Masanobu uns
wesentlich unpersönlicher, „exotischer", „dekorativer" und „unperspek-
tivischer" anmuten. Daß gerade das „Unperspektivische", also Flächen-
hafte der japanischen Farbholzschnitte in der europäisch erfaßten Art
eines Toulouse-Lautrec zum Ferment eines „flächigen" Stiles innerhalb
des Impressionismus, vor allem aber auch der modernen Plakatkunst

Zeitschr. f. Ästhetik u. alls. Kunstwissenschaft. XXVII.

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