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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0365
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BESPRECHUNGEN.

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am dichterischen Stil Normiertes irgendwelcher Art als Individuelles anzusprechen
und also gründlich zu mißdeuten. Erwägungen schließlich zum stilbildenden Ein-
fluß des Generationenwechsels führen N. zu denselben Fragen, wie sie uns schon
in Julius Petersens Aufsatz begegnet sind.

Den Beziehungen „Literaturwissenschaft und Weltanschauungslehre" gilt der
Aufsatz Max Wundts. Von Ablehnung der Berechtigung jeglicher weltanschau-
lichen Betrachtungen bis zum Vorherrschen derselben gibt es in der Literaturwissen-
schaft vielfach abgestufte Stellungnahmen. W. unternimmt es, sowohl von der Seite
der Weltanschauung wie von der der Dichtung her das fragliche Verhältnis genauer
zu bestimmen. Anknüpfend an Dilthey entwickelt er die Weltanschauungen des
Naturalismus, des Psychologismus, deren Widersprüche erkennend und zu über-
winden suchend des „subjektiven" und „objektiven" Idealismus, die ihrerseits wieder
die Ergänzung eines „absoluten" Idealismus heraufführen. Auf Literaturwissen-
schaft angewendet, führt weltanschaulicher Naturalismus zu rein tatsachenmäßig-
philologischen Untersuchungen mit Ablehnung von Gehaltsbetrachtungen, zu Text-
herstellung und Tatsachenermittlung, höchstens zur Milieutheorie des Positivismus.
Der Psychologismus sieht demgegenüber seine Aufgabe in der Herausarbeitung des
dichterischen Erlebnisses selbst und seiner Formung und gelangt im besten Fall zu
einer psychologisch erfaßten Soziologie des Dichtens. Beiden einseitigen Auf-
fassungen setzen die verschiedenen Arten von Idealismus gemeinsam entgegen die
Zentralstellung eines höheren, sowohl tatsachentnäßig als psychologisch über-
empirischen Gehalts, einer Idee in der Dichtung, unterscheiden sich jedoch von-
einander durch die Rolle, die sie dieser Idee einräumen. Der „subjektive" Idealis-
mus, am folgerichtigsten ausgebildet im Neukantianismus, verliert sich am weitesten
von der Wirklichkeit des einzelnen Dichtwerks, indem dieses für ihn nur Beispiel
ideeller (ästhetischer) Normen ist. Der „objektive" Idealismus, vertreten etwa
durch die Romantik, dringt zwar in ideengeschichtlicher Betrachtung zur Dichtung
selbst in ihrer konkreten Lebendigkeit vor, verliert sich aber leicht in ein un-
geordnetes Neben- und Auseinander der Einzelgebilde. Erst der „absolute" Idealis-
mus, Hegels Vollendung der Romantik, bewahrt die berechtigten Gedanken sowohl
des „subjektiven" als des „objektiven" Idealismus und entdeckt dazu die Einheit der
Idee i m Leben der Vielheit der Gebilde. Aber auch von der Dichtung her werden
W. die Beziehungen zur Weltanschauung lebendig. Von ihrer Form her, indem jede
Dichtungsgattung schon eine bestimmte Stellung zur Wirklichkeit, d. h. aber eine
bestimmte Weltanschauung voraussetzt; mit allem Vorbehalt setzt W. die Epik
zum Naturalismus, die Lyrik zum Psychologismus, das Drama zum Idealismus in
Beziehung. Und vom Gehalt her, dessen Verhältnis zur Weltanschauung ja ohne
weiteres einleuchtet. W.s Ausführungen gipfeln in dem Satz: „In ihrer Tiefe ist
darum eine Dichtung gar nicht zu verstehen, wenn nicht auch ihre Weltanschauung
verstanden wird".

Eine außerordentlich belangvolle Frage wirft Fritz Strich in seinem Auf-
satz „Weltliteratur und vergleichende Literaturgeschichte" auf, nämlich die nach
Sinn und Bedeutung von Weltliteratur und Weltliteraturwissenschaft. Die im Titel
genannten Begriffe sind keineswegs aufeinander angewiesen; rindet einerseits doch
vergleichende Methode in der nationalen Literaturgeschichte und finden anderer-
seits doch in der Weltliteraturgeschichte auch andere Methoden Anwendung. So
spreche man statt von vergleichender Literaturgeschichte in jenem Fall lieber von
Weltliteraturgeschichte, Weltliteraturwissenschaft. Aber der Begriff Weltliteratur
selbst ist ein äußerst vieldeutiger Begriff, so daß man erst festlegen muß, was man
unter „Welt" (ob etwa nur Europa?) und was man unter „Literatur" (ob alles in
künstlerischer Form Geschriebene oder nur Dichtung?) verstehen will. St. be-
 
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