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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Baránszky-Jób, Ladislaus: Die gegenwärtigen Probleme der ungarischen Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0064
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LADISLAUS BARANSZKY-JÖB

ist seinem Wesen nach der verdichtenden und vereinigenden Intuition
zugeordnet. Pauler fühlt sich gezwungen, das ganze System Böhms als
psychologisch zu bezeichnen, was auch nicht zu verwundern ist, da vom
Standpunkt eines logischen Idealismus jeder subjektive Idealismus als
psychologistisch bezeichnet werden muß. Böhms Bestimmung des ästhe-
tischen Wertes scheint allerdings auf den ersten Blick die Kritik Paulers
zu bestätigen, und er hielt es selbst für nötig, sich gegen eine solche
Mißdeutung seiner Aufassung im vorhinein zu verteidigen und zu er-
klären, daß die verdichtende Intuition als letzter Akt der gesetzmäßigen
und dynamischen Entfaltung des Geistes zu verstehen und seitens der
empirischen Psychologie gar nicht zu erfassen sei. Indem die empirische
Psychologie von der Sinnlichkeit ausgeht, muß sie dem Wesen des künst-
lerischen Schaffens ohne Verständnis gegenüberstehen, das deshalb von
dieser Art Psychologie als „Geheimnis" bezeichnet zu werden pflegt.
Eine größere Gefahr als der Psychologismus droht der Böhmschen
Ästhetik durch eine naheliegende Intellektualisierung. Böhm stellt fest,
daß die Intuition im Sinne seines Systems stets an der „intellektualisti-
schen Struktur des Subjekts" orientiert ist, betont jedoch, daß die ästhe-
tische Anschauung über dem Wissen steht, ebenso wie über der Sitte,
welche nur Inhalte für den ästhetischen Wert darstellen; der Geist setzt
sie, wie andere Inhalte, sich selbst gegenüber. Sie sind jedoch als Werte
im Ästhetischen, obwohl sie auf dieser Stufe des Geistes nur frühere
Stadien der geistigen Bewegung darstellen, stets enthalten, sonst bliebe
dieses bloß leere Selbstanschauung. „Das ist der Sinn der ästhetischen
Freiheit." Eine Ästhetik, die aus einem allgemeinen philosophischen
System erwächst und nicht als selbständige Wissenschaft begründet
wird, rächt sich oft für den Verlust ihrer Selbständigkeit dadurch, daß
sie dem ganzen System den Stempel eines Ästhetizismus aufdrückt. Auch
das System Böhms konnte dem anscheinend nicht entgehen. Schon von
diesem methodischen Gesichtspunkt aus dürfte die im Nachlaß des Philo-
sophen befindliche, bisher unveröffentlichte, selbständige Ästhetik von
besonderem Interesse sein.

Böhm erwies sich in einem positivistischen, eklektischen und utilitari-
stischen Zeitalter als Vorläufer einer spiritualistischen und metaphysischen
Weltauffassung. Er wirkte sehr stark auf seine Hörer, und seine Gedanken-
welt wurde — wie diejenige Fichtes für das Deutschtum — zu einer reinen
Quelle der im Zeichen der Selbsterkenntnis sich vollziehenden Neugeburt
des Ungartums. Die beiden bedeutendsten Führer dieser geistigen Um-
gestaltung: Ladislaus Ravasz, kalvinistischer Bischof in Budapest, und
Alexander Makkai, kalvinistischer Bischof des Siebenbürger Ungartums,
beide zugleich namhafte Schriftsteller, zeigen sich auch in ihrer ästhe-
tischen Auffassung als treueste Schüler und Nachfolger Böhms.
 
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