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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Zum Abschied
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0435
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Zum Abschied

Mit dem nächsten Heft, dem ersten des zweiunddreißigsten Jahrgangs,
beginnt die „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft"
einen neuen Abschnitt ihres Lebens. Ihr Leiter wird fortan Prof. Richard
Müller-Freienfels sein. Indem ich mein Amt in seine Hände lege, füge ich
viele gute Wünsche hinzu. Gleichzeitig danke ich meinen Mitarbeitern,
den toten in treuem Gedenken, den lebenden in aufrichtiger Verbundenheit.
Dank schulde ich auch dem Verlag für seine Zuverlässigkeit und Sorgfalt;
es war gut arbeiten mit den Enkes.

Weshalb ich diese Zeitschrift gegründet und sie durch eine Gesell-
schaft sowie durch Kongresse zu stützen versucht habe, möchte ich noch-
mals sagen. Mir schien die Erkenntnis der Kunst von zwei Seiten her be-
droht: von den Philosophen und Psychologen, die aus den Kunstwerken
rein ästhetische Gebilde machen wollen, und von den Historikern, die nur
einzelne Kunstbezirke und in jedem nur die geschichtlichen Zusammen-
hänge kennen. Um dem ersten Irrtum zu entgehen, schied ich von der
Ästhetik die Kunstwissenschaft, und um die andere Einseitigkeit zu ver-
meiden, strebte ich danach, die Theorie der Kunst als eine allgemeine
Kunstwissenschaft auszubilden. Unsere Zeitschrift sollte dazu beitragen,
die Kunst, diese gewaltige Tatsache des geistig-gesellschaftlichen Lebens,
vor Ästhetisierung und Historisierung zu bewahren.

Indessen, es ist mir nicht beigefallen, alle Mitarbeiter auf meine Über-
zeugung zu verpflichten. Die Abhandlungen, mit denen die Zeitschrift im
Januar 1906 eröffnet wurde, stammten von Theodor Lipps und Konrad
Lange, also von zwei Forschern, die ihre eigenen Wege gingen. Auch
später hat jeder das Wort erhalten, der mit Sachkenntnis seine Meinung
vertrat, damit in immer neuer Berührung der Geister die Forschung
lebendig und fruchtbar bleiben konnte. So wenig ich danach gefragt habe,
ob jemand meinen Ansichten zustimmte, ebensowenig danach, ob er zu
den Anerkannten gehörte oder zu den Kommenden: mancher Neuling ist
hier zu seinem ersten Waffengang angetreten. Letztlich waren wir doch alle
einig, denn uns verband der Wille, Klarheit auf einem Gebiet zu schaffen,
das so leicht durch Phrasen eingenebelt wird.
 
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