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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Wohlfarth, Paul: Die Frau am Fenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0084
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BEMERKUNGEN

nur heitere Freude, die ihr Herz erfüllt. Friedrichs Bild verkörpert ein Ewiges,
Tiefinnerliches, Allgemein-Menschliches. Es ist die Metaphysik des Fensters.

Stilgeschichtlich aber können wir das Fenstermotiv noch einem anderen, allge-
meineren Zusammenhang einordnen. Indem das Fenster bald die menschliche Gestalt
umrahmt, aus dem Zusammenhang hervortreten läßt, isoliert, bald sie mit der Um-
welt verknüpft, unzerreißbare Fäden zwischen ihnen schlingt, stellt es sich in den
Dienst zweier grundverschiedenen Lebensgefühle, des klassisch-südlichen mit seiner
plastischen Durchfühlung der Einzelgestalt und des nordisch-deutschen mit seiner
Gebundenheit, seinem Untertauchen in einen lebendigen Gesamtorganismus, seiner
inneren Musikalität, Gegensätze, die Heinrich Wölfflin in seinem letzten Werke
„Italien und das deutsche Formgefühl" zu Formulierungen unüberbietbarer Klarheit
gebracht hat. Daß wir das Fenster in der klassischen Kunst Italiens wie in der Kunst
des Nordens mit derselben Vorliebe verwendet sehen, verdanken wir der Tatsache,
daß es sich beiden Welten in gleicher Selbstverständlichkeit einfügt. Die Bevorzugung
der Frau zu ergründen, wird nicht so leicht sein. Gewiß, überwiegend sind es
Interieurs, die uns das Fenster zeigt, und das Innere des Hauses ist nun einmal das
Reich der Frau. Diese Deutung, so nahe sie liegt, erscheint aber doch etwas simpel.
Lassen wir es lieber dabei bewenden, daß die Zärtlichkeit und Hingabe, die die Maler
der Frau entgegenbrachten, von der Madonna bis zur Geliebten, im Fenster ein will-
kommenes Mittel fand, sie zu beleuchten, zu verschönen, zu verklären.
 
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