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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Wulff, Oskar: Tizians Kolorit in seiner Entfaltung und Nachwirkung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0134
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OSKAR WULFF

sehen Malerei E. v. d. Berckens-) eine wesentliche Klärung der Gesichts-
punkte der Urteilsbildung, wohl ohne sich dessen vollauf bewußt zu sein.
Und doch beruht gerade darauf die Überlegenheit seiner Leistung im Ver-
gleich mit früheren ähnlichen Versuchen, den farbigen Ausdruck einer
Künstlerpersönlichkeit in seiner Wandlung zu erfassen. Denn die von
Hetzer in der Einleitung hervorgehobene Hauptschwierigkeit jedes der-
artigen Unternehmens, daß die Sprache unvermögend ist, uns durch eine
noch so ausführliche Beschreibung die Anschauung von dem farbigen Ge-
samtaufbau eines Bildes zu vermitteln, läßt sich nur durch Zurückführung
desselben auf die gesetzlichen Grundverhältnisse seiner Farbengebung,
nämlich Harmonie, Verwandtschaft (Affinität), Farbzusammenhang
(Kontinuität), Polarität, Kontrast u.a.m. bemeistern, wie er auch in der
Tat verfährt. Unerläßliche Voraussetzung für ihr Verständnis ist jedoch,
daß solche Ausführungen stets an Hand einer guten, wenn auch farblosen
Abbildung gelesen werden, wie sie vor allem der von O. Fischel bearbeitete
Tizianband der Klassiker der Kunst sowie der Aust.-Katalog der Mostra
von 1935 sie bietet Farbige Abbildungen können dabei immerhin als
Hilfsmittel dienen und erscheinen mir daher nicht so wertlos wie dem Ver-
fasser, genaue Vergleichung mit dem Original vorausgesetzt. Ihre Gefähr-
lichkeit liegt weniger in der Trübung der Übergangstöne als in der Ver-
schiebung des Gesamteindrucks (meist nach dem Gelb hin). Ihr Fehlen
beeinträchtigt jedoch die Ausführungen Hetzers keineswegs in ihrem
Wert. Wohl aber hätte eine noch gründlichere theoretische Schulung ihn
erhöhen können. Schon aus den von Hetzer unterschätzten Forschungen
E. v. d. Berckens2) hätte größerer Gewinn gezogen werden können, wie
unten gezeigt werden soll. Andere Untersuchungen zur Ästhetik der Farben-
gebung haben vollends so gut wie gar keine Berücksichtigung gefunden.
Das ist vielleicht weniger für Ostwalds Neubegründung des Harmonie-
gesetzes zu bedauern als besonders für die Beiträge von D. Katz und
H. Jantzen im Bericht des I. Kongresses für Ästhetik und Kunstwissen-
schaft. Nur gelegentlich taucht manchmal der von dem Erstgenannten ein-
geführte Begriff der Erscheinungsweise der Farbe auf. Von Jantzens
scharfer begrifflicher Unterscheidung des Eigenwerts und des Darstel-
lungswerts der Farbe aber wird gar kein Gebrauch gemacht"), wenngleich

-) E. v. d. Bercken, Untersuchungen zur Geschichte der Farbengebung in der
venezianischen Malerei. I. Teil. Parchim 1914 (Freibg. Diss.). Vgl. auch die Hinweise
bei Hetzer, a. a. O. S. 267 auf weitere Beiträge des Forschers auf dem Gebiete des
Kolorismus.

3) D. Katz, Psychologisches zur Frage der Farbengebung, Kongreß für Ästhetik
und allgemeine Kunstwissenschaft. Berlin 7.—9. Oktober 1913. Bericht. Stuttgart
1914, S. 314—320, und H. Jantzen, Über Prinzipien der Farbengebung in der Malerei,
ebenda S. 322—327.
 
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