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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0212
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BESPRECHUNGEN

dieser Zeit, alle Zusammensetzungen mit Ur-, ferner Lebensanschauung, Welt-
anschauung, Stimmung immer als deutsche Zitate gegeben werden, also wohl un-
übersetzbar sind. — Mit guter Umsicht werden die inneren Kräfte der Jahre neuer
Sachlichkeit abgetastet; aber es sind schließlich der bloßen Namen und Werk-
aufschriften viel zu viele, ohne wirklich weiter helfende Kennzeichnungen. Für
einen Ausländer müssen das leere Schälle bleiben! Da Pensa selbst gelegentlich
auf das Rasseproblem anspielt, fragt man sich, ob die Fülle und Undurchdringlich-
keit nicht hätte methodisch durch diese Fragestellung oder das landschaftliche
Betrachtungsprinzip Josef Nadlers vermieden werden können, ob nicht die Gene-
rationenfrage Julius Petersens oder ein anderer kunstwissenschaftlicher Maßstab
methodisch streng angewendet auch diesem Essai zu letztlich größerem Ertrag
verholfen hätte? —

Ein aufschlußreicher Satz: „Diese Figur des Katneraden ist die Keimzelle so
des Fascismus wie des Nationalsozialismus" (S. 47). Aus dem Reichtum an Neben-
bemerkungen spricht eine überaus liebevolle Aufmerksamkeit auch außerliterarischen
Dingen deutscher Zeitgeschichte gegenüber und eine energische Vertiefung in das
nationalsozialistische Staats- und Kulturwollen. Die Darstellung des nationalsozia-
listischen Kunstgestaltens und -wertens gründet sich auf eine durchaus nicht all-
tägliche Kenntnis der Quellen. Pensa sieht zusammenfassend das Neue nicht nur
in neuen Namen, sondern in den neuen Wertsetzungen.

Für Pensas persönliche Eigenart noch aufschlußreicher sind die sich an-
schließenden Aufsätze über Erwin Guido Kolbenheyer, Hans Friedrich Blunck, Hans
Carossa, Paul Ernst, Stefan George (eine Schau über das Schrifttum des „Kreises").
Daran gefügt sind eine Folge Bemerkungen zum deutschen Klassizismus und in
einem Anhang bemerkenswerte Fragen zur Jean-Paul-Forschung, die Pensa in eine
kluge Prüfung der neuen wissenschaftlichen Jean-Paul-Literatur ausklingen läßt.

Es ist unter anderm recht ergiebig zu sehen, wie der Italiener Pensa die so
überaus deutsche, umständliche Erzählweise etwa Kolbenheyers nicht durchaus ver-
steht und darum als Enttäuschung ablehnt. Er geht mit zu sehr vorgefaßten Maß-
stäben an allerdings schwierige Erörterungen gerade deutscher Kunst heran. Die
Romane, kurz gesagt, sind ihm zu philosophisch, wo er mehr erzählerische Aktion
erwartet. Aber sind nicht gerade die ganz großen deutschen Romane durchweg
breit weltanschaulich angelegt, und liegt in einer gewissen, uns gar nicht absonder-
lichen Umständlichkeit der Form nicht gerade der Ausdruck ihrer Deutschheit?

Die Pensaschen Aufsätze greifen jeweils eine dem Verfasser wichtige Reihe
dichterischer Werke heraus und verzichten auf Vollständigkeit, ohne daß dabei der
deutsche Leser sich überzeugt fühlte, daß in solcher Auswahl Pensa den Gegen-
stand wenigstens stellvertretend ganzheitlich zum Ausdruck zu bringen vermocht
habe. So kommt der Lyriker Kolbenheyer oder der Lyriker und Dramatiker Blunck
doch zu kurz. Ausgezeichnet wie der ganze Essai scheint die erste Würdigung
Carossas: „Ciö che in Germania richiama sempre piü l'attenzione sull' arte e sulla
personalitä di Hans Carossa, e il tono semplice e profondo di tutta la sua poesia,
la schietezza e la sanitä della sua concezione della vita." Zu Carossa scheint Pensa
ein besonders inniges Verhältnis zu besitzen, wie die außerordentlich gut ge-
wählten Zitate zur Wandlung vom Doktor Bürger in den Arzt Gion erweisen.
Es fällt aber auf, daß ihm gegenüber Pensa durchaus von der Gedankenwelt und
viel weniger von der Formwürdigung ausgeht als bei den übrigen Autoren. Auch
Paul Ernst spricht den italienischen Forscher stark an, vorzüglich im formalen
Durchbilden seiner Gedankengefüge und Werke. Pensa verfolgt vergleichend hier
ein florentinisches, ein giotteskes Moment des Gestaltens. Die Herausarbeitung
 
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