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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0314
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BESPRECHUNGEN

zu beliebiger Reproduktion für die Zukunft zu materialisieren. Verzichten müßte er
dabei auf einige seiner jetzigen stilistischen Eigenheiten wie Teil- und Großaufnahmen,
er gäbe die Originalaufführung vielmehr so, wie der Theaterbesucher sie erlebt; das
wäre vielleicht im einzelnen ein Verlust, im ganzen aber zweifellos ein künstlerischer
Gewinn. Seine Aufnahme zöge bei der Reproduktion als großes Bühnenbild wie im
Theater selbst am Beschauer vorüber, während das Radio das Fernsehen doch nur
auf einer Bildfläche von etwa Postkartengröße ermöglicht. Den Anfang mit derartiger
Reproduktion hat der Tonfilm ja schon in Form von Kulturfilmen gemacht. Berühmte
Dirigenten, einen Richard Strauß, Max Schillings u. a., mit ihren Orchestern bei der
Aufführung eines einzelnen Musikwerks hat der Tonfilm schon gezeigt, auch Einzel-
szenen aus Opern mit Starbesetzung hat er in gleicher Art reproduziert und es sei
auch an einen Kulturfilm von den Vorbereitungen in Bayreuth erinnert, in dem gleich-
falls Szenenbilder wiedergegeben waren. Danach ist zu hoffen, daß nun auch der
letzte technische Schritt getan wird und ganze Theateraufführungen als Tonfilme auf-
genommen werden.

Wird damit aber nicht gerade der Vernichtung des Theaterspiels selbst auf klei-
neren Bühnen das Wort geredet, auf die oben als Befürchtung hingewiesen wurde?
Doch nur, wenn nun all' und jede Aufführung der führenden Bühnen vertonfilmt
werden würde. Davon ist jedoch gar nicht die Rede. Nur wenige ganz maßgebende
Darbietungen des Theaters sollten in dieser Weise gewissermaßen zu künstlerischen
Unterrichtszwecken größten Stils für die Zukunft als historische Denkmale drama-
tischer Kunst aufbewahrt werden. Was würde man nicht darum geben, wenn man
beispielsweise Goethes Weimarer Theater oder Stücke mit Schauspielern und Sängern
wie Ekhof, Iffland, der „schwedischen Nachtigall" Jenny Lind oder aus neuerer Zeit
mit Kainz, der Duse, Caruso, wenn man Beethoven am Klavier oder eine Mozart-
oper mit ihrem Schöpfer, wenn man das Wiener Burgtheater aus alten Glanzzeiten,
die ersten Bayreuther Festspiele zu Lebzeiten Wagners oder die so einzigartig be-
setzten Ibsenzyklen des Berliner Lessingtheaters kurz vor dem Weltkrieg noch heute
sehen und hören könnte! Wie hat man sich gemüht, aus literarischen und zeichne-
rischen Quellen beispielsweise Hamletaufführungen des 18. Jahrhunderts zu rekonstru-
ieren3) ! Dem Tonfilm kann hier eine Aufgabe zufallen, deren kulturelle Bedeutung
gar nicht abzusehen ist.

Wir sind mit der Aufzeigung solcher Entwicklungsmöglichkeiten von Eckerts
Buch, das sie nicht berührt, einigermaßen abgekommen. E. erhofft von Hörspiel und
Tonfilm vor allem arteigene Leistungen und wir können ihm darin nur beistimmen.
Gerade aber weil er das tut, wertet er die Bearbeitungen literarischer Vorlagen durch
Hörspiel und Tonfilm doch wohl zu hoch. Indem er die Weltliteratur nach Epochen
durchgeht, wird es unseres Erachtens auch deutlich, daß die Bearbeitungen den dich-
terischen Originalen künstlerisch nicht gleichkommen, ja oft genug sich an ihnen mehr
oder weniger versündigen. Mögen einzelne dichterische Kunstwerke solcher Bear-
beitung auch einmal entgegenkommen, grundsätzlich bleibt sie doch stets künstlerisch
bedenklich. Dennoch sind die zahlreichen Analysen solcher Bearbeitungen durch den
Verfasser sehr verdienstlich, nicht minder die Zusammenstellungen der 1930 bis 1935
herausgekommenen Filme deutscher Herkunft nach literarischen Werken und der
1924 und 1925 vom deutschen Rundfunk gesendeten Hörspielbearbeitungen literari-
scher Vorlagen. Fast gar nicht würdigt E. die Aufgabe, die Rundfunk und Tonfilm
mit der Vermittlung und Reproduktion großer darstellender Kunst erwachsen und

3) Voelcker, Bruno: Die Hamletdarstellungen Daniel Chodowieckis und ihr
Quellenwert für die deutsche Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1916.
 
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