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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0370
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BESPRECHUNGEN

Anordnung und Zeichen (Wort, Ton, Farbe usw.)" (S. 22). Es stellt sich heraus, daß
Baumgartens Ästhetik in gewisser Hinsicht derjenigen Kants sehr viel näher steht
als bisher gesehen werden konnte, weil man sich vom Gedanken der „niederen Logik"
leiten ließ, der für die Ausgangsposition in den „Meditationes" kennzeichnend ist.
Die „cognitio sensitiva" ist der „Inbegriff sinnlicher Gegebenheiten"; während aber
die Kategorien der äußeren (significatio) und inneren Form (ordo) von Baumgarten
nicht weiter behandelt worden sind, erfährt die sie bedingende Kategorie der cogi-
tatio als „prima et primaria pars cognitionis" eine ausführliche Bestimmung. „Cogi-
tatio ist das Gedankliche, das »Thema«, das ideelle Substrat, und steht so in der Tat
im Zentrum des schönen Gegenstandes" (S. 30). Aber obwohl die Bedingungen der
gedanklichen Schönheit (nämlich Reichtum, Größe [magnitudo], Wahrheit, Licht,
Überzeugungskraft und Lebhaftigkeit [vita]) im Vordergrund stehen, kann kein
Zweifel darüber aufkommen, daß Baumgarten die für das Schöne unerläßliche Real-
beziehung auf die sinnliche Erscheinung (phaenomenon) — auch wenn sie im System
nicht mehr ausgeführt worden ist — genügend zur Geltung gebracht hat. Nach einer
erneuten Abgrenzung der objektiven Theorie gegen die Logik der niederen Erkenntnis
wendet sich dann der zweite Teil der Untersuchung dem Problem des Verhältnisses
von Ethischem und Ästhetischem zu.

Durch den Nachweis, daß das Schöne nicht als sinnlich erscheinende metaphy-
sische Vollkommenheit verstanden wird, ist schon ein schweres Hindernis beseitigt,
das der ästhetischen Autonomie im Wege stehen könnte. Der „funktionale" Vollkom-
menheitsbegriff wird aber auch gegen die teleologisch-moralische Heteronomie ge-
schützt. Baumgarten hat „in dieser Frage einen bedeutenden Schritt nach vorne"
getan (S. 42). Schon B r a i t m a i e r (als einziger) hat das erkannt (vgl. Gesch. der
poetischen Theorie II, S. 35) und der Verf. sieht seine eigene Aufgabe deshalb nur
noch darin, das richtige Urteil Braitmaiers durch eine genaue Prüfung der Baum-
gartenschen Theorie zu bestätigen. Diese Begründung ist ihm m. E. wirklich
gelungen. An den Ausführungen über die Kategorie der „magnitudo" wird gezeigt,
daß Baumgarten „große Gedanken" zuläßt, die frei von moralischen Inhalten sind;
nur die „Größe" des Oog positivum", die Darstellung des Sittlichen als „dignitas
aesthetica", scheint in moralistische Richtung zu weisen. Und doch kommt es auch hier
nur auf die cogitatio an, ob das Ethische, wie jeder an sich rationale Gegenstand,
unter ästhetische Kategorien gebracht werden kann. Denn sofern er in seiner Ver-
wirklichung an einen „Stoff" gebunden ist, muß er auch Gegenstand „sinnlicher
Erkenntnis" werden können. Baumgarten spricht demgemäß von einer „virtus ama-
bilis", die „in die Sinne fällt", während die „virtus veneranda" Gegenstand der
rationalen Beurteilung bleibt. Diese Lehre von der in Erscheinung tretenden Sittlich-
keit (den „virtutum umbrae") darf nach des Verf. Meinung als eine Vorstufe zu
Kants Lehre von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit und zu Schillers
Unterscheidung von Anmut und Würde angesehen werden. Peters macht hier mit
Recht darauf aufmerksam, daß man bei der Betrachtung und Beurteilung von
Schillers Philosophie und Ästhetik „über dem Schüler Kants, der im Mittelpunkt
aller Untersuchungen steht, nicht das Kind des 18. Jahrhunderts übersehen" dürfe,
vor allem die Richtung Sulzer—Mendelssohn—Garve—Abel! Diese Beziehung bestehe
jedoch nicht in der vielzitierten Lehre vom „Morgentor des Schönen", da dieser
für die Ästhetik ganz unfruchtbare Gedanke sowohl bei Baumgarten in der „Aesthe-
tica" (§ 7) gegenüber den „Meditationes" an Bedeutung verloren habe, als auch
von Schiller bald aufgegeben worden sei. Dagegen bringt nun ein Vergleich des § 183
der „Aesthetica" mit einer entsprechenden Stelle aus Schillers Schrift „Über den
Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen" den Aufschluß, daß die Grund-
 
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