138
MODERNE KUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.
handwerks vollständig klar. Dasselbe hat einen ganz eigenen
Charakter; es hat in gewissem Sinne auch schon seinen eignen
Stil. Nicht im Sinne des älteren Kunsthandwerkes, denn eine
eigene durchgehende Formensprache finden wir hier ebensowenig
wie in der Architektur der Vereinigten Staaten; aber gemeinsam
ist dem amerikanischen Kunsthandwerk das Bestreben, die Form
aus dem Bedürfnis heraus zu finden, sie ganz dem Zweck ent-
sprechend zu bilden; jedenfalls eines der wesentlichsten Erforder-
nisse des Stils, wenn auch noch kein eigentlicher Stil. Weil die
amerikanischen Möbel so „praktisch" sind, weil ihre Silberservice,
ihre Eisenarbeiten u. s. f. so zweckmäßig sind, darum erscheinen sie
uns schön, darum sind sie schön.
Ein anderer allen Zweigen des amerikanischen Kunstgewerbes
gemeinsamer Vorzug ist der feine Farbensinn, der sich darin
bekundet. Die harmonische und reiche Farbenwirkung ist dem
Amerikaner eines der vornehmsten Erfordernisse für die künst-
lerische Ausgestaltung des Inneren seiner Wohnung; die ganze
Ausstattung muss dazu mit beitragen und erhält dadurch einen
Teil ihres Charakters. Von Buntheit hält sich derselbe aber
ebenso fern wie von Farblosigkeit oder Eintönigkeit; ist es ja, wie
ich bereits hervorgehoben habe, ein durchgehender Zug der ame-
rikanischen Kunst, dass sie vor aller Übertreibung zurückscheut.
Wandbeleuehtung mit drei Flammen.
Ampel.
Die feinen Profile, die mäßigen Ausladungen an den Möbeln der Amerikaner fallen
uns Deutschen ebenso sehr auf wie die zarte Farbenwirkung ihrer Wände und
Decken, die delikate Farbenstimmung ihres Schmucks. Am deutlichsten be-
kundet sich ihre Überlegenheit, wo sie vor die Aufgabe der künstlerischen Ge-
staltung ganz neuer Bedürfnisse gestellt sind. Ihre Leuchtkörper für elektrisches
Licht und die Anbringung derselben, die Dekoration ihrer Fahrstühle, die Ver-
wendung und Behandlung des farbigen Glases für verschiedene Zwecke sind
durchaus neu und eigenartig, selbst gegenüber der alten Kunst; und gerade
hierin zeigen sich der Sinn für Zweckmäßigkeit und farbige Wirkung wie die
Phantasie der Amerikaner am glänzendsten, während gleichzeitig bei uns in
Europa solche aus neuen Erfindungen erwachsene moderne Bedürfnisse nur eine
ungenügende Lösung im Anschluss an ältere, als Vorbilder nicht geeignete
Kunstformen gefunden haben.
Unter den verschiedenen Zweigen des Kunsthandwerks, die sich bisher in
den Vereinigten Staaten eigenartig entfaltet haben, steht nach Alter und Bedeutung
die Kunsttischlerei wohl obenan. Konnte sie doch aus der Entwickelung des
Bauhandwerks Nutzen ziehen; auch fand sie in dem Bedürfnis des Amerikaners, das
eigene Heim sich möglichst praktisch und behaglich einzurichten, eine besondere
Förderung. Die Täfelungen der Wände, von den Blockhäusern der Kolonisten
her alte Sitte, sind wie die Thüren, Fensterlaibungen, Geländer u. s. f. in ihren Ver-
hältnissen, in der Profilirung, in der Farbenwirkung der sehr verschiedenartigen
vortrefflichen Hölzer von einer Feinheit und in der technischen Behandlung von
einer Vollendung, welche sie den japanischen und chinesischen Holzarbeiten ver-
gleichen lässt. Die Möbel fallen'uns in ihrer Eigenartigkeit ganz besonders in
die Augen. Einzelne Gattungen von Möbeln, die wir aus alter Tradition noch
immer im Gebrauch haben und weiter anfertigen lassen, obgleich sie unseren
heutigen Anforderungen nur ungenügend entsprechen, wie Schränke, Tische,
Kommoden, hat der Amerikaner fast ganz aus seiner Einrichtung verbannt; dafür
MODERNE KUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.
handwerks vollständig klar. Dasselbe hat einen ganz eigenen
Charakter; es hat in gewissem Sinne auch schon seinen eignen
Stil. Nicht im Sinne des älteren Kunsthandwerkes, denn eine
eigene durchgehende Formensprache finden wir hier ebensowenig
wie in der Architektur der Vereinigten Staaten; aber gemeinsam
ist dem amerikanischen Kunsthandwerk das Bestreben, die Form
aus dem Bedürfnis heraus zu finden, sie ganz dem Zweck ent-
sprechend zu bilden; jedenfalls eines der wesentlichsten Erforder-
nisse des Stils, wenn auch noch kein eigentlicher Stil. Weil die
amerikanischen Möbel so „praktisch" sind, weil ihre Silberservice,
ihre Eisenarbeiten u. s. f. so zweckmäßig sind, darum erscheinen sie
uns schön, darum sind sie schön.
Ein anderer allen Zweigen des amerikanischen Kunstgewerbes
gemeinsamer Vorzug ist der feine Farbensinn, der sich darin
bekundet. Die harmonische und reiche Farbenwirkung ist dem
Amerikaner eines der vornehmsten Erfordernisse für die künst-
lerische Ausgestaltung des Inneren seiner Wohnung; die ganze
Ausstattung muss dazu mit beitragen und erhält dadurch einen
Teil ihres Charakters. Von Buntheit hält sich derselbe aber
ebenso fern wie von Farblosigkeit oder Eintönigkeit; ist es ja, wie
ich bereits hervorgehoben habe, ein durchgehender Zug der ame-
rikanischen Kunst, dass sie vor aller Übertreibung zurückscheut.
Wandbeleuehtung mit drei Flammen.
Ampel.
Die feinen Profile, die mäßigen Ausladungen an den Möbeln der Amerikaner fallen
uns Deutschen ebenso sehr auf wie die zarte Farbenwirkung ihrer Wände und
Decken, die delikate Farbenstimmung ihres Schmucks. Am deutlichsten be-
kundet sich ihre Überlegenheit, wo sie vor die Aufgabe der künstlerischen Ge-
staltung ganz neuer Bedürfnisse gestellt sind. Ihre Leuchtkörper für elektrisches
Licht und die Anbringung derselben, die Dekoration ihrer Fahrstühle, die Ver-
wendung und Behandlung des farbigen Glases für verschiedene Zwecke sind
durchaus neu und eigenartig, selbst gegenüber der alten Kunst; und gerade
hierin zeigen sich der Sinn für Zweckmäßigkeit und farbige Wirkung wie die
Phantasie der Amerikaner am glänzendsten, während gleichzeitig bei uns in
Europa solche aus neuen Erfindungen erwachsene moderne Bedürfnisse nur eine
ungenügende Lösung im Anschluss an ältere, als Vorbilder nicht geeignete
Kunstformen gefunden haben.
Unter den verschiedenen Zweigen des Kunsthandwerks, die sich bisher in
den Vereinigten Staaten eigenartig entfaltet haben, steht nach Alter und Bedeutung
die Kunsttischlerei wohl obenan. Konnte sie doch aus der Entwickelung des
Bauhandwerks Nutzen ziehen; auch fand sie in dem Bedürfnis des Amerikaners, das
eigene Heim sich möglichst praktisch und behaglich einzurichten, eine besondere
Förderung. Die Täfelungen der Wände, von den Blockhäusern der Kolonisten
her alte Sitte, sind wie die Thüren, Fensterlaibungen, Geländer u. s. f. in ihren Ver-
hältnissen, in der Profilirung, in der Farbenwirkung der sehr verschiedenartigen
vortrefflichen Hölzer von einer Feinheit und in der technischen Behandlung von
einer Vollendung, welche sie den japanischen und chinesischen Holzarbeiten ver-
gleichen lässt. Die Möbel fallen'uns in ihrer Eigenartigkeit ganz besonders in
die Augen. Einzelne Gattungen von Möbeln, die wir aus alter Tradition noch
immer im Gebrauch haben und weiter anfertigen lassen, obgleich sie unseren
heutigen Anforderungen nur ungenügend entsprechen, wie Schränke, Tische,
Kommoden, hat der Amerikaner fast ganz aus seiner Einrichtung verbannt; dafür