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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 5.1894

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Bode, Wilhelm von: Moderne Kunst in den Vereinigten Staaten von Amerika, [2,2]: Die Architektur und das Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.3804#0169

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MODERNE KUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.

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in den kleinen arabischen Glasfenstern gefunden
haben. Aber das sind alles doch nur Anregungen;
was wir hier vor uns sehen, ist in seiner Art eine
ganz neue Kunstgattung, der unser Jahrhundert in
stilvoller Behandlung und Pracht der Farbe wohl
keine zweite an die Seite stellen kann.

Nach einer Reihe noch mehr oder weniger un-
vollkommener Versuche, deren früheste erst etwa
sechzehn Jahre zurückgehen, hat sich hierin eine
ganz bestimmte Technik ausge-
bildet. Das Glas, welches man
verwendet, ist ein ganz eigen-
artiges und kunstreiches. Es ist
lichtdurchlassend aber nicht
durchsichtig, ist dick und eigen-
tümlich gewellt und gezwickt,
erstarrtem Lavaflusse ähnlich. In
den Farben werden, je nach der
Bestimmung, die verschieden-
artigsten Wirkungen angestrebt.
Bald werden Platten von Achat,
orientalischem Alabaster, gold-
farbigem Marmor, Onyx oder
dgl. nachgeahmt, deren Pracht
und Leuchtkraft womöglich noch
übertroffen werden; solche Stücke
werden mit Vorliebe als große
Platten für Oberlichter, für Fen-
ster, die nur Licht aber keine
Aussicht gewähren sollen, und
ähnliche Zwecke verwendet. Bald
sind die Glasplatten von kräf-
tigeren, reicheren Farben, Edel-
steinen oder Halbedelsteinen
gleichend oder mit den herr-
lichsten Blumen, mit den farben-
prächtigstenSchmetterlingenund
Vögeln wetteifernd: aus solchen
Tafeln werden die kleinen Stücke
geschnitten, die mosaikartig zu
Bildern, Ornamenten oder geometrischen Mustern
zusammengestellt werden. Durch die Vollendung in
der Herstellung des in der mannigfachsten Weise ge-
färbten und abgetönten Glases, durch die außerordent-
liche Kunstfertigkeit in der Auswahl und im Zer-
schneiden des Glases, in ihrer Zusammenstellung und
in ihrer Befestigung in Blei- oder Drahtfassung, bei
der jede kleine Falte in der Gewandung und jede
Nuance der Farbe berücksichtigt wird, haben Künstler
wie Lafarge und Louis C. Tiffany es erreicht, fast
ganz ohne Beihilfe der Malerei (sie beschränkt sich

Amerikanische Wandbeleuclitimg

auf die durchgeführten Fleischteile bei figürlichen
Darstellungen) rein in Mosaiktechnik Glasbilder
von der Feinheit eines Ölgemäldes und von einer
ganz ungeahnten Pracht der Farbe herzustellen. Je
weniger dieselben die Konkurrenz mit der moder-
nen Ölmalerei anstreben, je mehr sie der Mosaik-
technik und der ornamentalen Bedeutung Rechnung
tragen, um so stilvoller, um so edler wirken sie.
Als Kirchenfenster, auf den Vorplätzen, als Ober-
lichter, gegen Höfe oder Räume,
die man verstecken will, und zu
ähnlichen Zwecken finden diese
Mosaikfenster die mannigfachste
Verwendung in Amerika. Sie
tragen ganz besonders bei zu der
reichen farbigen Wirkung der
amerikanischen Innenräume, in
denen dieses farbige Glas auch
sonst noch in der verschiedensten
Weise angewandt wird: als Kup-
peln der Lampen, für Ampeln
und elektrische Beleuchtungs-
körper, zur Herstellung der Mo-
saiken an den Wänden und
Decken u. s. f.

Die ersten Proben solcher
amerikanischen Glasfenster, die
öffentlich in Europa gezeigt
wurden, waren m. W. auf der
Pariser Ausstellung 1889. We-
sentlich früher, schon auf der
Ausstellung 1878 und in viel
weiteren Kreisen hat sich eine
andere amerikanische Kunstin-
dustrie, die Goldschmiedekunst,
bei uns bekannt gemacht. Ihr
hervorragendster Vertreter und
eigentlicher Begründer, der alte
Tiffany, hat sogar schon seit
mehr als einem Jahrzehnt sein
Lager auch in Paris und in London. Die Vorzüge der
amerikanischen Juwelier- und Gold- und Silber-
arbeiten liegen vornehmlich, wie bei ihrem „stained
glass", in der stilvollen Behandlung des Materials
und in der feinen farbigen Wirkung. Der Schmuck
eines Tiffany oder Gorham ist bescheidener in der
Form, aber feiner und reicher in der Farbe (die
Wahl farbiger Edelsteine ist in Amerika jetzt fast
die Regel) und gewählter und eigenartiger in der
Fassung als die Arbeiten der berühmtesten Pariser
Goldschmiede. Ihre Gold- und Silberarbeiten sind ganz
 
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