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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Semper, Hans: Ueber eine besondere Gruppe elfenbeinerner Klappaltärchen des XIV. Jahrh. , [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0077

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113

1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

114

Ueber eine besondere Gruppe elfenbeinerner Klappaltärchen des XIV. Jahrh

I.

Mit Abbildung.
Jahrgang dieser Zeitschrift

m IX ___________________________

(Heft IV, S. 123—126) hat der ver-
ehrte Herausgeber derselben ein
elfenbeinernes Klappaltärchen, das
sich gegenwärtig im Kensingtonmuseum zu Lon-
don (n. 4686) befindet, veröffentlicht und trefflich
beschrieben. Als „Heimath dieses herrlichen
Klappaltärchens" bezeichnet er Frankreich,
„wo gerade um die Mitte des XIV. Jahrh. die
Elfenbeinplastik ihre gröfsten Triumphe feierte."

Ohne uns vorläufig selbst darüber auszu-
sprechen, ob wir Scbnütgens Ansicht über die
Herkunft dieses Altärchens theilen oder nicht,
möchte im Folgenden zunächst nur darauf hin-
gewiesen werden, dafs dasselbe ein schönes Muster
einer ganzen Reihe ähnlicher Arbeiten bildet,
welche vermöge der Technik ihrer Herstellung,
der Formen und Anordnung ihrer architekto-
nischen Bestandtheile, sowie der Kompositions-
motive des figuralen Schmuckes unzweifelhaft
nicht blofs demselben Lande und derselben
Epoche, sondern derselben lokalen Werkstatt
oder Schule angehören müssen, wie das von
Schnütgcn veröffentlichte Werk. Und gleich-
wohl finden wir, dafs Altärchen dieser näm-
lichen Gattung in der Litteratur mehrfach als
italienische Arbeiten bezeichnet werden.

Es sei nun gestattet, zunächst einige solcher
Altärchen anzuführen und kurz zu besprechen,
welche dieser gemeinsamen Gruppe zuzuweisen
sein möchten; daran anknüpfend wird auch
Schreiber dieses zu ergründen versuchen, welche
Ansicht die richtige sei, diejenige des franzö-
sischen oder die des italienischen Ursprungs
dieser Altärchen.

Wenn wir uns zuerst nach denjenigen Werken
umsehen, welche mit dem von Schnütgen ver-
öffentlichten Altärchen die unmittelbarste und
unverkennbarste Aehnlichkeit und Verwandt-
schaft haben, so ist in erster Linie das „Poly-
ptychon" anzuführen, welches E. Molinier
in seinem „Catalogue des ivoires des Louvre"
(Paris 1896) anführt und beschreibt, sowie in
einer Abbildung vorführt.1)

A.
Nicht blofs die architektonische Anordnung,
sondern auch die Ikonographie der figuralen

i) Auf p. 100 unter n. 66. PI. 11.

Darstellungen auf beiden Klappaltärchen ist
nahezu übereinstimmend, von nebensächlichen
Verschiedenheiten im Einzelnen abgesehen.

An beiden Altärchen besteht das Mittelstück
aus einer vertieften Baldachinnische, an deren
Vorderseite zu beiden Seiten schlanke gothische
Säulchen einen Spitzbogen mit einfachem Drei-
pafsmaafswerk stützen, der von einem Spitz-
giebel überragt ist. Diesem Giebel entsprechen
solche an den drei übrigen Seiten des Mittel-
stücks, welche das Kreuzdach desselben um-
geben; doch sind die seitlichen Giebel schmäler
und steiler als der vordere und hintere, indem
der Baldachin im Grundrifs ein Parallelogramm
mit schmäleren Seiten bildet.

Jeder der beiden Flügel besteht der Länge
nach aus zwei Theilen, welche durch Scharniere
mit einander verbunden sind. Der innere mit
spitzem Giebel bekrönte Theil jedes Flügels
kommt beim Zuklappen auf die spitzen Giebel
der Seiten der Baldachins zu liegen, während
die äusseren Theile jedes Flügels je einen halben
Giebel bilden, die dann beim Zuklappen vor
der Vorderseite des Baldachins zusammenstossen
und diese sowie den Vordergiebel decken. Die
Giebel sind mit einfachen Blattkrabben besetzt.
In der Mittelnische steht eine Figur der Ma-
donna mit dem Kind in Hochrelief, während
jeder der vier Flügeltheile wieder in zwei Felder
übereinander getheilt ist, die mit Reliefs aus
dem Marienleben gefüllt sind. Jedes der
Felder ist durch einfache gothische Blendbögen
mit Nasen nach oben abgeschlossen; an dem
Pariser Altärchen sind auf den oberen Feldern
der äusseren Flügeltheile nur halbe Blendbögen
angebracht. Die Felder zwischen den Spitz-
giebeln und der Arkade auf den oberen Ab-
theilungen sind mit Dreipafsausschnitten ge-
schmückt.

An den unteren Feldern des Londoner Al-
tärchens sind die Blendarkaden überdies noch
durch Spitzgiebel mit Vierpafsausschnitten am
Giebelfeld sowie mit seitlichen Thürmchen in
Relief überhöht. Ueber den unteren Arkaden
ziehen sich noch horizontale Gesimse als Grenze
der oberen und unteren Felder hin. Am
Londoner Altärchen sind diese Hohlkehlenge-
simse ferner noch mit plastischen Rosetten
verziert, ebenso die abschliessenden Giebel und
 
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