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Zeitschrift für christliche Kunst — 11.1898

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Justi, Ferdinand: "Die Jagdszene auf dem sasanidischen Prachtgewebe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.3834#0226

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861

1898. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

362

„Die Jagdszene auf dem sasanidischen Prachtgewebe".

ie Jagdszene auf dem sasanidischen
Prachtsewebe im VIII. Hefte der
Zeitschrift für christliche Kunst«,
o schreibt mir Herr Professor
Ferd. Justi in Marburg am 7. Januar, scheint
auf eine bestimmte Begebenheit der persischen
Sage bezogen werden zu müssen, und Sie ge-
statten wohl, dafs ich meine Vermuthung
Ihrer Beurtheilung unterbreite.

Die darauf folgende ausführliche Erörterung
erscheint als ein so wichtiger Beitrag zur Er-
klärung dieser Darstellung und ihrer Parallelen,
dafs ich den Herrn Verfasser sofort um die
Erlaubnifs gebeten habe, sie hier abzudrucken.
Ich bin überzeugt, dafs der Dank für seine
Einwilligung von sämmtlichen Lesern getheilt
wird. d. H.

Der Reiter ist der sasanidische Prinz Bah-
rain Gor (d. i. der Wildesel), der als König
von 420 bis 438 regierte, und ein so guter
Jäger war, dafs er nicht allein eine Gazelle
in's Ohr schofs, und den Hinterfufs, mit dem
sie an die Wunde fuhr, durch einen zweiten
Pfeil an das Ohr heftete, sondern auch einen
Löwen zugleich mit einem von ihm angefallnen
Wildesel durchbohrte. Die Worte Tabari's
(geb. zu Amul in Tabaristan 839, gest. 923
in Baghdad), in dessen arabischer Chronik
diese Jagdgeschichte sich zuerst aufgezeichnet
findet,1) lauten in Nöldeke's2) Uebersetzung:
„Als Bahram einst auf der Jagd diesen Fuchs
ritt, bemerkte er ein Rudel Wildesel, schofs
danach und ritt darauf zu: plötzlich sah er,
wie ein Löwe auf einen in der Schaar be-
findlichen *Esel ('ajr) losgestürzt war und ihn
mit dem Rachen im Nacken gepackt hatte,
um ihn zu zerreifsen. Da traf Bahram ihn
in den Rücken; der Pfeil drang durch bis
zum Bauch, dann durch den Rücken des Esels
bis zum Nabel, und weiter noch tief in die
Erde hinein bis zu zwei Dritttheilen seiner
Länge; noch geraume Zeit zitterte er im Boden
hin und her. Das geschah in Gegenwart
einiger Araber, einiger von Bahram's Leib-
wächtern und andrer Leute. Dies Ereignifs

l) Tabari »Amiales ed. J. de Goeje«. I, vol. 2,
rec. Th. Nöldeke (Lugd. Bat. 1881), S. 857, z. 12—18.

-) »Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der
Sasaniden« (Leyden 1879) S. 89, 90.

mit dem Löwen und dem Wildesel liefs Bah-
ram in einem seiner Gemächer abbilden."
Die von Bel'ami 963 verfertigte kürzere per-
sische Fassung der Chronik Tabari's, welche
Dr. Zotenberg nach vier Handschriften in's
Französische übersetzt hat, ist an dieser Stelle
etwas ausführlicher und sagt: „Mondhir (der
arabische König von Hira, bei welchem der
Prinz in der Verbannung lebte) befahl den
Bahram abzubilden, den Bogen in der Hand
auf dem Rofs sitzend, nebst dem Wildesel
(gor) und dem Löwen und dem Pfeil, der in
die Erde drang; er liefs dies im Chawarnak
(dem Palast des Prinzen bei Hira) in einem
Gemälde an der Wand des Speisesaales Bah-
ram's darstellen, und seitdem ward ihm der
Name Bahram Gor beigelegt.''3)

Firdusi (starb 1020), welcher einer andern
Fassung der ursprünglichen Quelle für die
persische Geschichte, des Chudainamak oder
Königsbuches, als Tabari folgt, hat die Ge-
schichte nicht, weifs aber sonst viel von der
Geschicklichkeit Bahram's"» im Schielsen und
gerade auch von seinen Jagden auf Löwen
und Wildesel zu erzählen; auch er hat die
Nachricht, dafs der König von Hira Bahram's
Bild durch einen Künstler aus Jemen mit
schwarzer Tinte auf Seide habe malen lassen;
man sah hier den Prinzen auf einem Dromedar
sitzend Gazellen, Löwen, Wildesel und Straufse
erlegen.4) Die schwarze Tinte (Kir-i sijah)
diente wohl zum Zeichnen der Conturen, die
dann mit Farbe ausgefüllt wurden. Dafs der
Maler aus Jemen stammt, ist nur poetischer
Ausdruck für einen berühmten, aus weiter
Ferne verschriebenen Künstler; in Wirklichkeit
waren die Perser die Meister der Araber in
der Malerei.5) Die fast ein halbes Jahrtausend
später verfafste grofse Kompilation des Mir-
chond (st. 1498) erzählt die Geschichte nach

:i) »Chronique de Tabari«, traduite sur la Version

persane d'apres les mscr. de Paris, de Gotha, de

Londres et de Canterbury, par H. Zotenberg
(Paris 1868), II, S. 112.

4) »The Shah nameh by Abool Kasim Firdousee«,
ed. Turner Macan III. (Calcutta 1829), 1469, 5 ff.
»Le livre des rois«, ed. J. Mohi. (Paris 1838 bis
1878), V, 508, 221.

5) Blochet »Gazette des Beaux-arts XVII«

(1897), 286.
 
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