Legende,,
175
Zwei Vögel sitzen, Mann und Weib,
Und plaudern so zum Zeitvertreib:
Es sprach der Spatz zur Spätzin dann:
„Mein Kind, ich bin ein ganzer Mann,
Wie Du ihn nimmer finden mögest,
Wenn Du die ganze Welt durchflögest.
Sich', dieses prächt'gc Schlößlein hier,
Aus Erz und glänzendem Porphyr,
Von kunstgcübtcn Tyrerhänden
Sahst Du cs stark und fest vollenden;
Doch glaube mir: Ein einz'gcr Tritt
Auf seiner gold'ncn Kuppel Mitt'
Von meinem Fuß und Pracht und Schimmer,
Sie sinken hin in Schutt und Trümmer!"
Dem Könige gefiel der Wicht,
Er rief ihn vor sein Angesicht.
Der Vogel kam mit Angst und Beben,
Er könnt' dem Bann' nicht widerstreben.
— „Nun bist Du da, Vcrräthcr, sprich,
Was Du zu thun vermessen Dich!"
Der Vogel d'raus mit bangem Zagen:
„O Herr, Ihr dürft danach nicht fragen,
Vor seinem Weib will Jedermann
Mehr scheinen, als er wirken kann."
Der König lacht: „Flieg', Vogel, fort!"
Der Sperling flog zum hohen Ort,
Um Platz bei seinem Weib zu fassen;
Die konnte nicht das Fragen lassen:
„Was sprach der König wohl mit Dir?
Ich bitte Dich, o sag' es mir!"
Der Sperling d'raus: „Es war sein Flch'n,
Daß ich die Burg ihm lasse steh'n."
Der König schüttelte den Kopf;
Nachdem der prahlerische Tropf
In aller Gravität entwichen;
Und ging und schrieb an seinen Sprüchen.
Adolph ©tcvnberg
Das verlorene Ansehen.
„Azorl! geh'st gleich herein! das Tcurelsvieb kommt nil — wart',
ich wcrd' Dick dnrckbläucn! Da hast Du's jetzt, Frau, 'jetzt sichst Du's
selber, wie weit es führt, wenn die Frau den Mann immer vor dem
Bummcrl ausmacht, da muß der Kerl natürlich den Respekt vor seinem
Herrn verlieren.
Plaudereien.
(Die Folgen der Schiller-Verbreit-
ung.) Richter (zum Bauer Hans): „Hans,
Ihr seid angcklagt, Holz aus dem Fichtcnwalde
genommen zu haben, wie könnt Ihr Euch da-
gegen vcrthcidigcn?" — Hans: „Es ist mir
gesagt worden, daß ich das Holz nehmen solsi."
— Richter: „Wer hat das gesagt?" —
Hans: „Schiller; er sagt: nehmet Holz vom
Fichtcnstamme!"
(Der glückliche Familienvater.) Hu-
ber: „Nun, gratulirc, Herr Mayer, Ihre Fräu-
lein Tochter hat also richtig den Herrn Prak-
tikanten gehcirathet? Wie sind Sic denn zu-
frieden mit Ihrem Herrn Schwiegersohn?" —
Mayer: „Im Ganzen genommen, recht gut,
wirklich, nur Schate ist's, daß er nickt spielen
kann." — Huber: „Wie, nicht spielen? Da
danken Sic Ihrem Gott, Sie glücklicher Schwie-
gervater!" — May er: „Za wisscn's, er kann
nicht spielen, spielt aber doch."
(Unterschied zwischen Meister und
Gesell.) Schneidcrgcscllc: „Weißt Du,
was für ein Unterschied ist, zwischen meinem
Meister und mir?" — Schustergcselle:
„Dein Meister ist älter und verdient mehr als
i Du." — Schncidcrgesclle: „Das mag schon
j sein. Der Unterschied besteht aber darin: Mein
Meister trägt seine Sonntagskleider am
Werktag, weil er keine andern hat, und ich
trage aus der gleichen Ursache meine Werk-
tagskleider am Sonntag."
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Zwei Vögel sitzen, Mann und Weib,
Und plaudern so zum Zeitvertreib:
Es sprach der Spatz zur Spätzin dann:
„Mein Kind, ich bin ein ganzer Mann,
Wie Du ihn nimmer finden mögest,
Wenn Du die ganze Welt durchflögest.
Sich', dieses prächt'gc Schlößlein hier,
Aus Erz und glänzendem Porphyr,
Von kunstgcübtcn Tyrerhänden
Sahst Du cs stark und fest vollenden;
Doch glaube mir: Ein einz'gcr Tritt
Auf seiner gold'ncn Kuppel Mitt'
Von meinem Fuß und Pracht und Schimmer,
Sie sinken hin in Schutt und Trümmer!"
Dem Könige gefiel der Wicht,
Er rief ihn vor sein Angesicht.
Der Vogel kam mit Angst und Beben,
Er könnt' dem Bann' nicht widerstreben.
— „Nun bist Du da, Vcrräthcr, sprich,
Was Du zu thun vermessen Dich!"
Der Vogel d'raus mit bangem Zagen:
„O Herr, Ihr dürft danach nicht fragen,
Vor seinem Weib will Jedermann
Mehr scheinen, als er wirken kann."
Der König lacht: „Flieg', Vogel, fort!"
Der Sperling flog zum hohen Ort,
Um Platz bei seinem Weib zu fassen;
Die konnte nicht das Fragen lassen:
„Was sprach der König wohl mit Dir?
Ich bitte Dich, o sag' es mir!"
Der Sperling d'raus: „Es war sein Flch'n,
Daß ich die Burg ihm lasse steh'n."
Der König schüttelte den Kopf;
Nachdem der prahlerische Tropf
In aller Gravität entwichen;
Und ging und schrieb an seinen Sprüchen.
Adolph ©tcvnberg
Das verlorene Ansehen.
„Azorl! geh'st gleich herein! das Tcurelsvieb kommt nil — wart',
ich wcrd' Dick dnrckbläucn! Da hast Du's jetzt, Frau, 'jetzt sichst Du's
selber, wie weit es führt, wenn die Frau den Mann immer vor dem
Bummcrl ausmacht, da muß der Kerl natürlich den Respekt vor seinem
Herrn verlieren.
Plaudereien.
(Die Folgen der Schiller-Verbreit-
ung.) Richter (zum Bauer Hans): „Hans,
Ihr seid angcklagt, Holz aus dem Fichtcnwalde
genommen zu haben, wie könnt Ihr Euch da-
gegen vcrthcidigcn?" — Hans: „Es ist mir
gesagt worden, daß ich das Holz nehmen solsi."
— Richter: „Wer hat das gesagt?" —
Hans: „Schiller; er sagt: nehmet Holz vom
Fichtcnstamme!"
(Der glückliche Familienvater.) Hu-
ber: „Nun, gratulirc, Herr Mayer, Ihre Fräu-
lein Tochter hat also richtig den Herrn Prak-
tikanten gehcirathet? Wie sind Sic denn zu-
frieden mit Ihrem Herrn Schwiegersohn?" —
Mayer: „Im Ganzen genommen, recht gut,
wirklich, nur Schate ist's, daß er nickt spielen
kann." — Huber: „Wie, nicht spielen? Da
danken Sic Ihrem Gott, Sie glücklicher Schwie-
gervater!" — May er: „Za wisscn's, er kann
nicht spielen, spielt aber doch."
(Unterschied zwischen Meister und
Gesell.) Schneidcrgcscllc: „Weißt Du,
was für ein Unterschied ist, zwischen meinem
Meister und mir?" — Schustergcselle:
„Dein Meister ist älter und verdient mehr als
i Du." — Schncidcrgesclle: „Das mag schon
j sein. Der Unterschied besteht aber darin: Mein
Meister trägt seine Sonntagskleider am
Werktag, weil er keine andern hat, und ich
trage aus der gleichen Ursache meine Werk-
tagskleider am Sonntag."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das verlorene Ansehen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 778, S. 175
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg