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Von Michaelis bis Silvester.

vita in morte sumns“ und andere fromme Gesänge; Mag-
dalene war unzertrennlich vom Sarge, sie lag über der
theuren Leiche und umfaßte den Sarg, als müßte sie den
Todten festhalten. Des Vaters Antlitz, das in den ersten
Stunden, als der jähe Tod alle Muskeln erschlafft, alle
Züge lang gezogen hatte, ihr so fremd, so unbekannt ge-
schienen, hatte den ihr bekannten Ausdruck wieder ange-
nommen, um so heißer, um so herzzereißender fühlte die
Verzagte, was sie verloren an ihm, der nun still und stumm
im Sarge lag, um nie mehr zu erwachen.

starren Antlitz in der braunen Kutte) traten ängstlich und
zitternd heran, Heinz und Appel küßten widerstrebend die
kalten Lippen, während die Mutter den Brenz und die Susel
emporhob zum kindlich gedankenlosen letzten Kusse; die
Kleinen hatten den ohnehin kaum begriffenen Schmer; und
Verlust schon längst überwunden und vergessen. Als sich
aber Frau Kunigunde mit den Kindern wieder entfernt, um
sich auf den Gang zur Kirche vorzubcreiten, da. erhob sich
Magdalene noch einmal, warf sich mit der Heftigkeit eines
gränzenlosen Jammers über die geliebte Leiche und rief

Da kam die Stunde der Beerdigung', früh am Mor-
gen, denn die Todtenmesse sollte gleich darauf gehalten wer-
den. Frau Kunigunde trat mit den Kindern, dem Heinz,
der Appollonia, dem Brenz und der Susel zum Sarge; die
Kinder sollten Abschied nehmen vom Vater, ehe der Sargdeckel
für immer das Antlitz des Entschlafenen bedeckte. Magdalene
lag über die Leiche hingebeugt, da faßte Frau Kunigunde die
Verzagte am Arm und — es klang so kalt, so schneidend: —
„Laß die Kinder zu ihrem Vater!" sagte sie kurz.

Magdalene blickte angstvoll in der Mutter Gesicht, es
war wie eine bange trostlose Frage: „bin ich denn nicht
auch sein Kind, und nicht vor Allen sein Kind, da meine
Mutter nicht meine Mutter sein will?" und schwankte zu-
rück, kauerte am Kopfende des Sarges nieder und barg das
trostlose Gesicht in ihre Hände. Die Kinder (selbst das
älteste, der achtjährige Heinz fürchtete sich vor dem blassen

mit angst- und schmerzersticktcr Stimme, indem sie de»
Sarg umfaßte: „Vater! Vater! nimm mich mit, nimm
mich mit!"

„Komm, armes Kind! komm, fasse dich! es hilft nun
einmal nichts!" sagte eine Stimme neben ihr, als sie
schluchzend und verzagend über der Leiche lag. Es war der
Schreiner, der den Sarg schließen wollte. Zwei Priester
standen im Zimmer, den Todten zum letzten Mal mit
Weihwasser zu besprengen. Sie brachten das betäubte Kind
ins Wohnzimmer, wo Frau Kunigunde ihr die Gugel auf-
setzte und die Schaube hinreichte zum Gang in die Kirche,
schweigend und kalt — ach, es war in Allem nicht die
Hand der Mutter!

Des Meisters sterbliche Ueberreste ruhten im Schooß
der Erde auf dem Friedhöfe zu St. Peter, und im Häus-
chen auf der Rosengasse spann sich das tägliche Leben fort;


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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Von Michaelis bis Silvester"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Trauer <Motiv>
Tochter <Motiv>
Sarg
Leiche
Verzweiflung <Motiv>
Kerze <Motiv>
Zuhause <Motiv>
Aufbahrung
Weinen <Motiv>
Abschied <Motiv>
Karikatur
Kind <Motiv>
Priester <Motiv>
Mutter <Motiv>
Kranz <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1057, S. 115

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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