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Der Nathskeller von Marienheim.
hatte er gefragt. Ein häßlich verzerrtes Antlitz stierte durchs
Fenster, flüsterte Elöbeth. Sein Blick drang mir durch Mark
und Bein. Thorhcit! er ergriff das Licht und eilte vor die
Thürc. Nichts war zu sehen. Alles dunkel und still —
nur ein Nachtvogel flatterte mit schweren Fittichen vorüber.
Das lag ihm schwer auf dem Herzen, er wußte selbst
nicht wie. Da war er an der Ebertin Hause. Es lag so
öde und so todt da. Nur im ersten Stock, da schimmerte
ein Licht durch die Vorhänge. Jesebel harrte auf ihn. Nach
Mitternacht, wo die Liebe allein auf den Socken schlüpft —
und der Mord. Er zog ein silberblinkendes Schlüßlein her-
vor und schloß die Hausthüre auf, er trat ein, geräuschlos
fiel sie hinter ihm zu und geräuschlos schritt er auf dem über-
! deckten Boden fort. Es überlief ihn kalt, eine seltsame Bangig-
keit kam über ihn, er zitterte am ganzen Körper. Der hohe,
schlanke Maler, der sorglose Aventurier hatte Furcht. Er zog
seinen Degen, prüfte die Spitze und nahm ihn unter den
Arm. Dann lächelte er darüber. Was sollte ihm wohl für
Gefahr drohen? Ein Lied vor sich hinpfeifend, stieg er die Treppe
! hinauf. Widrig kreischte ein Heimchen dazwischen — dann
i war Alles still.
Oben aber in ihrem Schlafgemach sitzt die Spanierin
> in einen dunkeln Winkel gekauert, reizend, sinnevcrwirrend.
! Das schwarze Lockengeschling hängt in seiner natürlichen Fülle
' um das bleiche Gesicht, ein enges Kleid umschließt ihren
' schlanken Körper, ein purpurner Shawl windet sich um ihre
: Schultern, die muskulösen, weißen Arme sind bloß. Und
! doch, was blitzt da in ihrer Hand — ein langes, spitzes
; Stilet. Sie sitz: in dem Winkel und horcht und lauscht -
| — ha! Eine teuflische, gräßliche Freude zückt über ihr
i Antlitz! Sie hört die Hausthüre aufschließen. Er kommt I
Er pfeift sein Lieblingslied — sein Sterbelied. Er ist ver-
loren! Auf dem Tisch brennt eine Kerze — sonst Alles
dunkel. Er naht — seine Schritte — leicht und elastisch.
; Die Portiere wird aufgehoben — er tritt ein. Erstaunt
- sieht er sich um, die Kerze ist tief herabgebrannt und flackert
in langen, blutigrothcn Strahlen auf. Die Ebertin macht ein
Geräusch, er wendet sich nach ihrer Seite hin. Wie die Katze
auf ihre Beute, springt sie ans dem Winkel hervor, das
Stilet fährt in seinen Sammet, aber fehl. Er taumelt
zurück. Mörderin! schreit er und macht seinen Degen los,
der sich in seinem Mantel verwickelt hat. Betrüger! zischt
j sic. Sic krallt sich an seinem Hals fest und ihr Dolch gleitet
! an seiner Brust vorüber. Er fühlt, hier gilt's Leben oder
Tod. Mit aller Kraft, deren er fähig ist, schleudert er sie von
sich und fährt wild mit dem Degen nach ihr hin. Sie stürzt
nieder — auf den Tisch — die Kerze lischt aus — Alles
still. Schaudernd steht er da. Sie kreischt noch einmal
schrill auf: Betrüger! Er hat gut gestoßen.
Am andern Morgen durchlief ein Schreckensgerücht die
Stadt. Die Ebertin war ermordet! Der Nachtwächter hatte
den Jean Baptistc spät nach Mitternacht in ihr Haus gehen
sehen. Wer könnt' cs auch Anders gethan haben, als der
Jean Baptistc, der Vagabund, der Maler, der verlaufene,
landstrcicherische Kerl. Sogleich hatte der Amtmann Alles
zu Protokoll genommen, war selbst mit den Gerichtsdienern
nach des Verdächtigen Wohnung geeilt — höllisch lachend —
denn der Tag seiner Rache war ja nun gekommen. Aber
die flinken Spürhunde fanden dennoch ihr Wild nicht, weder
in seiner Höhle noch auch sonstcns in der Stadt. Denn das
irrte draußen in Schnee und Kälte in den Bergen umher
und konnte keine Ruhe finden, denn in seinem Herzen war
keine Ruhe. '
Spät am Nachmittag saß der Amtmann allein in seiner
Schreibstube und dachte über diesen Casus eritieus nach, wie er
es anfinge, des besagten Delinquenten habhaft zu werden, denn
die Landreitcr hatten bis jetzo auch noch nichts decouvriret.
Er hatte die Verbindungsthüre mit dem Nebenzimmer, wo
die Schreiber saßen, schließen lassen, denn das Gekrätz der
rastlosen Federn derangirete ihn. Da ging auf einmal die
Thürc auf und der Jean Baptistc trat ein. Bleich, matt
und zerrificn —' einen blutbefleckten Degen hielt er blank in
der Hand. Erschrocken fuhr der Amtmann vom Stuhle auf.
Er faßte nach der Klingel, die neben ihm stand — und —
Ruhig, Amtmann, sagte aber der Maler, indem er näher
trat. Ruhig, Amtmann. Kein Mensch weiß, daß ich hier
d'rinnen bin — Hab' mich heimlich und sachte hcreingeschlichcn.
Ruhig, Amtmann, Hab' erst mit Dir zu reden, dann ruf'
die Schergen — eher nicht, und wie um seinen Worten mehr
Der Nathskeller von Marienheim.
hatte er gefragt. Ein häßlich verzerrtes Antlitz stierte durchs
Fenster, flüsterte Elöbeth. Sein Blick drang mir durch Mark
und Bein. Thorhcit! er ergriff das Licht und eilte vor die
Thürc. Nichts war zu sehen. Alles dunkel und still —
nur ein Nachtvogel flatterte mit schweren Fittichen vorüber.
Das lag ihm schwer auf dem Herzen, er wußte selbst
nicht wie. Da war er an der Ebertin Hause. Es lag so
öde und so todt da. Nur im ersten Stock, da schimmerte
ein Licht durch die Vorhänge. Jesebel harrte auf ihn. Nach
Mitternacht, wo die Liebe allein auf den Socken schlüpft —
und der Mord. Er zog ein silberblinkendes Schlüßlein her-
vor und schloß die Hausthüre auf, er trat ein, geräuschlos
fiel sie hinter ihm zu und geräuschlos schritt er auf dem über-
! deckten Boden fort. Es überlief ihn kalt, eine seltsame Bangig-
keit kam über ihn, er zitterte am ganzen Körper. Der hohe,
schlanke Maler, der sorglose Aventurier hatte Furcht. Er zog
seinen Degen, prüfte die Spitze und nahm ihn unter den
Arm. Dann lächelte er darüber. Was sollte ihm wohl für
Gefahr drohen? Ein Lied vor sich hinpfeifend, stieg er die Treppe
! hinauf. Widrig kreischte ein Heimchen dazwischen — dann
i war Alles still.
Oben aber in ihrem Schlafgemach sitzt die Spanierin
> in einen dunkeln Winkel gekauert, reizend, sinnevcrwirrend.
! Das schwarze Lockengeschling hängt in seiner natürlichen Fülle
' um das bleiche Gesicht, ein enges Kleid umschließt ihren
' schlanken Körper, ein purpurner Shawl windet sich um ihre
: Schultern, die muskulösen, weißen Arme sind bloß. Und
! doch, was blitzt da in ihrer Hand — ein langes, spitzes
; Stilet. Sie sitz: in dem Winkel und horcht und lauscht -
| — ha! Eine teuflische, gräßliche Freude zückt über ihr
i Antlitz! Sie hört die Hausthüre aufschließen. Er kommt I
Er pfeift sein Lieblingslied — sein Sterbelied. Er ist ver-
loren! Auf dem Tisch brennt eine Kerze — sonst Alles
dunkel. Er naht — seine Schritte — leicht und elastisch.
; Die Portiere wird aufgehoben — er tritt ein. Erstaunt
- sieht er sich um, die Kerze ist tief herabgebrannt und flackert
in langen, blutigrothcn Strahlen auf. Die Ebertin macht ein
Geräusch, er wendet sich nach ihrer Seite hin. Wie die Katze
auf ihre Beute, springt sie ans dem Winkel hervor, das
Stilet fährt in seinen Sammet, aber fehl. Er taumelt
zurück. Mörderin! schreit er und macht seinen Degen los,
der sich in seinem Mantel verwickelt hat. Betrüger! zischt
j sic. Sic krallt sich an seinem Hals fest und ihr Dolch gleitet
! an seiner Brust vorüber. Er fühlt, hier gilt's Leben oder
Tod. Mit aller Kraft, deren er fähig ist, schleudert er sie von
sich und fährt wild mit dem Degen nach ihr hin. Sie stürzt
nieder — auf den Tisch — die Kerze lischt aus — Alles
still. Schaudernd steht er da. Sie kreischt noch einmal
schrill auf: Betrüger! Er hat gut gestoßen.
Am andern Morgen durchlief ein Schreckensgerücht die
Stadt. Die Ebertin war ermordet! Der Nachtwächter hatte
den Jean Baptistc spät nach Mitternacht in ihr Haus gehen
sehen. Wer könnt' cs auch Anders gethan haben, als der
Jean Baptistc, der Vagabund, der Maler, der verlaufene,
landstrcicherische Kerl. Sogleich hatte der Amtmann Alles
zu Protokoll genommen, war selbst mit den Gerichtsdienern
nach des Verdächtigen Wohnung geeilt — höllisch lachend —
denn der Tag seiner Rache war ja nun gekommen. Aber
die flinken Spürhunde fanden dennoch ihr Wild nicht, weder
in seiner Höhle noch auch sonstcns in der Stadt. Denn das
irrte draußen in Schnee und Kälte in den Bergen umher
und konnte keine Ruhe finden, denn in seinem Herzen war
keine Ruhe. '
Spät am Nachmittag saß der Amtmann allein in seiner
Schreibstube und dachte über diesen Casus eritieus nach, wie er
es anfinge, des besagten Delinquenten habhaft zu werden, denn
die Landreitcr hatten bis jetzo auch noch nichts decouvriret.
Er hatte die Verbindungsthüre mit dem Nebenzimmer, wo
die Schreiber saßen, schließen lassen, denn das Gekrätz der
rastlosen Federn derangirete ihn. Da ging auf einmal die
Thürc auf und der Jean Baptistc trat ein. Bleich, matt
und zerrificn —' einen blutbefleckten Degen hielt er blank in
der Hand. Erschrocken fuhr der Amtmann vom Stuhle auf.
Er faßte nach der Klingel, die neben ihm stand — und —
Ruhig, Amtmann, sagte aber der Maler, indem er näher
trat. Ruhig, Amtmann. Kein Mensch weiß, daß ich hier
d'rinnen bin — Hab' mich heimlich und sachte hcreingeschlichcn.
Ruhig, Amtmann, Hab' erst mit Dir zu reden, dann ruf'
die Schergen — eher nicht, und wie um seinen Worten mehr
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Rathskeller von Marienheim"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1152, S. 42
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg