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I
Er hat Actien.
brauchte, und Holm stand des Gastes gewärtig auf dem
Balkon, von welchem aus er die nach der Stadt führende
Chaussee verfolgen konnte; Martha aber ging ungeduldig ab
und zu, denn die Mittagszeit war unterdessen herangekommen
und das Esten stand zum Aufträgen bereit. Da endlich wurde
das Rollen eines näher kommenden Wagens hörbar und neu-
gierig eilten Mutter und Tochter nach dem Balkon, aber
freudig erschrocken wich Martha unwillkürlich zurück, alö sie
den Postsekretär in besten neuester Uniform aussteigen sah,
während Lina voll jubelndem Entzücken auSrief: „Wolfram!
Lieber Papa, ist es denn möglich!" und nun nach der Thür
eilte, durch welche der so heiß Ersehnte mit einer in freudiger
Beklommenheit etwas steifen Verbeugung eintrat, von Holm
aber sofort bei der Hand erfaßt und Frau und Tochter mit
den Worten zugeführt wurde:
„Nun, hier habt Ihr meinen Gast! Ist er Euch will-
kommen?"
Wir übergehen die Schilderungen des Entzückens der
Liebenden, die von Vater und Mutter auf das Herzlichste
umarmt wurden, und dann wieder von Neuem sich umarmend
und küßend, im schönsten Sinn dcö Wortes ihr Verlobungs-
fest feierten, die Wonne der voll froher Rührung auf daö
glückliche Paar blickenden Eltern, den stillen Triumph HolmS
als Schöpfer dieses schönen Familienfestes, die innige Freude
Martha's, mit welcher sie ihren Gatten umarmte und ihm
für diese so freudige Ucberraschung dankte, und wollen nur
noch melden, daß in Folge dieses ErgusteS von Entzücken und
Freude der prachtvolle Lendenbraten etwas verbrannt, und
der Sander etwas zu weich gesotten war, da auch die Köchin,
statt nach diesen Gerichten zu sehen, voll Neugierde undTheil-
nahmc an der Thüre des Wohnzimmers gelauscht hatte, und
dabei mehrmals genöthigt worden war, sich mit der Küchen-
schürze über die naßgewordcnen Augen zu fahren.
Aber diese kleinen Versehen kamen heute selbst bei Holm
nicht in Betracht, der sonst in dieser Beziehung etwas eigen
war und auch Martha, die bei jeder andern Gelegenheit als
Wirthin darüber untröstlich gewesen wäre, nahm es diesmal
nicht so genau, der Liebenden wegen aber hätte können der !
Braten total verkohlt und der Fisch zu Brei geworden sein,
die hätten es nicht gemerkt, denn Beide wurden nicht müde,
sich einander in die freudestrahlenden Augen zu blicken und
sich zärtlich die Hände zu drücken.
Am Schlüße des zum Festmahle gewordenen Mittag-
essens aber, als die Gläser wiederholt auf die glückliche Zu-
kunft der Liebenden erklangen, zog Holm im Herzen so froh
und heiter seine Gattin an seine Brust und Martha rief
unter Freudenthränen: „Kinder, gebe Euch der Himmel eine
so glückliche Ehe, als Euren Eltern!"
Dem freundlichen Leser würde nur noch zu melden sein,
daß ein halbes Jahr später der glückliche Postsekretär seine
Lina als holde Braut zum Altäre führte, und der Friedens-
richter, dem der Gedanke peinigend war, seinen Schwieger-
sohn von früh bis spät am Schreibtisch gebunden zu sehen,
nicht eher Ruhe hatte, bis derselbe Postmeister in einer freund-
lichen Provinzialstadt geworden war.
Seinen Freunden aber, welche dem reichen Gutsbesitzer
ihre Verwunderung darüber auösprachen, daß er die einzige
Tochter einem Manne ohne Vermögen gegeben, cntgegncte
dieser mit geheimnißvollem Lächeln: „Er hat Actien!"
F. Gottwald.
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Er hat Actien.
brauchte, und Holm stand des Gastes gewärtig auf dem
Balkon, von welchem aus er die nach der Stadt führende
Chaussee verfolgen konnte; Martha aber ging ungeduldig ab
und zu, denn die Mittagszeit war unterdessen herangekommen
und das Esten stand zum Aufträgen bereit. Da endlich wurde
das Rollen eines näher kommenden Wagens hörbar und neu-
gierig eilten Mutter und Tochter nach dem Balkon, aber
freudig erschrocken wich Martha unwillkürlich zurück, alö sie
den Postsekretär in besten neuester Uniform aussteigen sah,
während Lina voll jubelndem Entzücken auSrief: „Wolfram!
Lieber Papa, ist es denn möglich!" und nun nach der Thür
eilte, durch welche der so heiß Ersehnte mit einer in freudiger
Beklommenheit etwas steifen Verbeugung eintrat, von Holm
aber sofort bei der Hand erfaßt und Frau und Tochter mit
den Worten zugeführt wurde:
„Nun, hier habt Ihr meinen Gast! Ist er Euch will-
kommen?"
Wir übergehen die Schilderungen des Entzückens der
Liebenden, die von Vater und Mutter auf das Herzlichste
umarmt wurden, und dann wieder von Neuem sich umarmend
und küßend, im schönsten Sinn dcö Wortes ihr Verlobungs-
fest feierten, die Wonne der voll froher Rührung auf daö
glückliche Paar blickenden Eltern, den stillen Triumph HolmS
als Schöpfer dieses schönen Familienfestes, die innige Freude
Martha's, mit welcher sie ihren Gatten umarmte und ihm
für diese so freudige Ucberraschung dankte, und wollen nur
noch melden, daß in Folge dieses ErgusteS von Entzücken und
Freude der prachtvolle Lendenbraten etwas verbrannt, und
der Sander etwas zu weich gesotten war, da auch die Köchin,
statt nach diesen Gerichten zu sehen, voll Neugierde undTheil-
nahmc an der Thüre des Wohnzimmers gelauscht hatte, und
dabei mehrmals genöthigt worden war, sich mit der Küchen-
schürze über die naßgewordcnen Augen zu fahren.
Aber diese kleinen Versehen kamen heute selbst bei Holm
nicht in Betracht, der sonst in dieser Beziehung etwas eigen
war und auch Martha, die bei jeder andern Gelegenheit als
Wirthin darüber untröstlich gewesen wäre, nahm es diesmal
nicht so genau, der Liebenden wegen aber hätte können der !
Braten total verkohlt und der Fisch zu Brei geworden sein,
die hätten es nicht gemerkt, denn Beide wurden nicht müde,
sich einander in die freudestrahlenden Augen zu blicken und
sich zärtlich die Hände zu drücken.
Am Schlüße des zum Festmahle gewordenen Mittag-
essens aber, als die Gläser wiederholt auf die glückliche Zu-
kunft der Liebenden erklangen, zog Holm im Herzen so froh
und heiter seine Gattin an seine Brust und Martha rief
unter Freudenthränen: „Kinder, gebe Euch der Himmel eine
so glückliche Ehe, als Euren Eltern!"
Dem freundlichen Leser würde nur noch zu melden sein,
daß ein halbes Jahr später der glückliche Postsekretär seine
Lina als holde Braut zum Altäre führte, und der Friedens-
richter, dem der Gedanke peinigend war, seinen Schwieger-
sohn von früh bis spät am Schreibtisch gebunden zu sehen,
nicht eher Ruhe hatte, bis derselbe Postmeister in einer freund-
lichen Provinzialstadt geworden war.
Seinen Freunden aber, welche dem reichen Gutsbesitzer
ihre Verwunderung darüber auösprachen, daß er die einzige
Tochter einem Manne ohne Vermögen gegeben, cntgegncte
dieser mit geheimnißvollem Lächeln: „Er hat Actien!"
F. Gottwald.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Er hat Actien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1160, S. 111
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg