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Beiträge zur Lösung der F
Ein schöner ostindischer Papagei (cs war ein Psittacus
pullavius) war mit seinem Weibchen in einem größeren zoolo-
gischen Verkaufögarten von der Gräfin Bernstein gekauft wor-
den. DaS Pärchen befand sich in der Pflege dieser Dame
recht wohl, bis letztere auf den unglücklichen Gedanken kam,
einen andern Papagei (cs war ein ganz gemeiner Pfesfcr-
frcffcr — Ramphastos) zu den beiden erstgenannten in den
Käfig zu sperren. Dieser fing nur allzubald an, sich in zu-
traulicher Weise dem schönen Weibchen des Ostindiers zu
; nähern und der Ehchcrr sah mit Verdruß, ja zuletzt mit
immer steigendem Aerger und Ingrimm, daß seine Ehehälfte
diesen Verlockungen williges Ohr lieh. Der Ostindier ignorirte
I den Pfefferfresser vollständig, schien aber oft seinem Weibchen
durch unwilliges Kreischen die bittersten Vorwürfe zu machen.
! Die Spannung wuchs, die Aufregung des Männchens wurde
immer größer und eines Tages lagen Männchen und Weib-
chen todt, mit zerrissenem Leibe, einander gegenüber, nur der
Pfefferfrcsser saß ruhig auf seiner Stange, als ob nichts ge-
schehen sei. Man konnte sich diesen Vorfall bei der bekannten
Harmlosigkeit dieser Thiere nicht erklären, und das Merk-
würdigste dabei war der Umstand, daß jedes der todten
Thiere seine eigenen Federn im Schnabel hatte, man also
fast veranlaßt war, auf Selbstmord zu schließen. Endlich
erklärte sich die Sache. Die Gräfin erfuhr durch einen Zu-
fall, daß beide Papageien viele Jahre Eigenthum des Taikun
von Japan gewesen seien. Das Männchen hatte sich also den
Bauch selbst aufgcschlitzt und sein Weibchen damit gcnöthigt,
ein Gleiches zu thun! —Verstand oder Instinkt, lieber Leser?
agc: Verstand oder Instinkt?
An den Abhängen deS mährischen Gebirges wohnte ein
alter Einsiedler, der sich einen jungen Bären aufgezogen und
zu verschiedenen Dienstleistungen abgerichtct hatte. Er trug
dem Alten das Reißholz für daS Feuer zusammen, holte in
einem Kübel Master, und dergleichen mehr. Lange hatten
Beide in Frieden und Freundschaft mit einander gelebt, als
eine bedenkliche Krankheit deS Einsiedlers dieses schöne Band
zu zerreißen drohte. Sein Aussehen ward immer schlechter,
seine Kräfte schwanden von Tag zu Tag, und still in sich
gekehrt saß sein Freund oft stundenlang an seinem Lager,
nur dann und wann mit seinen gewaltigen Tatzen dem Kran-
ken eine Fliege von der Stirne scheuchend. Als eines Mor-
gens nun der Kranke alle seine Kräfte zusammcnraffte, um
sich — vielleicht zum letzten Male — von seinem Lager zu
erheben, sah er mit Erstaunen vor seiner Hütte ein Faß
liegen, neben welchem einige wohlverkorkte Flaschen standen.
Er öffnete Beides und cö zeigte sich, daß darin Flüssigkeiten
waren, die er bis jetzt noch nie gesehen, noch viel weniger
über seine Lippen gebracht hatte — doch sic mundeten ihm
recht wohl, und er fühlte sich nach dem Genüsse einer klei-
nen Quantität wunderbar gestärkt. Er genoß täglich da-
von und war bald wieder gesund und kräftig — ja weit
kräftiger als zuvor. Natürlich war er von einem Wunder,
das um seinetwillen geschehen sei, fest überzeugt, doch wie er-
staunte er, als ihm ein Bauer auS dem nächsten Dorfe er-
zählte, feinem Gutsherrn sei vor wenigen Wochen aus seinem
Keller ein Faß und einige Flaschen gestohlen worden, deren
Inhalt für die verwundeten Soldaten bestimmt gewesen sei,
Beiträge zur Lösung der F
Ein schöner ostindischer Papagei (cs war ein Psittacus
pullavius) war mit seinem Weibchen in einem größeren zoolo-
gischen Verkaufögarten von der Gräfin Bernstein gekauft wor-
den. DaS Pärchen befand sich in der Pflege dieser Dame
recht wohl, bis letztere auf den unglücklichen Gedanken kam,
einen andern Papagei (cs war ein ganz gemeiner Pfesfcr-
frcffcr — Ramphastos) zu den beiden erstgenannten in den
Käfig zu sperren. Dieser fing nur allzubald an, sich in zu-
traulicher Weise dem schönen Weibchen des Ostindiers zu
; nähern und der Ehchcrr sah mit Verdruß, ja zuletzt mit
immer steigendem Aerger und Ingrimm, daß seine Ehehälfte
diesen Verlockungen williges Ohr lieh. Der Ostindier ignorirte
I den Pfefferfresser vollständig, schien aber oft seinem Weibchen
durch unwilliges Kreischen die bittersten Vorwürfe zu machen.
! Die Spannung wuchs, die Aufregung des Männchens wurde
immer größer und eines Tages lagen Männchen und Weib-
chen todt, mit zerrissenem Leibe, einander gegenüber, nur der
Pfefferfrcsser saß ruhig auf seiner Stange, als ob nichts ge-
schehen sei. Man konnte sich diesen Vorfall bei der bekannten
Harmlosigkeit dieser Thiere nicht erklären, und das Merk-
würdigste dabei war der Umstand, daß jedes der todten
Thiere seine eigenen Federn im Schnabel hatte, man also
fast veranlaßt war, auf Selbstmord zu schließen. Endlich
erklärte sich die Sache. Die Gräfin erfuhr durch einen Zu-
fall, daß beide Papageien viele Jahre Eigenthum des Taikun
von Japan gewesen seien. Das Männchen hatte sich also den
Bauch selbst aufgcschlitzt und sein Weibchen damit gcnöthigt,
ein Gleiches zu thun! —Verstand oder Instinkt, lieber Leser?
agc: Verstand oder Instinkt?
An den Abhängen deS mährischen Gebirges wohnte ein
alter Einsiedler, der sich einen jungen Bären aufgezogen und
zu verschiedenen Dienstleistungen abgerichtct hatte. Er trug
dem Alten das Reißholz für daS Feuer zusammen, holte in
einem Kübel Master, und dergleichen mehr. Lange hatten
Beide in Frieden und Freundschaft mit einander gelebt, als
eine bedenkliche Krankheit deS Einsiedlers dieses schöne Band
zu zerreißen drohte. Sein Aussehen ward immer schlechter,
seine Kräfte schwanden von Tag zu Tag, und still in sich
gekehrt saß sein Freund oft stundenlang an seinem Lager,
nur dann und wann mit seinen gewaltigen Tatzen dem Kran-
ken eine Fliege von der Stirne scheuchend. Als eines Mor-
gens nun der Kranke alle seine Kräfte zusammcnraffte, um
sich — vielleicht zum letzten Male — von seinem Lager zu
erheben, sah er mit Erstaunen vor seiner Hütte ein Faß
liegen, neben welchem einige wohlverkorkte Flaschen standen.
Er öffnete Beides und cö zeigte sich, daß darin Flüssigkeiten
waren, die er bis jetzt noch nie gesehen, noch viel weniger
über seine Lippen gebracht hatte — doch sic mundeten ihm
recht wohl, und er fühlte sich nach dem Genüsse einer klei-
nen Quantität wunderbar gestärkt. Er genoß täglich da-
von und war bald wieder gesund und kräftig — ja weit
kräftiger als zuvor. Natürlich war er von einem Wunder,
das um seinetwillen geschehen sei, fest überzeugt, doch wie er-
staunte er, als ihm ein Bauer auS dem nächsten Dorfe er-
zählte, feinem Gutsherrn sei vor wenigen Wochen aus seinem
Keller ein Faß und einige Flaschen gestohlen worden, deren
Inhalt für die verwundeten Soldaten bestimmt gewesen sei,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Beiträge zur Lösung der Frage: Verstand oder Instinkt?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 47.1867, Nr. 1171, S. 198
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg