Der Wiedehopf.
151
Der Wiedehopf trinkt nicht -- nicht einmal Wasser; ist
also, das passendste Wappenthier für Enthaltsamkeitsvereine;
er ist äußerst nützlich — nicht wegen seines immerwährenden
Nachdenkens, sondern wegen der Vertilgung von Raupen und
Käfern; er verdient also auf alle Weise gehegt und geschont
zu werden und es ist gräßlicher Unsinn, denselben aus dem
Nest zu nehmen oder in irgend einer Weise zu fangen.
Doppelt groß ist der Unsinn, ihn zu fangen, da er in
der Gefangenschaft elend zu Grunde gehen muß, indem er das
Einzige, was ihn zu erhalten geeignet ist — rohes Fleisch
und in Milch geweichtes Weißbrod, vermöge des langen,
dünnen Schnabels, den ihm die gütige Mutter Natur in ihrer
Weisheit verliehen hat, nicht selbst fressen kann, sondern damit
geazt werden müßte.
Der Wiedehopf stinkt — so steht's im ABC-Buch —
darum glauben es auch die Erwachsenen, wie so manches
Andere, weil's auch so wo steht — und das ist noch sein
größtes Glück. Gefangen wird ' er auf folgende Weise: Weil
er wegen seines eminent philosophischen Geistes ungeheuer wiß-
begierig ist, so läßt es ihni keine Ruhe, ehe er nicht jede ihm
fremde Erscheinung bis auf den Grund erforscht hat; da er
nun hiezu die exncte Methode, und zwar nicht erst seit der
Einbürgerung derselben in der Wissenschaft, sondern von jeher
anzuwenden pflegt, so ergibt sich das Mittel, ihn anznlocken
und festzuhalten von selbst.
Man legt sich an einem Waldsaume, >vo Wiedehopfe
streichen, Platt aus den Rücken mit einer möglichst großen
Raupe zwischen den Lippen, und zwar im Anfänge am
Schwanzende, damit sic recht lang herausragt und möglichst
starke Bewegungen macht; das bemerkt denn bald Einer von
den schopfigen Gesellen und will die Sache in näheren Augen-
schein nehmen; er nähert sich niit gesträubter Federkrone
immer mehr und mehr; in demselben Maaße zieht man die
erst
in
die Nasenlöcher — da darf man ja nicht zucken oder
gar niesen, sonst ist der Fang verdorben — halt jman aber
unbeweglich aus, so versenkt er endlich den Schnabel auch in
Raupe mit den Lippen ! einwärts, bis sie endlich ganz im
Munde verschwindet und nur die Oeffnung in den Lippen
sichtbar wird: sobald das der Fall ist, hat die Wißbegier des
Wiedehopfes den höchsten Grad erreicht; er denkt: „Jetzt
möcht' ich aber doch wissen, wo das Vieh hingekommen ist?"
und setzt sich dem Jäger auf die Brust, um mittels des
Schnabels eine genaue Untersuchung vorzunehmen — nun
kommt ein kritischer Augenblick, denn gewöhnlich fährt er zu-
die Mundöffnung — nun schließt man schnell die Lippen —
er ist gefangen, und man hat einen armen Teufel, den man,
wenn einem ein Funke von Menschenverstand innewohnt, gleich
wieder stiegen läßt. Lrassus.
Der unterhaltlichc Wirth.
„Herr Wirth, wie kommt es, daß in der Fleischsuppe
eine tobte Fliege ist?" — „Genau, Herr Baron, kann ich es
auch nicht angeben, warum das liebe Vieh todt ist. Wahrscheinlich
hatte es lange keine Nahrung zu sich genommen, hatte den
Teller mit der duftenden Suppe gewittert, ist gierig darüber
hergefallen und hat sich eine Magenentzündung zugezogen,
welche ihren Tod herbeigeführt. Die Fliege muß von sehr
schwacher Constitution gewesen sein, denn wie ich die Suppe
servirte, schwamm sie noch lustig darauf hin und her. Mög-
lich auch, daß dem Thier eines der Graupenkörner in die un-
rechte Kehle gekommen und in Folge einer Luftröhren-Affection
elend umgekommen ist. Wenn der Herr Baron sich so sehr
dafür interessiren, so haben Sie wohl die Güte, die Fliege
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Der Wiedehopf trinkt nicht -- nicht einmal Wasser; ist
also, das passendste Wappenthier für Enthaltsamkeitsvereine;
er ist äußerst nützlich — nicht wegen seines immerwährenden
Nachdenkens, sondern wegen der Vertilgung von Raupen und
Käfern; er verdient also auf alle Weise gehegt und geschont
zu werden und es ist gräßlicher Unsinn, denselben aus dem
Nest zu nehmen oder in irgend einer Weise zu fangen.
Doppelt groß ist der Unsinn, ihn zu fangen, da er in
der Gefangenschaft elend zu Grunde gehen muß, indem er das
Einzige, was ihn zu erhalten geeignet ist — rohes Fleisch
und in Milch geweichtes Weißbrod, vermöge des langen,
dünnen Schnabels, den ihm die gütige Mutter Natur in ihrer
Weisheit verliehen hat, nicht selbst fressen kann, sondern damit
geazt werden müßte.
Der Wiedehopf stinkt — so steht's im ABC-Buch —
darum glauben es auch die Erwachsenen, wie so manches
Andere, weil's auch so wo steht — und das ist noch sein
größtes Glück. Gefangen wird ' er auf folgende Weise: Weil
er wegen seines eminent philosophischen Geistes ungeheuer wiß-
begierig ist, so läßt es ihni keine Ruhe, ehe er nicht jede ihm
fremde Erscheinung bis auf den Grund erforscht hat; da er
nun hiezu die exncte Methode, und zwar nicht erst seit der
Einbürgerung derselben in der Wissenschaft, sondern von jeher
anzuwenden pflegt, so ergibt sich das Mittel, ihn anznlocken
und festzuhalten von selbst.
Man legt sich an einem Waldsaume, >vo Wiedehopfe
streichen, Platt aus den Rücken mit einer möglichst großen
Raupe zwischen den Lippen, und zwar im Anfänge am
Schwanzende, damit sic recht lang herausragt und möglichst
starke Bewegungen macht; das bemerkt denn bald Einer von
den schopfigen Gesellen und will die Sache in näheren Augen-
schein nehmen; er nähert sich niit gesträubter Federkrone
immer mehr und mehr; in demselben Maaße zieht man die
erst
in
die Nasenlöcher — da darf man ja nicht zucken oder
gar niesen, sonst ist der Fang verdorben — halt jman aber
unbeweglich aus, so versenkt er endlich den Schnabel auch in
Raupe mit den Lippen ! einwärts, bis sie endlich ganz im
Munde verschwindet und nur die Oeffnung in den Lippen
sichtbar wird: sobald das der Fall ist, hat die Wißbegier des
Wiedehopfes den höchsten Grad erreicht; er denkt: „Jetzt
möcht' ich aber doch wissen, wo das Vieh hingekommen ist?"
und setzt sich dem Jäger auf die Brust, um mittels des
Schnabels eine genaue Untersuchung vorzunehmen — nun
kommt ein kritischer Augenblick, denn gewöhnlich fährt er zu-
die Mundöffnung — nun schließt man schnell die Lippen —
er ist gefangen, und man hat einen armen Teufel, den man,
wenn einem ein Funke von Menschenverstand innewohnt, gleich
wieder stiegen läßt. Lrassus.
Der unterhaltlichc Wirth.
„Herr Wirth, wie kommt es, daß in der Fleischsuppe
eine tobte Fliege ist?" — „Genau, Herr Baron, kann ich es
auch nicht angeben, warum das liebe Vieh todt ist. Wahrscheinlich
hatte es lange keine Nahrung zu sich genommen, hatte den
Teller mit der duftenden Suppe gewittert, ist gierig darüber
hergefallen und hat sich eine Magenentzündung zugezogen,
welche ihren Tod herbeigeführt. Die Fliege muß von sehr
schwacher Constitution gewesen sein, denn wie ich die Suppe
servirte, schwamm sie noch lustig darauf hin und her. Mög-
lich auch, daß dem Thier eines der Graupenkörner in die un-
rechte Kehle gekommen und in Folge einer Luftröhren-Affection
elend umgekommen ist. Wenn der Herr Baron sich so sehr
dafür interessiren, so haben Sie wohl die Güte, die Fliege
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Wiedehopf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 50.1869, Nr. 1243, S. 151
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg