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11

Reelles Heir

Stande war, auch nur annähernd ihr Alter und Aussehen
zu errathen.

Mit einer Verbeugung, die einem Tanzmeister Ehre
gemacht haben würde, näherte ich mich ihr und sagte — ich
muB gestehen mit einigem Stottern — indem ich ihrer Ein-
ladung neben ihr Platz zu nehmen Folge leistete:

„Ich empfing Ihre frcnndlichcn Zeilen, mein Fräulein,
und bin wie Sie sehen, Ihrer Einladung gefolgt."

„Und was haben Sie mir nun zu sagen?" entgegnete
die Dame mit einer zwar weichen, wohlklingenden Stimme,
aber meinem geübten Ohre konnte es doch nicht entgehen,
daß ihr die Jugcndfrische fehlte.

„Mein Fräulein", sagte ich, „meine Lebensstellung und
mein Alter lasten es mir wünschenswerth erscheinen, eine
Gefährtin zu suchen."

„Sie haben dazu indesten einen sehr ungewöhnlichen
Weg gewählt —"

„Sagen Sie lieber einen nicht mehr ungewöhnlichen,"
fiel ich ihr in's Wort, „Sie können jeden Tag in den Zei-
tungen Annoncen finden, welche derjenigen, durch welche ich
das Glück habe mit Ihnen bekannt zu sein, ähnlich sehen.
In vielen Fällen sind gerade solche Verbindungen die glück-
lichsten, welche der Zufall knüpfet."

„Dennoch aber bin ich versucht zu glauben, daß beson-
dere Gründe Sie veranlaßt haben, sich in einer so wichtigen
Angelegenheit, wie die Ehe ist, dem Zufall zu überlasten.
Darf ich dieselben nicht kennen?"

Dies war eine sehr verfängliche Frage, auf deren Be-
antwortung ich nur ungern einging. In meiner Annonce
hatte ich diesen Punkt in mystisches Dunkel gehüllt, und setzte
auch meine ganzen Hoffnungen auf das Gcheimnißvollc, wo-
mit ich die weibliche Neugierde aufstacheln wollte. Sollte ich
die Wahrheit sagen? Konnte ich eingestehen, daß nur ernst-
liche pecuniäre Verlegenheiten mich zu diesem Schritt getrie-
ben hatten? Ich mußte ausweichend antworten, und sagte:

„Darf ich dagegen fragen, was Sie veranlaßt hat, mir
j diese Unterredung zu bewilligen?"

athsgesuch.

„Wir kommen sogleich darauf zu sprechen", entgegnete
sie ruhig, „denn wir müssen einander näher kennen lernen.
Ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß es mir unerklärlich
erscheint, weßhalb ein so junger, und erlauben Sie mir hin-
zuzufügen, eleganter Mann, in den Zeitungen nach einer
Frau sucht."

Ich verneigte mich verbindlich.

„Ihr Auftreten ist das eines Mannes, der sich in guter
Gesellschaft bewegt haben muß", fuhr sie fort, „und ich bin
überzeugt/ daß es nicht der Mangel an Damenbekauntschaft
ist, der Sie zu diesem Schritte veranlaßt hat."

Ich war versucht ihr geradezu in's Gesicht zu lachen,
fürchtete aber Alles dadurch zu verderben — wenn die
Aermste gewußt hätte, daß es gerade mein Unglück gewesen
war zu Viele des schönen Geschlechts gekannt zu haben!

„Nein, nein," entgegnete ich lächelnd, „ich kann über
einen Mangel au Dameubekanntschaftcn nicht klagen; Sie
werden mir aber einräumen, daß ein Mann viele Damen

kennen kann und doch unter Allen nicht Eine gefunden hat,

an deren Hand er durch's Leben pilgern möchte."

„Vielleicht haben Sie nie ernstlich den Willen gehabt,
unter Allen nach der Rechten zu suchen — vielleicht fehlt es

Ihnen auch an Zeit dazu — Ihr Beruf wird Sie zu sehr

in Anspruch nehmen?"

Ich hätte etwas darum gegeben, wäre es mir in diesem |
Augenblick vergönnt gewesen, den Schleier zu heben, um zu ]
wissen, ob die Dame mich zum Besten haben wollte, oder
ob sie im Ernste sprach. Das Examen fing an peinlich für
mich zu werden.

„Ich liebe thätige Menschen," fuhr sie fort, und darf j
auch vermuthen, daß Sie eine Stellung einnehmen, welche
Sie in den Stand seht Ihrer Frau eine gesicherte Existenz !
zu bieten?"

Der leibhaftige Satan mußte hinter dieser Maske sitzen! J
Sie griff mich bei dem allerempfindlichstcn Punkte an. War j
mir doch zu Muthe wie einem Kranken, der in einer Wasser-
heilanstalt von Minute zu Minute mit einem Einrer kalten
Wassers übergosten wird.

„Ich bin Jurist," erwiderte ich beherzt.

„Welchen Posten bekleiden Sie — jedenfalls haben Sic
doch eine feste Anstellung?"

„Ja und nein, wie Sie wollen — ich bin Referendar."

„Ah so! vermuthlich Supcrnumerar bei irgend einem
Gerichte — das ist Schade! indesten Sie sind noch jung
und können vielleicht noch einmal Minister werden — in
Preußen sind z. B. augenblicklich Leute im Ministerium, deren !
Auftreten einen weniger guten Eindruck macht, wie das
Ihrige vielleicht haben Sie auch mehr guten Willen und
Talent sich populär zu machen wie Jene —"

(Schluß folgt.)

2
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Reelles Heirathsgesuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Erste Begegnung
Schleier <Motiv>
Begegnung <Motiv>
Hotelzimmer
Heiratsanzeige
Junger Mann <Motiv>
Karikatur
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1287, S. 11

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