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Abgeschlagen.

schmettern", und in einer langen geheimen Sitzung des Dichters
mit seinen Freunden wurde ein Plan ersonnen, den die Majori-
tät „famos", die allerdings auch zahlreiche Minorität aber ganz
„süperb" fand. Man überlegte die Ausführung bis in's
Kleinste und freute sich köstlich auf den „Eclat". —

Nun komme ich als gewissenhafter Erzähler aber in Ver-
legenheit. Ich weiß nämlich nicht, und konnte es trotz aller
angewandten Mühe nicht erfahren, auf welche Weise dem Kritiker
der Plan seiner Feinde verrathen worden ist. Es ist möglich, aber
allerdings nicht wahrscheinlich, daß einer der zahlreichen Freunde
des Schnitze selbst, — aber nein, wenn ich einmal Vermu-
thungen äußere, so scheint es mir am leichtesten möglich, daß
die geheime Sitzung der Verschworenen nicht so still und heim-
lich vor sich gegangen sei, wie es nöthig und ursprünglich be-
absichtigt war. Wenn ich noch hinzufüge, daß die in Frage
stehende Sitzung im Clubbsaale des Casinos und bei einer
Bowle Arrackpunsch stattfand, so glaube ich einem denkenden
Leser genug Material an die Hand gegeben zu haben, um
selbst einen Schluß ziehen zu können, wie der Verrath geübt
wurde. — Genug, er wurde geübt, und sechs Stunden nach
der Geburt des famosen Planes, kannte der Gegenstand des-
selben, der Kritiker Müller, denselben ebenso genau, wie die
eigenen Väter.

Also eines Tages erhielt Herr Müller von einem Freunde
des Dichters Schnitze eine Einladung zum Abendessen, und
Herr Müller, der scharfe Kritiker, nahm sie ohne Weiteres an.
Es war eine sehr zahlreiche Gesellschaft versammelt. Außer
den Freunden des Dichters und diesem selbst war eine Anzahl
bekannter Persönlichkeiten der Stadt zugegen. Man hatte
hauptsächlich solche Personen geladen, die am meisten da-
zu im Stande waren, die Kunde der Begebenheit, welche hier
vor sich gehen sollte, möglichst schnell und weit zu verbreiten,
und die Schmach, deren Gegenstand Herr Müller werden sollte,
recht energisch unter die Leute zu bringen. Schon als die un-
eingeweihten Gäste sahen, daß der Dichter Schnitze und der
Kritiker Müller wie durch ein Wunder Nachbarn bei Tische ge-
worden waren, fingen sie an, ungewöhnliche Ereignisse zu ahnen,
und nach Verlauf kurzer Zeit konnten sie sich überzeugen, daß
ihre Ahnungen sie nicht betrogen hatten. Nachdem eben ein
Gemüse aufgetragen und thcilwcisc schon davon gegessen war,
erhob sich plötzlich der Dichter Schnitze, erbat sich einen Augen-
blick Ruhe, und begann, nachdem eine Todtenstille eingetreten,
die folgende Rede: „Meine Damen und Herren! Ich 'mache
Ihnen zuvor die Mittheilung, daß mein Freund, unser geehrter
Wirth, Sie hier auf meinen inständigen Wunsch versammelt
hat. Es gilt nämlich, einen Menschen zu züchtigen, dessen Be-
ruf es ist, die Ehre seiner Nebenmenschen zu vernichten. Wer
aber die Ehre eines Menschen vernichtet, der hat mehr vernich-
tet als sein Leben, und verdient, daß er wieder vernichtet werde.
Mein Nachbar zur Rechten, Herr Müller, hat nun meine Ehre
vernichtet, er hat mich zum Gespötte der Menschen gemacht, er
hat deßhalb meine Zukunft zu Schanden gemacht, weil ich den
Helden meines Stückes an Todesfurcht sterben lasse. Herr
Müller wird gleich Gelegenheit finden, genauer zu erforschen.

ob die Furcht vor dem Tode so lächerlich ist. Meine Rache
mag Ihnen, meine Herrschaften, grausam und excentrisch er-
scheinen, nun, ich bin Dichter und deßhalb vielleicht etwas mehr
zum Ungewöhnlichen geneigt, als andere Menschen. Einerlei,
Herr Müller, der Kritiker, mein Todfeind, wird in einer Stunde
eine Leiche sein, denn das Gemüse, welches er soeben gegessen,
ist von meiner Hand mit Arsenik vergiftet!" — — Eine Se-
cundc der Todesstille folgte diesen Worten. Dann schrie und
tobte Alles durcheinander. Man schrie nach Ärzten, nach Öl,
nach Milch. Zwei der Freunde des Dichters stürzten zur
Thür hinaus, um einen Arzt zu suchen. Zwei Damen fielen
in Ohnmacht. Mehrere Herren wollten den Giftmischer ergreifen.

— Herr Müller war einen Augenblick blaß geworden, plötzlich
aber sprang er auf, gebot mit Donnerstimme Ruhe und sprach
also: „Meine Herren! Als ich die Einladung hierher erhielt, da
wußte ich, daß ich nicht lediglich zu meinem Vergnügen bestellt
würde. Ich wußte, daß man mir zu Leibe will. Ich habe
meine Vorkehrungen getroffen. Allerdings, auf einen Mord
war ich nicht vorbereitet, und umsomehr kitzelt mich die Freude,
wenn ich schon das Wirken des Giftes in meinem Körper
spüre, daß ich doch die Mittel zur Rache besitze!" — Bei
diesen Worten zog er einen Revolver ans der Tasche und schrie
den entsetzt aufspringenden Schultze an, indem er ihm die
Waffe entgegen hielt: „Sie gehen mir voran, Herr Dichter!"

— Man hörte das Knacken der Hähne. Alles stürzte empor
und durch einander. Einige wollten die Thüre gewinnen.

— „Halt", schrie in fürchterlichem Tone der Kritiker, „wer
sich rührt, ist eine Leiche! Sechs Schüsse habe ich zu ver-
senden. Einer ist genug für den Giftmischer, fünf bleiben
übrig für die, so mich hindern wollen!" — Alles sank
auf die Sitze zurück. Müller wandte sich wieder zu dem zittern-

den Schnitze, und erhob den Revolver gegen ihn. Dieser wim-
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"Abgeschlagen"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Revolver
Rache
Abendessen
Chaos <Motiv>
Kritiker
Todesangst
Schrecken <Motiv>
Einladung
Dichter <Begriff>
Arglistige Täuschung
Wut <Motiv>
Geständnis <Motiv>
Gift
Karikatur
Bedrohung <Motiv>
Panik <Motiv>
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Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1563, S. 2

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