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Beweis»
konnte. Der Hans — so hieß der Braune — hatte es doch
so gut, und zum Ehaiscnfahrcn wurde er nur gebraucht, wenn
der Herr Dekan in die Stadt fuhr. Diesem frommen Herrn
gab der Ochsenwirth aus lauter Hochachtung sein frömmstes
Pferd und das war der Haus. Merkwürdigerweise trat die
sichtliche Abmagerung des Thicrcs von dem Zeitpunkte an ans,
als der Herr Dekan jede Woche zweimal zur Prüfung der
Seminaristen in die Stadt fuhr.
„Kleopha!" sagte eines Morgens Zachäus Schmecker zu
seiner Frau, als dieselbe aus der Frühmesse nach Hause kam,
„das Ding geht nicht mit rechten Dingen zu."
„Welches Ding?" antwortete diese.
„Der Hans fällt zusammen wie ein mißrathcncr Kugel-
Hupf. Wenn das so fortgcht, so streckt er in vier Wochen
die Beine."
„Warum sagst Du mir das, Zachcl?"
„Der -kavcri sagt, der Herr Dekan gebe dem Haus den
ganzen Tag nichts zu fressen und ich glaube cs bald auch.
Alle Wochen zwei Fasttage kann kein natürliches Chaisenpferd
aushaltcn."
„Daß Du Dich nicht unterstehst, so etwas zu glauben,
Zachcl, sonst hast Du cs mit mir zu thun!" sagte Frau
Kleopha und legte das Gebetbuch auf die Kommode.
„Darüber aber geht der Hans zu Grund!" antwortete
Zachäus Schmecker etwas kleinlaut. Denn Frau Kleopha
war im Punkt der Frömmigkeit — das wußte er — sattelfest
und ein Widerspruch nicht rathsam. Hoch in Ehren stand bei
ihr der Herr Dekan und nie hätte sie zugegeben, daß ihr Mann
ohne vollgültige Beweise den Verkehr mit ihm abgebrochen hätte.
„Was der Kaveri sagt, gilt mir nicht so viel," sagte Frau
Kleopha, den Zeigefinger gegen den Daumen schnippend.
„Er kennt aber die Pferde!" sagte schüchtern Zachäus.
erfahren.
„Und ich kenne den Herrn Dekan!" fiel Frau Kleopha
ein. „Ich glaube es nicht, bis der Herr Dekan selbst sagt, daß
er dem Hans sein Futter nicht habe geben lassen. Und damit
Punktum!"
Seitdem wurde Zachäus Schmecker ganz tiefsinnig. Der
Hans ließ nach jeder neuen Fahrt des Herrn Dekan die
Ohren tiefer hängen und doch wagte der Ochsenwirth nicht, dem
einflußreichen geistlichen Herrn das Pferd abzuschlagcn.
„Also, wenn er cs selbst sagt, will es die Frau Ochsen- !
wirthin glauben?" wiederholte eines Abends Kaveri, dem der
Ochsenwirth seine Noth klagte. „Da laßt mich machen, er muß
es sagen, Herr. Nur eines bitte ich mir aus."
„Was, Kaveri?"
„Das nächste Mal, wenn der Herr Dekan wieder in die
Stadt fährt, legen wir dem Hans das neue silberbeschlagenc !
Geschirr an und laden am Tage darauf den Herrn Dekan zum
Mittagessen ein. Das wird doch die Frau Meisterin zngcben?"
„Ich denke, Kaveri, aber wozu das?"
„Laßt mich nur machen, Ochsenwirth; Ihr werdet scheu,
daß ich weiß, was ich sage. Ladet dann auch noch die
Honoratioren zum Essen ein. Wir müssen unsere Zeugen haben."
Gesagt, gethan! Frau Kleopha schaute vergnügt zum
Fenster hinaus, als das prächtig aufgeschirrte Gespann dem
Herrn Dekan zugeführt wurde und dieser lächelte ganz glücklich
über die Ehre, die ihm erwiesen wurde.
Am andern Morgen lag der Hans wieder halbtodt im
Stall, daß das Elend dem Ochsenlvirth fast das Herz abdrücktc.
Desto besser schien der Xaver! gekannt zu sein, denn jeden
Seufzer des Ochsenwirths beantwortete er mit einem kurzen
Gelächter.
„Wir kriegen ihn schon dran, wir kriegen ihn dran",
sagte er, während er dem kranken Gaul das Futter aufschüttete. '
»Heute ist er zum letzten Mal in die Stadt gefahren, oder ich
bin nicht der Xavers."
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konnte. Der Hans — so hieß der Braune — hatte es doch
so gut, und zum Ehaiscnfahrcn wurde er nur gebraucht, wenn
der Herr Dekan in die Stadt fuhr. Diesem frommen Herrn
gab der Ochsenwirth aus lauter Hochachtung sein frömmstes
Pferd und das war der Haus. Merkwürdigerweise trat die
sichtliche Abmagerung des Thicrcs von dem Zeitpunkte an ans,
als der Herr Dekan jede Woche zweimal zur Prüfung der
Seminaristen in die Stadt fuhr.
„Kleopha!" sagte eines Morgens Zachäus Schmecker zu
seiner Frau, als dieselbe aus der Frühmesse nach Hause kam,
„das Ding geht nicht mit rechten Dingen zu."
„Welches Ding?" antwortete diese.
„Der Hans fällt zusammen wie ein mißrathcncr Kugel-
Hupf. Wenn das so fortgcht, so streckt er in vier Wochen
die Beine."
„Warum sagst Du mir das, Zachcl?"
„Der -kavcri sagt, der Herr Dekan gebe dem Haus den
ganzen Tag nichts zu fressen und ich glaube cs bald auch.
Alle Wochen zwei Fasttage kann kein natürliches Chaisenpferd
aushaltcn."
„Daß Du Dich nicht unterstehst, so etwas zu glauben,
Zachcl, sonst hast Du cs mit mir zu thun!" sagte Frau
Kleopha und legte das Gebetbuch auf die Kommode.
„Darüber aber geht der Hans zu Grund!" antwortete
Zachäus Schmecker etwas kleinlaut. Denn Frau Kleopha
war im Punkt der Frömmigkeit — das wußte er — sattelfest
und ein Widerspruch nicht rathsam. Hoch in Ehren stand bei
ihr der Herr Dekan und nie hätte sie zugegeben, daß ihr Mann
ohne vollgültige Beweise den Verkehr mit ihm abgebrochen hätte.
„Was der Kaveri sagt, gilt mir nicht so viel," sagte Frau
Kleopha, den Zeigefinger gegen den Daumen schnippend.
„Er kennt aber die Pferde!" sagte schüchtern Zachäus.
erfahren.
„Und ich kenne den Herrn Dekan!" fiel Frau Kleopha
ein. „Ich glaube es nicht, bis der Herr Dekan selbst sagt, daß
er dem Hans sein Futter nicht habe geben lassen. Und damit
Punktum!"
Seitdem wurde Zachäus Schmecker ganz tiefsinnig. Der
Hans ließ nach jeder neuen Fahrt des Herrn Dekan die
Ohren tiefer hängen und doch wagte der Ochsenwirth nicht, dem
einflußreichen geistlichen Herrn das Pferd abzuschlagcn.
„Also, wenn er cs selbst sagt, will es die Frau Ochsen- !
wirthin glauben?" wiederholte eines Abends Kaveri, dem der
Ochsenwirth seine Noth klagte. „Da laßt mich machen, er muß
es sagen, Herr. Nur eines bitte ich mir aus."
„Was, Kaveri?"
„Das nächste Mal, wenn der Herr Dekan wieder in die
Stadt fährt, legen wir dem Hans das neue silberbeschlagenc !
Geschirr an und laden am Tage darauf den Herrn Dekan zum
Mittagessen ein. Das wird doch die Frau Meisterin zngcben?"
„Ich denke, Kaveri, aber wozu das?"
„Laßt mich nur machen, Ochsenwirth; Ihr werdet scheu,
daß ich weiß, was ich sage. Ladet dann auch noch die
Honoratioren zum Essen ein. Wir müssen unsere Zeugen haben."
Gesagt, gethan! Frau Kleopha schaute vergnügt zum
Fenster hinaus, als das prächtig aufgeschirrte Gespann dem
Herrn Dekan zugeführt wurde und dieser lächelte ganz glücklich
über die Ehre, die ihm erwiesen wurde.
Am andern Morgen lag der Hans wieder halbtodt im
Stall, daß das Elend dem Ochsenlvirth fast das Herz abdrücktc.
Desto besser schien der Xaver! gekannt zu sein, denn jeden
Seufzer des Ochsenwirths beantwortete er mit einem kurzen
Gelächter.
„Wir kriegen ihn schon dran, wir kriegen ihn dran",
sagte er, während er dem kranken Gaul das Futter aufschüttete. '
»Heute ist er zum letzten Mal in die Stadt gefahren, oder ich
bin nicht der Xavers."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Beweisverfahren"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1577, S. 115
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg