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Blaue Augen.

Wasser zur Wäsche zu tragen gab. Die beiden guten Eigen-
schaften Brennekes waren Anhänglichkeit an diejenigen, die er
zu bedienen hatte und Ehrlichkeit; im klebrigen war er nachlässig,
unordentlich, faul, dem Trünke ergeben und äußerst unreinlich.
Die lateinischen Brocken, die ihm noch im Gedächtniß geblieben
waren, kramte er bei jeder Gelegenheit prahlerisch aus, und
hielt sich für einen der größten Gelehrten des Jahrhunderts.

Zehn Minuten nach seiner Unterredung mit dem Professor
erschien Brenneke im Zimmer Auna's. Er überreichte ihr, ohne
viele Umstünde zu machen, einen schönen Roscnstock mit der
dürren Bemerkung: sein Herr sende denselben als Ersatz für
| den durch den Fall des Pfeifeukopfes zerstörten.

„Und hat Ihr Herr Professor kein Wort der Entschuldigung
und des Beileides hinzugefügt?" fragte in scharfem Tone eine
! alte, im Hause wohnhafte Frau, indem sie auf Auna's Arm

deutete, der arg verbrannt war, und um den die Alte soeben
einen frischen Umschlag befestigte.

Brenneke verneinte der Wahrheit gemäß, „vo bis omnino
nihil dixit — wie wir Gelehrten sagen," fügte er stolz hinzu. —
„Wir Gelehrten?" eiferte die Alte, die trotz der Bitten
und Beschwichtigungsversuche Auna's immer hitziger wurde.
„Schöne Gelehrte das", rief sie so laut, daß Delius es in seinem
Zimmer hören mußte, „die nicht einmal wisien, wie man sich
gegen Damen artig und anständig zu benehmen hat. Wenn
Gelehrsamkeit so viel ist, wie Ungezogenheit und Stolz, so würde
ich meinen Sohn lieber todtschlagen, als ihn studircu lassen.
Sagen Sie das Ihrem Herrn!"

Die letzten Worte waren überflüssig; Delius hatte in der
That jedes Wort, das die erregte Alte gesprochen, genau ge-
hört. Vielleicht Hütte er deren »och weit weniger schmeichelhafte

anhören müssen, wenn sich nicht die friedfertige Anna in's
Mittel gelegt hätte.

„Lieber Herr Brenneke," sagte sie freundlich, „ich bin dem
Herrn Professor für seine Aufmerksamkeit sehr dankbar. Aber,
wie Sie sehen, darf ich das Anerbieten des Herrn Professors
nicht annehmen, da meine Rosen bei weitem nicht so sehr be-
schädigt sind, als er vielleicht glaubt. Sehen Sie," fuhr Sie
fort, auf den verletzten Blumenstock deutend, „der Hauptstamm
und mehrere Aestchen sind ganz unversehrt geblieben und es
sind mindestens noch zwei Dutzend Knospen daran. Aber bitten
Sie den Herrn Professor, er möge nicht böse auf mich sein,
daß ich ihn vorher durch mein Klavierspiel gestört habe; ich
will's gewiß nicht wieder thun."

Hier richtete sie ihre blauen Augen bittend und treuherzig
auf Brennekes schmutziges Gesicht. Dieser versprach. Alles ge-
j wissenhast seinem Herrn zu berichten, blickte daun, da er viel zu
faul war, sich auf die Straße hiuauszubcgeben, durch Auna's
Fenster auf das Pflaster und erklärte, trübselig sein graues
Haupt schüttelnd: „von dem Pfeifeukopfe ist nichts mehr zu ent-
decken. Ich glaube, Fräulein," fügte er dann hinzu, „ich habe
Ihnen schon öfters erzählt, daß dieser Pfcifcukopf dem Professor
mehr Werth war, als alles klebrige, was er besitzt. Er hätte
gerne, wenn er dies Unglück dadurch hätte verhindern können,
alle seine Bücher dafür hergcgebeu. Alle seine Bücher," tviederholtc
er feierlich und erhob dabei bekräftigend seine Pelzmütze, „und Sie
wissen, was bei uns Gelehrten die Bücher gelten, voota nostra
supellex, et avma scholastica — Sie verstehen mich!"

Ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerken können, daß,
als Brenneke von dem Pfeifeukopfe zu sprechen begann, ein
heiteres, fast schelmisches Lächeln aus Auna's blauen Augen
leuchtete. Aber es währte nur einen Augenblick und wich dann
wieder vor dem gewöhnlichen Ausdruck sanfter Freundlichkeit.

Der Professor war über den Bericht, den sei» Diener be-
züglich des Pfeifeukopfes abstattete, aufrichtig betrübt. Anna's
Bitte um Entschuldigung überhörte er gänzlich; bei der Nachricht
von ihrem verbranntem Arme zuckte er die Achsel» und murmelte
etwas von „um einen Groschen Zinksalbe", und als Brenneke
ihm den Rosenstock mit der Erklärung, Anna glaube denselben
nicht annehmen zu dürfen, überreichte, sagte er mit einer ge-
wissen Befriedigung: cs sei diese Weigerung „des Frauenzimmers
da unten" ein neuer Beweis für das Vorhandensein derjenigen
weiblichen Eigenschaft, die Horaz und Tacitus die muliodrw
impotentia genannt hätten. Schließlich befahl er Brenneke, den
Roscnstock auf den Hos zu Ivcrfen und setzte sich dann wieder
zu seinen Büchern. Brenneke aber trug den Blumenstock wohl-
weislich in seine Stammbranntweinkneipe und bat ihn daselbst
zum Verkaufe aus, worauf ihn endlich ein galanter Unteroffizier
für seine Geliebte um den Preis von drei Groschen, zwei
Cigarren und einem halben Quart Kümmel mit Rhum erstand.

Einige Tage später — es war gegen Abend und Anna
war gerade mit dem Begießen ihrer Blumen beschäftigt —
kehrte Professor Reiuhold Delius aus einer Sitzung der philo-
sophischen Fakultät in seine Wohnung zurück. Anna hörte ihn
die Treppe Hinansteigen, hatte ihn aber nicht an ihren Fenstern
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Blaue Augen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Spitzer, Emanuel
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Diener
Schüssel
Ältere Frau <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Rose
Verband <Medizin>
Verbrennung <Medizin>
Junge Frau <Motiv>
Arm <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1581, S. 146

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