Blaue Auge n.
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Vorbeigehen gesehen, da Delius in seinem Unmuth seit einigen
Tagen es vorzog, einen Umweg zu machen, als sich der Möglich-
keit auszusetzen, von Anna gesehen zu werden. Der dumpfe
Ton eines schwer fallenden Körpers und ein Ausruf des Schmerzes
schlugen Plötzlich gleichzeitig an Anna's Ohr. Sie wurde
leichenblaß, setzte ihre Gießkanne aus der Hand und öffnete
leise die Thüre ihres Zimmers. Der Professor Delius hielt
sich mit beiden Händen am Treppengeländer fest und machte
vergebliche Anstrengungen, die Stufen derselben vollends zu er-
steigen und so bis an sein Zimmer zu gelangen. Auf seinem bleichen
Gesicht malte sich ein furchtbarer Schmerz und seine Stirn war
mit großen, hellen Schweißtropfen bedeckt. Das Gefühl des
Mitleids und der Angst ließ Anna in diesem Augenblick alles
Andere vcrgeffcn und verlieh ihr Muth. Lautlos und schnell,
wie eine Schwalbe, huschte sie hart an Delius vorbei die Treppe
hinauf in das Bureau des Advokaten vr. Zangemann. Sie
war vor Schreck nicht fähig zu sprechen, sondern faltete blos
bittend ihre Hände und deutete dann auf die geöffnete Thür.
Der Advocat und seine beiden Schreiber, Kielmann und Tin-
tinger legten ihre Federn aus den Händen und begaben sich vor
die Thüre; der Kanzlcidicncr Schriftenberg gesellte sich zu ihnen,
und als sie den Professor in dem erwähnten Zustande erblickten,
eilten alle vier hinzu und sprangen ihm hülfreich bei. Anna
aber war längst in ihr Zimmer hinabgeeilt, hatte ein Tuch über
die Schultern geschlagen und sich geflügelten Schrittes auf den
Weg zu dem alten Oberstabsarzt Sichling, einem Freunde ihres
verstorbenen Vaters gemacht. Glücklicherweise traf sie den alten
freundlichen Mann zu Hause, der sich auch sogleich bereit zeigte,
ihr zu folgen, obgleich Anna nicht im Stande war, ihm zu
sagen, welcher Krankheitsfall eigentlich vorliege. Es war nur
ein richtiges Gefühl, das ihr sagte, das Erscheinen eines Arztes
sei dringend nothwendig, — was dem Profeffor zugestoßcn sei,
wußte sie nicht und konnte es auch nicht wissen.
Der Advokat und seine Leute hatten indessen diesen in
sein Zimmer getragen, und auf das Bett gelegt. Delius war
vor Schmerzen ohnmächtig geworden und erst nach einigen
Minuten gelang cs den vereinten Bemühungen der Männer,
ihn wieder zum Bewußtsein zu bringen.
„Mein linkes Bein ist gebrochen," sagte er mit kraftloser
Stimme, „ich fühle cs. Schicken Sie doch meinen Diener um
einen Arzt."
Der Kanzleidicner eilte, den Auftrag zu erfüllen. Er hatte
sich kaum entfernt, als der Oberstabsarzt Sichling in das Zimmer
und an das Bett des Profeffors trat. „Fräulein Stein," sagte
er, „hat mir aufgctragen, hier zu erscheinen und "
„Fräulein Stein?" fragte der selbst jetzt noch unverbesser-
liche Delius, indem er die Stirn runzelte; „hatte ich nicht ge-
sagt, mein Diener solle den Arzt bitten, zu mir zu kommen?"
„Danken Sic dem Fräulein Stein, daß es mich so schnell
veranlaßt hat, hierher zu kommen," sagte der Arzt in sehr
ernsten, Tone. „Danken Sic cs der Tochter meines verstorbenen
Freundes, wiederhole ich, denn nach wenigen Minuten wäre cs
vielleicht zu spät gewesen. Wenn Ihnen, was ich zuversichtlich
hoffe, Ihr Bein gesund erhalten bleibt, so verdanken Sie das
lediglich dem Fräulein Anna Stein."
Delius merkte die Zurechtweisung. Er biß sich in die
Lippen und schwieg.
Der Arzt machte jetzt seine Vorbereitungen, um das ge-
brochene Bein einzurichten und den Gypsvcrband um dasselbe
zu legen. Es war das für den Professor eine schwere Stunde
voll bitterer Schmerzen. Aber fast noch mehr, als der Kranke,
litt die gute mitleidige Anna. Athemlos vor Angst war sic
mitten in ihr Zimmer getreten und lauschte auf jeden Ton, der
in der Wohnung des Professors hörbar wurde. Sic fuhr er-
schreckt zusammen, wenn sie die Stimme des Arztes vernahm;
als jedoch plötzlich ein kurzes, aber lautes Stöhnen an ihr Ohr
schlug, da konnte sie nicht länger an sich halten, sondern, ihr
Gesicht niit den Händen verhüllend, eilte sic in ihr Schlafzimmer,
brach in lautes Weinen aus, kniete auf den Boden nieder und
bat den lieben Gott, er möge sie doch einen Thcil der Schmerzen
des Kranken tragen lassen.
" _ (Fortsetzung folgt.)
Der zukünftige National-Oekonom.
Schreiblehrer: „Aber schreiben Sie doch weiter aus-
einander!" — Schüler: „Glauben Sic, ich bekomm' das
Papier geschenkt!?"
Logik.
4#
Polizeidiencr (einem Herr» nachrufend): „Sic sind in
der Strafe; Sie dürfen Ihren" Hund nicht auf den Wochen-
markt mitnehmen!" — Herr: „Der Hund gehört ja nicht mir!"
— Polizeidiencr: „Er lauft Ihnen aber doch nach!" —
Herr: „Sie laufen mir ja auch nach und gehöre» nicht mir!"
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Vorbeigehen gesehen, da Delius in seinem Unmuth seit einigen
Tagen es vorzog, einen Umweg zu machen, als sich der Möglich-
keit auszusetzen, von Anna gesehen zu werden. Der dumpfe
Ton eines schwer fallenden Körpers und ein Ausruf des Schmerzes
schlugen Plötzlich gleichzeitig an Anna's Ohr. Sie wurde
leichenblaß, setzte ihre Gießkanne aus der Hand und öffnete
leise die Thüre ihres Zimmers. Der Professor Delius hielt
sich mit beiden Händen am Treppengeländer fest und machte
vergebliche Anstrengungen, die Stufen derselben vollends zu er-
steigen und so bis an sein Zimmer zu gelangen. Auf seinem bleichen
Gesicht malte sich ein furchtbarer Schmerz und seine Stirn war
mit großen, hellen Schweißtropfen bedeckt. Das Gefühl des
Mitleids und der Angst ließ Anna in diesem Augenblick alles
Andere vcrgeffcn und verlieh ihr Muth. Lautlos und schnell,
wie eine Schwalbe, huschte sie hart an Delius vorbei die Treppe
hinauf in das Bureau des Advokaten vr. Zangemann. Sie
war vor Schreck nicht fähig zu sprechen, sondern faltete blos
bittend ihre Hände und deutete dann auf die geöffnete Thür.
Der Advocat und seine beiden Schreiber, Kielmann und Tin-
tinger legten ihre Federn aus den Händen und begaben sich vor
die Thüre; der Kanzlcidicncr Schriftenberg gesellte sich zu ihnen,
und als sie den Professor in dem erwähnten Zustande erblickten,
eilten alle vier hinzu und sprangen ihm hülfreich bei. Anna
aber war längst in ihr Zimmer hinabgeeilt, hatte ein Tuch über
die Schultern geschlagen und sich geflügelten Schrittes auf den
Weg zu dem alten Oberstabsarzt Sichling, einem Freunde ihres
verstorbenen Vaters gemacht. Glücklicherweise traf sie den alten
freundlichen Mann zu Hause, der sich auch sogleich bereit zeigte,
ihr zu folgen, obgleich Anna nicht im Stande war, ihm zu
sagen, welcher Krankheitsfall eigentlich vorliege. Es war nur
ein richtiges Gefühl, das ihr sagte, das Erscheinen eines Arztes
sei dringend nothwendig, — was dem Profeffor zugestoßcn sei,
wußte sie nicht und konnte es auch nicht wissen.
Der Advokat und seine Leute hatten indessen diesen in
sein Zimmer getragen, und auf das Bett gelegt. Delius war
vor Schmerzen ohnmächtig geworden und erst nach einigen
Minuten gelang cs den vereinten Bemühungen der Männer,
ihn wieder zum Bewußtsein zu bringen.
„Mein linkes Bein ist gebrochen," sagte er mit kraftloser
Stimme, „ich fühle cs. Schicken Sie doch meinen Diener um
einen Arzt."
Der Kanzleidicner eilte, den Auftrag zu erfüllen. Er hatte
sich kaum entfernt, als der Oberstabsarzt Sichling in das Zimmer
und an das Bett des Profeffors trat. „Fräulein Stein," sagte
er, „hat mir aufgctragen, hier zu erscheinen und "
„Fräulein Stein?" fragte der selbst jetzt noch unverbesser-
liche Delius, indem er die Stirn runzelte; „hatte ich nicht ge-
sagt, mein Diener solle den Arzt bitten, zu mir zu kommen?"
„Danken Sic dem Fräulein Stein, daß es mich so schnell
veranlaßt hat, hierher zu kommen," sagte der Arzt in sehr
ernsten, Tone. „Danken Sic cs der Tochter meines verstorbenen
Freundes, wiederhole ich, denn nach wenigen Minuten wäre cs
vielleicht zu spät gewesen. Wenn Ihnen, was ich zuversichtlich
hoffe, Ihr Bein gesund erhalten bleibt, so verdanken Sie das
lediglich dem Fräulein Anna Stein."
Delius merkte die Zurechtweisung. Er biß sich in die
Lippen und schwieg.
Der Arzt machte jetzt seine Vorbereitungen, um das ge-
brochene Bein einzurichten und den Gypsvcrband um dasselbe
zu legen. Es war das für den Professor eine schwere Stunde
voll bitterer Schmerzen. Aber fast noch mehr, als der Kranke,
litt die gute mitleidige Anna. Athemlos vor Angst war sic
mitten in ihr Zimmer getreten und lauschte auf jeden Ton, der
in der Wohnung des Professors hörbar wurde. Sic fuhr er-
schreckt zusammen, wenn sie die Stimme des Arztes vernahm;
als jedoch plötzlich ein kurzes, aber lautes Stöhnen an ihr Ohr
schlug, da konnte sie nicht länger an sich halten, sondern, ihr
Gesicht niit den Händen verhüllend, eilte sic in ihr Schlafzimmer,
brach in lautes Weinen aus, kniete auf den Boden nieder und
bat den lieben Gott, er möge sie doch einen Thcil der Schmerzen
des Kranken tragen lassen.
" _ (Fortsetzung folgt.)
Der zukünftige National-Oekonom.
Schreiblehrer: „Aber schreiben Sie doch weiter aus-
einander!" — Schüler: „Glauben Sic, ich bekomm' das
Papier geschenkt!?"
Logik.
4#
Polizeidiencr (einem Herr» nachrufend): „Sic sind in
der Strafe; Sie dürfen Ihren" Hund nicht auf den Wochen-
markt mitnehmen!" — Herr: „Der Hund gehört ja nicht mir!"
— Polizeidiencr: „Er lauft Ihnen aber doch nach!" —
Herr: „Sie laufen mir ja auch nach und gehöre» nicht mir!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Logik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Hundebesitzer <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1581, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg