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Einst halt' ein hoher Grafe ein stolzes Töchterlcin;
Die schönste Maid im Lande, die mochte sie wohl sein.
Doch wie sie auch erblühte in holder Lieblichkeit:
Es wollt' ihr Herz nie fühlen der Liebe Lust und Leid.
Sic haßte alle Männer und sie vermaß sich hoch:
„Nie beug' ich meinen Nacken in eines Mannes Joch!"
„Ist ja auch nicht vonnöthcn!" sprach mild der Schloßkaplan;
„Es führt doch in den Ehen die Frau den Tanz meist an!"
„Und wie ich Keinen möchte, dem stumm ich dienen müßt'.
Mag ich auch keine Memme, die den Pantoffel küßt!
Nein, immer will ich bleiben ein freies Jungfräulcin,
Mein Leib soll nie umfangen, mein Mund geküßt nie sein!"
Da kam ein Edclknappe zum Grafen auf das Schloß, —
Ward ihm bei Jagd und Fehde ein treulicher Genoß.
Er war ein frischer Junge mit frühlingsheitrcm Muth —
Im Schlöffe ward bald Jeder dem holden Knaben gut.
Nur ob des Grafen Tochter auch hold gesinnt ihm war.
Das wollt' dem schärfftcn Auge nie werden offenbar.
Es schien, als ob für ihn sic nur kalten Glcichmuth Hab',
Und kalten Glcichmuth zeigt' auch dem Mägdelein der Knab'.
Einst wollte sie besuchen ein fernes Mühmelein;
Es sollte auf der Reise der Knab' ihr Hüter sein.
Da hemmt' im tiefen Walde ein Waffcr ihren Weg;
Sic mußten da hinüber und fanden keinen Steg.
Da hob' er sie vom Boden wie eine Feder leicht
Und trug sic durch das Waffer — cs war nur klein und seicht —
Ihr holdes Köpfchen ruhte an seiner breiten Bnist;
Da sah er ihr in's Auge in licbctrunkncr Lust.
Da küßten sich der Träger und seine süße Last;
Nach jedem kurzen Schritte gab's eine holde Rast.
So lange währl' dies Tragen mit Licbesrast und Kuß,
Als wär' das kleine Wasser ein mcilcnbreitcr Fluß.
Max Booch-Arkossy.
Baurrnwitz.
Der Löwenbändiger Mancini hatte schon seit vier Wochen
Vorstellungen gegeben, großen Beifall geerntet und immer eine gute
Einnahme gehabt. Sein Cirkns verlor aber jetzt allmählich die
Zugkraft, die Einnahme wurde täglich geringer und Mancini
sah sich veranlaßt, dem Publikum anzuzeigen, daß er', „um
anderweitig, übernommenen Verpflichtungen zu genügen, nur noch
fünf Vorstellungen geben würde"; hicmit gleichzeitig erließ er
folgende Bekanntmachung:
„300 Mark Prämie Demjenigen, welcher in den Löwcn-
käfig geht. Die Auszahlung erfolgt vor versammeltem
Publikum, sobald der Betreffende den Käfig verlassen hat."
Das Plakat, welches die letzte Vorstellung ankündigtc,
enthielt folgende Bekanntmachung:
„Der Bauer Strictzcl aus Hcimgrund hat sich bereit
erklärt, in den Löwcnkäfig zu gehen, und somit die aus-
gesetzte Prämie von 300 Mark zu verdienen. Die Produktion
erfolgt am Schluß der heutigen Vorstellung."
Natürlich hatte sich eine ungeheure Menschenmenge cingc- ,
funden, um den kühnen Bauer zu sehen. Mancini hatte den !
Wandlung.
Und ob dem stolzen Mägdlein dies Tragen wohl bchagt?
Ob sie dem kühnen Knaben nicht harte Worte sagt?
O nein, sie schlingt sich fester um ihn und lispelt fein:
„Ach geh' doch nicht so schnelle Du lieber Knabe mein
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Einst halt' ein hoher Grafe ein stolzes Töchterlcin;
Die schönste Maid im Lande, die mochte sie wohl sein.
Doch wie sie auch erblühte in holder Lieblichkeit:
Es wollt' ihr Herz nie fühlen der Liebe Lust und Leid.
Sic haßte alle Männer und sie vermaß sich hoch:
„Nie beug' ich meinen Nacken in eines Mannes Joch!"
„Ist ja auch nicht vonnöthcn!" sprach mild der Schloßkaplan;
„Es führt doch in den Ehen die Frau den Tanz meist an!"
„Und wie ich Keinen möchte, dem stumm ich dienen müßt'.
Mag ich auch keine Memme, die den Pantoffel küßt!
Nein, immer will ich bleiben ein freies Jungfräulcin,
Mein Leib soll nie umfangen, mein Mund geküßt nie sein!"
Da kam ein Edclknappe zum Grafen auf das Schloß, —
Ward ihm bei Jagd und Fehde ein treulicher Genoß.
Er war ein frischer Junge mit frühlingsheitrcm Muth —
Im Schlöffe ward bald Jeder dem holden Knaben gut.
Nur ob des Grafen Tochter auch hold gesinnt ihm war.
Das wollt' dem schärfftcn Auge nie werden offenbar.
Es schien, als ob für ihn sic nur kalten Glcichmuth Hab',
Und kalten Glcichmuth zeigt' auch dem Mägdelein der Knab'.
Einst wollte sie besuchen ein fernes Mühmelein;
Es sollte auf der Reise der Knab' ihr Hüter sein.
Da hemmt' im tiefen Walde ein Waffcr ihren Weg;
Sic mußten da hinüber und fanden keinen Steg.
Da hob' er sie vom Boden wie eine Feder leicht
Und trug sic durch das Waffer — cs war nur klein und seicht —
Ihr holdes Köpfchen ruhte an seiner breiten Bnist;
Da sah er ihr in's Auge in licbctrunkncr Lust.
Da küßten sich der Träger und seine süße Last;
Nach jedem kurzen Schritte gab's eine holde Rast.
So lange währl' dies Tragen mit Licbesrast und Kuß,
Als wär' das kleine Wasser ein mcilcnbreitcr Fluß.
Max Booch-Arkossy.
Baurrnwitz.
Der Löwenbändiger Mancini hatte schon seit vier Wochen
Vorstellungen gegeben, großen Beifall geerntet und immer eine gute
Einnahme gehabt. Sein Cirkns verlor aber jetzt allmählich die
Zugkraft, die Einnahme wurde täglich geringer und Mancini
sah sich veranlaßt, dem Publikum anzuzeigen, daß er', „um
anderweitig, übernommenen Verpflichtungen zu genügen, nur noch
fünf Vorstellungen geben würde"; hicmit gleichzeitig erließ er
folgende Bekanntmachung:
„300 Mark Prämie Demjenigen, welcher in den Löwcn-
käfig geht. Die Auszahlung erfolgt vor versammeltem
Publikum, sobald der Betreffende den Käfig verlassen hat."
Das Plakat, welches die letzte Vorstellung ankündigtc,
enthielt folgende Bekanntmachung:
„Der Bauer Strictzcl aus Hcimgrund hat sich bereit
erklärt, in den Löwcnkäfig zu gehen, und somit die aus-
gesetzte Prämie von 300 Mark zu verdienen. Die Produktion
erfolgt am Schluß der heutigen Vorstellung."
Natürlich hatte sich eine ungeheure Menschenmenge cingc- ,
funden, um den kühnen Bauer zu sehen. Mancini hatte den !
Wandlung.
Und ob dem stolzen Mägdlein dies Tragen wohl bchagt?
Ob sie dem kühnen Knaben nicht harte Worte sagt?
O nein, sie schlingt sich fester um ihn und lispelt fein:
„Ach geh' doch nicht so schnelle Du lieber Knabe mein
i"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wandlung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 63.1875, Nr. 1581, S. 149
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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg