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Schöne Ermahnung.

„Was stcht Ihr hier müßig herum, Leute? Könnt Ihr nicht in's Wirthsh ans geh'n!

K

E n t t ä

Es war an einem
Sonntag und es reg-
nete; cs regnete stark,
so wie cs eben ge-
wöhnlich regnet in der
Nähe eines Handels-
hafens und am ersten
Tage der Woche. Am
Hafen war eine kleine
Kirche, welche jeweils
am Sonntag Morgen
die brittische Flagge
anfsteckte, um anzu-
zeigen, daß der
Gottesdienst in erster
Linie für Seeleute und
Matrosen gehalten
werde. Es hatte sich
nun der Geistliche,
der an dem Morgen,
von dem ivir erzählen,
den Dienst in der

lrche verrichtete, verspätet, da cs ihm erst nach langem Warten
^ang, ^nc Droschke auszutreiben. Die Nachfrage nach
,'csc»r Fuhrwerk ist, wie überall bei regnerischem Wetter,
auch in jenem Orte, eine große. Er kam aber doch noch
wenige Minuten vor 11 Uhr an, und indem er dem Kutscher
^"ell znricf, ihn nach beendigtem Gottesdienst zu erwarten,
bttrat er die Kirche, um — sich dortsclbst allein einzufinden,
wahrscheinlich lieben cs seefahrende Leute ebensowenig, bei nassem

uschung.

Wetter die Kirche zu besuchen, als die Sünder vom Fcstlande;
>vie dem auch sei, kein Platz war besetzt. — Der Geistliche,
ein eifriger Mann, beschloß, eine Viertelstunde zu warten, bis
vielleicht doch etliches gottcsfürchtigc Auditoriuin sich cinfinden
möge. Und wirklich, seine Geduld wurde belohnt, denn nach
Verlauf einiger Minuten kam ein stark durchnäßter Mann
herein und setzte sich zaghaft auf eine der Hinteren Bänke. Auch
er schien nur gekommen zu sein, um vor dem nassen Wetter
eine Zuflucht zu finden, da alle Wirthshäuser oder sonstige
Untcrschlnpfe (wie in ganz England) geschlossen waren. Nun
war unser geistlicher Herr nicht allein ein -eifriger, sondern auch
ein gewissenhafter Mann und er beschloß, ivcnn auch nur vor
einem Zuhörer, zu dessen Nutz-und Frommen, seinen Dienst
bis zum Ende zu vollziehen. Er machte sich sofort daran, las
die Liturgie ab, lvandte sich dann, wahrscheinlich veranlaßt durch
die Andacht desselben, an seinen Zuhörer, bemerkend, daß er,
da das ungünstige Wetter die gewöhnlichen Besucher von der
Kirche äbgchaltcn, von seiner Predigt für heute abstchen und
sich nur mit einigen allgemeinen Worten begnügen wolle. Sein
Zuhörer dagegen bat ihn, cs nicht dabei bewenden zu lassen und
bekundete eine große Lust, die Predigt zu hören. Die Wißbcgierde
des gewöhnlichen Mannes gefiel dein Pfarrer und auch eincs-
theils geschmeichelt durch dessen Worte, erfüllte er den Wunsch.
Geziemend wählte er sich seinen Text ans, erläuterte ihn:
erstens, zweitens, drittens, viertens, und endlich beschloß er ihn
„mit noch einigen Worten mehr." Aufmerksam hatte der Zu-
hörer gelauscht; als Alles fertig war, da stieg der Priester herab
von der Kanzel und drlickte jenem die Hand, warm dankend
für seine Aufmerksamkeit. Wie sehr aber ward die Wärme
seines Dankgcfühles abgekühlt, als er entdeckte, daß der ans-
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schöne Ermahnung" "Enttäuschung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1882
Entstehungsdatum (normiert)
1877 - 1887
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 76.1882, Nr. 1911, S. 87

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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