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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 6.1905-1906

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Elsässische Kleinkunst vergangener Jahrhunderte
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https://doi.org/10.11588/diglit.6481#0144
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elsässiscöe kleinkunst

Vergangener jaHrHuNperTe

d ie Werke der Kleinkunst sind mit Vorliebe Gegen-
stände der Sammlerleidenschaft. Daß sich in diesen
Schöpfungen, die so recht Kinder der wechselnden Mode
sind, oft grosse Meister aussprechen, ist mehr den
Sammlern als den übrigen Kunstfreunden bekannt.
Die einzelnen Länder und Provinzen besitzen gerade
auf diesem beweglichen Gebiete ihre Spezialitäten,
— Taschleswaar sagt Goudstikker von Amsterdam —
die mit Eifer von den Kennern gesucht werden.

Elsaß wird mit Recht in vorderster Linie genannt,
wenn es sich um jene Länder handelt, die von altersher
solche Kunstspezialitäten in die Welt sandten. Wem es
gelang, z. B. in die Geheimnisse des Grünen Gewölbes
in Dresden tiefer einzudringen, weiß, wie groß dort der Reichtum an elsässischen
Kleinkunstarbeiten ist, von denen man selbst im Elsaß wenig ahnt weil — abgesehen
von der Seltenheit der Gegenstände an den Orten ihrer Entstehung — die Geschichte
der Kleinkünste eben noch im Argen liegt.

Ganz besonders — diese Zeitschrift hat schon oft genug darauf hingewiesen
—■ ist ein jetzt viel beachteter Zweig deutscher Kunsttätigkeit, das Zinngerät, im
Elsaß mit Verständnis gepflegt worden. Die Frage Briot-Enderlein, um deren
Lösung sich Hans Demiani, Julius Lessing und Otto von Falke redlich bemüht haben,
bildet gewissermaßen ein Kapitel in der Geschichte der elsässischen Kleinkunst.
Was ganz besonders aus den Ergebnissen der erwähnten Forschungen heraus
bemerkenswert erscheint, ist die Tatsache, daß Medaillen Württembergischer Herzöge
mit dem Namen Francois Briots, mit F. B., bezeichnet sind. Die Württembergisch-
Mömbelgardische Münzstätte befand sich in Reichenweiher. An ihr waren offenbar
auch geschickte Gehülfen beschäftigt. Es ergibt sich daraus folgendes: der Schöpfer
der Temperantia-Schüssel, Francois Briot, war in Montbeliard (Mömpelgard) und
Reichenweiher als württembergischer Hofgraveur tätig und fertigte eine Anzahl
von Porträtmedaillen der Herzöge Friedrich und Johann Friedrich. Sein Neffe
Nicolas Briot, etwa i58o geboren, der später so berühmt gewordene Münzgraveur
und Medaillenschneider, war einer jener Gehülfen, die der alte Briot in Reichen-
weiher beschäftigte.

Briot, der höchst wahrscheinlich im Auftrag Friedrichs von Württemberg-
Mömpelgard die Temperantia-Platte nebst Kanne ausführte, war damit der Begründer
der künstlerischen Pflege des Zinngeräts geworden. Seine Gußformen wurden
mehrfach an Zinngießer in Straßburg verliehen; besonders nach seinem Tode
gelangten sie in größerer Anzahl dorthin.

Aber auch noch andere Beziehungen ergeben sich aus der Wirksamkeit Briots
in Reichenweiher. Einer der dort beschäftigten Gehülfen war Franz Guichard,
 
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