Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 75.1925

DOI Artikel:
N. Z.: Die Münchener Dekorative Malerei und Anton Kiesgen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7092#0006
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ANTON KIESGEN-MÜNCHEN
DEKORATIVES MOTIV: SPEISEZIMMER, FILMKLUB

DIE MÜNCHENER DEKORATIVE MALEREI UND

ANTON KIESGEN.

Wennschon das Kunstgewerbe eine Zwitterstellung
zwischen Kunst und Gewerbe einnimmt, und in seinen
Lebensbedingungen von beiden abhängt, so ist die
Lage der dekorativen Malerei zwischen Kunstgewerbe
und freier Kunst eine ähnliche. An die dekorative
Bildmalerei anknüpfend ist sie nebst der kunstgewerb-
liehen Plastik der hohen Kunst von allen Zweigen
des Kunstgewerbes am engsten verwandt, sie steht
gleicher Weise mit der Baukunst in reger Wechsel«
beziehung und wird deshalb in ihrer Entwicklung aus
diesen drei sich zuweilen überkreuzenden Richtungen
beeinflußt. Obgleich es so scheinen will, als wenn die
dekorative Malerei neben den übrigen freien und an-
gewandten Künsten ihren eigenen Weg ginge, ist
daran nur die wechselnde Stärke der verschiedenen
Einflüsse schuld. Es ist aber nicht nur eine Frage der
Stilentwicklung, in wie weit der Architekt von der
dekorativen Malerei Gebrauch macht, sondern dafür
sind nicht minder die Leistungen der Malerei maß«
gebend. So läßt sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte
nachweisen, daß verschiedentlich aus den Reihen der
Maler heraus der Antrieb für die architektonische
Anwendung der dekorativen Malerei gekommen und
sich in weiterem Rahmen Geltung verschafft hat. Manche
werden sich noch der Kuppelbemalung in der Aus«
Stellung 1888 erinnern, mit der Seitz nach langer Zeit
wieder eine architektonische Verwendung der Malerei
vorführte. Diese Anregung kann geradezu als Aus-
gangspunkt einer Wiederbelebung der architektoni«

sehen Wandmalerei bezeichnet werden, dazu kam es
aber vor allem deshalb, weil damals eine Reihe tüch»
tiger Meister vorhanden war, die mit weittragendem
Wirken die dekorative Malerei rasch wieder zu Ehren
brachte. Wir nennen hier vor allem Nager, auch
Lentner, Gebhardt, Wahler, bald trat Julius Moessel
bahnbrechend hervor und Julius Diez als geistiger
Führer unserer heutigen dekorativen Malerei. Man
kann wohl sagen, daß mit diesen Münchener Meistern
eine neue Art der Malerei entstanden ist und überall
Aufnahme fand. Äußere Förderung mag die Aus«
breitung im Anfang dadurch gefunden haben, daß um
die gleiche Zeit die Münchener Brauindustrie in allen
Städten des In« und Auslandes ihre Bierpaläste ent«
stehen ließ und sich nicht scheute, mit heimischem Ge«
präge sich draußen zu zeigen. Damit fand die Mün«
ebener Art der Raumausmalung erstmals allenthalben
Eingang. In kurzer Zeit fand man aber in allen größeren
Städten Münchener Wandmalereien auch in den ver«
schiedensten anderen Verwendungen in Kirchen, Rat«
häusern, Prunkräumen und unsere Maler aus dieser
Zeit sind alle weitgereiste Leute geworden. Es zeigte
sich auch bald ein unverkennbarer Einfluß der Mün-
ebener Schule auf die Wiederbelebung der dekorativen
Malerei in anderen Städten.

Ein zweites Mal ist von München eine ähnliche
Bewegung ausgegangen, als wieder die Gefahr be«
stand, daß die Architektur über anderen Ausdrucks«
mittein die dekorative Malerei zurücksetzte. Das war

4
 
Annotationen