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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Seliger, Max: Die praktische Betätigung der Lehrer: der Zusammenhang der technischen und kunsttechnischen Schulen und die Einrichtung von Meister- bezw. Lehrwerkstätten an Kunstgewerbe- und Fachschulen, (Rede des Referenten Direktor Professor M. Seliger auf dem Delegiertentage des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine zu Braunschweig, 20. März 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0212

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DIE PRAKTISCHE BETÄTIGUNG DER LEHRER,

DER ZUSAMMENHANG DER TECHNISCHEN UND KUNSTTECHNISCHEN
SCHULEN UND DIE EINRICHTUNG VON MEISTER- BEZW. LEHRWERK-
STÄTTEN AN KUNSTGEWERBE- UND FACHSCHULEN

(Rede des Referenten Direktor Professor M. Seliger auf dem Delegiertentage des Verbandes deutscher Kunst-
gewerbevereine zu Braunschweig, 20. März 1904.)

DER folgende Vortrag war lediglich für die
delegierten Fachleute in Braunschweig gedacht.
Aus Mangel an Zeit konnte der Verfasser ihn
nicht für breitere Kreise umarbeiten. Er bittet des-
halb ihn mit Beachtung des erwähnten Verhältnisses
zu lesen und besonders zu begreifen, daß es sich um
einen Kampf gegen die herrschende Lehrmethode
zur Verbesserung derselben handelt. Daher verstand
es sich von selbst, daß er die Momente zusammen-
stellte, die geeignet sind, die schwache Seite dieser
Methode zu beleuchten. Er weiß sehr wohl, daß
wir vorwärts gekommen sind, und daß von einzelnen
sogar Hervorragendes geleistet wurde, trotzdem kann
er nicht ablassen, für die Abstellung der Mängel und
Gefahren zu kämpfen, die er in den jetzigen Arbeits-
sit'en von Schule und Praxis beobachtet zu haben
glaubt. Vor allem ist er der Meinung, daß wir in
den Gebieten, die ihrem Wesen nach in erster Linie
technisch-praktische Tätigkeit bedeuten, mehr von
unten, mehr auf technischen Boden aufbauen müssen.
Ebenso müssen wir für diese auch den Unterricht
praktischer gestalten, weil hier jetzt zu theoretische
Kathedererziehung gegeben und daher nur halber
Einfluß gewonnen wurde.

Nächstdem ist er des Glaubens, daß wir weniger,
aber bessere Schulen haben könnten, wenn diese
mehr zueinander eingestellt und richtig in ihr natür-

Kunstgewerbeblatt. N. F. XV. H. II

liches Verwandtschaftsverhältnis gebracht wären. Dabei
erscheint ihm das jetzige Lehrsystem und das herr-
schende Ideal ungeeignet zu sein, persönlichen und
nationaldeutschen Charakter in unserer Arbeit und
Kunstarbeit auszuprägen, sondern eher ihn zu ver-
wischen. Auch glaubt der Verfasser zu erkennen,
daß traditionell zu sehr diejenigen Gebiete gehegt
werden, die den Kulturluxus und ihr letztes Ende
bedeuten, daß aber dort, wo Kulturgeist zuerst ein-
setzen sollte, bei dem den breiten Volksschichten ge-
hörenden Massenwerk, mehr Fürsorge, mehr ästhetische
Kraft und Liebe sein sollte. Unser Schönheitsideal in
der angewandten Kunst und Architektur ist erneuerungs-
bedürftig. Der festgewurzelte Irrtum muß überwunden
und besonders durch die Schulen bekämpft werden,
daß Kunst und Schönheit nur da sei, wo Reichtum,
Schmuck oder Überfluß gemacht ist, daß Kunst und
Schönheit aber nicht dort vorhanden sein könne, wo
»nichts dran« ist, wo der Zweck auf kurzem Wege,
durch die logische Konstruktion wohlfeil erreicht ist,
wo diese beinahe mathematisch allein auftritt oder
in den Vordergrund tritt. Es gibt auch schöne
Naturgebilde: Blumen, Tiere und andere, die nicht
kompliziert geformt oder reich gefärbt sind. Es gibt
auch schöne Skelette, schöne Konstruktionsformen.
Diese streng sachliche Schönheit, die in den besten
modernen Maschinen verkörpert ist und sich durch-

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