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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Pralle, Heinrich: Kunstvolle Lederarbeiten verschiedener Völkerrassen
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0125

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KUNSTVOLLE LEDERARBEITEN VERSCHIEDENER VÖLKERRASSEN

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zählen uns von einem gewissen Grade ornamentalen
Selbstschaffens. Würde man unseren modernen Damen
einen Paletot in vorstehender Weise besetzen, die
würden jedenfalls davon entzückt sein. Ich bewundere
den Fleiß und die zum Ausschneiden und Aufnähen
erforderliche Ausdauer.

Da sind Gürtel, Jagdtaschen, Pfeilköcher mit Perlen
besetzt und bemaltem Bast überflochten. An den
Taschen sind vielfach den Lederfransen kleine Metall-
hülsen am oberen Ende als Schmuck beigefügt.

Von den Tlinkit-Indianern (Alaska) sind die
schönsten Lederarbeiten vorhanden, Stiefel mit bunt-
farbigem Lederbesatz und Riemenflechtungen, Leder-
panzer aus doppeltem Büffelleder angefertigt, sowie
künstlerisch geschmückte Mokassins aus Renntierleder
mit Sehnenfäden genäht. Ganze Lederbekleidungen
mit Pelz und farbigen Ledersorten malerisch besetzt.
Ja, ich muß gestehen, in unmittelbarer Nähe und
Umgebung dieser Indianerkünste fühle ich fast eine
wohltuende Ruhe, fern von unserem modernen,
nervös hastenden Kunstleben. In welchen bunten
Bildern und Phantasien ergehen sich hier meine Ge-
danken. Es wirft sich bei mir die Frage auf, existiert
unter jenen Naturvölkern wohl derselbe Neid und
Mißgunst wie unter den von Kultur triefenden
zivilisierten Völkern Europas? —

Nun komme ich zu den Mexikanern. Es wird
den meisten Lesern wohl
bekannt sein, daß der
durch die Mauren in den
frühestenZeitenvomOrient
nach Spanien und Portugal
überführte Lederschnitt
von letztgenannten Ländern
nach den amerikanischen
Kolonien gebracht wurde.
Die Technik hat sich hier
sehr verbreitet und zu
hoher Blüte entfaltet. Es
wurden Scheiden für Waf-
fen, Zaumzeug und Sättel

FRAU LUISE MATZ,
LÜBECK

für Pferde reich mit Lederschnitt verziert. Mit dieser
Kunst sind speziell die Mexikaner bis auf den heutigen
Tag vertraut gewesen und leisten Großartiges darin.
Es werden in Amerika alle derartig verzierte Leder
mit »Mexikanisches Leder< bezeichnet. Auch solch
einen wundervollen Sattel habe ich zu Gesicht be-
kommen. Dieser war aus starkem braunen Leder
angefertigt. Die Ränder der Satteldecke sind nach
innen groß rund ausgeschnitten, mit geschnittenen
Borden und getriebenem Blattwerk reich verziert;
dazwischen liegen abwechselnd große Rosetten aus
doppelten Lederlagen, in der Mitte durch einen
großen Knopf aus Gelbmetall befestigt. Die nach
dem Gebiß führenden Zügel sind rund geflochtene
Lederriemen von selten gesehener Schönheit. Und
dann erst die imposanten, von breiten Riemen ge-
haltenen Steigbügel mit ihrem phantastischen taschen-
artigen Fuß- und Beinschutz aus Leder, auf letzterem
ist eine reiche Borde aus Linienornament geschnitten
und flach modelliert. Über dem Sattelsitz lag ein
schwarzes langhaariges Büffelfell. Ein zweiter Sattel
war aus weißem gegerbten Leder und mit grellen
Farben bunt bemalt. Beim Anblick solch schöner,
mit allem Fleiß und Kunstfertigkeit hergestellten
Arbeiten muß uns das Gewissen schlagen. Aus dem
Material schaut die unverfälschte Ehrlichkeit. Jeder
Knopf und jede Naht erzählt uns, wie dauerhaft sie

genäht, resp. befestigt sind.
Diese Gegenstände ent-
behren allen auf Täuschung
berechneten Flitter; wie
sie aussehen, so sind sie.
Vergleiche solche herrliche
Volkskünste mit unserem
modernen Dilettantismus,
dann, lieber Leser, hast
du den Maßstab für das
künstlerische Nichtkönnen
unserer modernen, nervös-
kranken Generation.

Hamburg, 1903.

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