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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

DOI Artikel:
Brinckmann, Justus: Die Sammlung Gillot in Paris
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0077

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DIE SAMMLUNG GILLOT IN PARIS

ERZEUGNISSE des japanischen Kunstgewerbes
sind seit drei Jahrhunderten im Abendland ge-
schätzt und gesammelt worden. Zu Ende des
17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
behaupteten jene Porzellane den Vorrang, die in der
Provinz Hizen auf Bestellung der holländischen Kauf-
leute hergestellt wurden und heute noch in manchen
fürstlichen Sammlungen, allen voran in der Königlich
Sächsischen, sich in prangender Fülle uns darbieten.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wandte
sich der Sammeleifer auch den
Goldlacken zu, wie solche
aus dem Besitz Marie An-
toinettens ehemals im Musee
des souverains des Louvre,
heute nach dessen Auflösung
in den mit den Möbeln,
Gobelins und Porzellanen
des Garde meuble ausge-
statteten Sälen des Louvre zu
sehen sind. Nur allmählich
gelangten in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts auch
Kunstwerke anderer Gebiete,
Bronzen und Farbendrucke
in die europäischen Samm-
lungen, so aus Siebolds Be-
sitz in das ethnographische
Reichsmuseum zu Leiden.
Alles in allem aber waren
das bis um die Mitte des
19. Jahrhunderts nur sehr
dürftige Zeugen der wunder-
samen Kunstentfaltung Ja-
pans, die wir heute in ihrem
fast ein Jahrtausend durch-
laufenden Entwickeiungsgang
zu überschauen vermögen.
Auf der ersten Londoner
Weltausstellung im Jahre
1851 fehlte Japan noch völlig.
Obwohl es bald danach

Handelsverträge mit den Vereinigten Staaten, England
und Rußland und 1861 auch mit Preußen abgeschlossen
hatte, blieb Japan den folgenden Weltausstellungen
noch fern. In London 1862 war es nur durch eine
kleine, vom englischen Gesandten in Japan ausgestellte
Sammlung vertreten, die aber genügte, um Lothar
Bucher zu den leider in Deutschland nicht beachteten
Worten hoher Anerkennung in seinen Weltausstellungs-
briefen anzuregen. Erst auf den folgenden Welt-
ausstellungen trat Japan selbständig hervor. Die
Pariser Ausstellung von 1867 scheint schon von
Japanern benutzt worden zu sein, kostbare alte Kunst-
sachen zu Gelde zu machen im Hinblick auf die
in der Heimat sich vorbereitende politische Umwälzung.

MASKE EINES NO-TÄNZERS, VOM OUWA
GENANNTEN TYPUS, DER DAS SCHMERZ-
ERFÜLLTE ANTLITZ EINER ALTEN FRAU
DARSTELLT. WERK DES DEME HANZO,
MITTE DES 18. JAHRHUNDERTS

Als diese im folgenden Jahr mit dem Sturz der
Shogunenherrschaft und der Wiedereinsetzung des
Kaisers in seine uralten Machtbefugnisse sich vollzogen
hatte, suchte Japan durch seine Beteiligung an der
Wiener Weltausstellung des Jahres 1873 weniger
unter Vorführung eines alten Kunstbesitzes seine hohe
alte Kultur zu bezeugen, als zu beweisen, wie es den
Ansprüchen des abendländischen Handels durch markt-
gängige Ware gewachsen sei. Von dem, was damals
von Erzeugnissen Japans in die deutschen Museen

gelangte, werden heute, nach-
dem wir die Spreu vom
Weizen zu sondern gelernt
haben, wohl nur wenige An-
denken in den öffentlichen
Sammlungen noch sich dar-
bieten. Auf den folgenden
Weltausstellungen trat Japan
mehr und mehr in den Vor-
dergrund, um endlich in
Paris 1900 die Welt durch
jene herrliche Schaustellung
alter, aus Tempelschätzen
und kaiserlichen Palästen bei-
gesteuerter Kunstsachen zu
überraschen. Was bis dahin
die Eingeweihten im glück-
lichen Besitze einzelner alter
Skulpturen, Bilder und Lacke
geahnt hatten, wurde hier
offenbar: daß auch Japan zu
Zeiten der Kunstblüte des
europäischen Mittelalters eine
hohe Kunst besessen hatte,
deren bedeutende Erstlinge
vielleicht in Jahrhunderte
zurückreichen, in denen
unsere Kunst sich kaum aus
der Barbarei des Überganges
von der antiken zur christ-
lichen Kunst losgerungen
hatte.
Der politischen Umwälzung in Japan war eine
soziale Umgestaltung gefolgt. Mit dieser verknüpfte
sich eine überstürzte Aneignung der Tracht, des Haus-
rates und der Lebensformen der Europäer, wovon
eine zeitweilige Geringschätzung der Werke Altjapans
unzertrennlich war. Hielt diese Strömung zum Glücke
für das Land auch nicht lange an, so hatte sie doch
zunächst die Folge, daß Mengen von Erzeugnissen
des alten Kunstgewerbes auf den Markt geworfen
und von europäischen Aufkäufern entführt wurden.
Das geschah in den siebziger und achtziger Jahren,
als unser Kunstverständnis im allgemeinen noch nicht
entwickelt genug war, um diese nie wiederkehrende
Gelegenheit zum Sammeln richtig auszunutzen. Die


 
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