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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Bathe, Johannes: Leben und Bühne in der dramatischen Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0291

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XII.

Leben und Bühne in der dramatischen
Dichtung1).

Von
Johannes Bathe.

Geschichtliche Betrachtung zeigt, daß sich die beiden ursprünglich
so verschiedenen Formen der dramatischen Kunst in extremer Ein-
seitigkeit haben entwickeln können: hier entsteht die Pantomime, dort
das sogenannte Lesedrama. Ihre Einseitigkeit ist für das Zustande-
kommen eines dramatischen Kunstwerks kein Hinderungsgrund, denn
das Dramatische ist seinem Wesen nach gegeben, wenn aus dem
Gegensatze zweier Personen oder Personengruppen Entschlüsse her-
vorgehen und diese zu Handlungen fortschreiten, und von einem
Drama kann man im weiteren Sinne sprechen, wenn es sich in dem
bezeichneten Falle um ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Kunst-
werk handelt. Allein sobald ein wirkliches dramatisches Werk zu-
stande kommt, erkennt man doch leicht, daß jene völlige Einseitigkeit
nur scheinbar ist. Wenn auch die Pantomime der gesprochenen Rede
entbehrt, so ersetzt das eben die Gebärdensprache bis zu einem nicht
geringen Grade2), und auch die Dramen, die nicht für die Aufführung,
sondern nur für die Lektüre bestimmt sind, beweisen doch durchweg
durch den einen oder andern Zug, daß sich der Verfasser der Vor-
stellung der Bühne nicht ganz entschlagen kann, wenngleich das
gerade in diesem Falle an sich möglich wäre. Schon allein die Be-
grenzung des Umfanges zeigt eine Anlehnung an die Erfordernisse
der Bühne.

Nun sind aber überhaupt diese beiden Arten der Kunstübung nicht

J) Der nachstehende Aufsatz behandelt ein von Rudolf Lehmann in seiner
Deutschen Poetik, S. 170 ff., aufgestelltes Problem. Es wird dort zwischen dem
sprachlichen beziehungsweise dem schauspielerischen Elemente des Dramas einer-
seits und lebenswahrer beziehungsweise theatralischer Art der Darstellung ander-
seits ein Zusammenhang vermutet.

2) Wie bis ins einzelne bewußt und wie geordnet z. B. die Römer die Gebärden-
sprache nicht nur zur Unterstützung, sondern auch als Ersatz des gesprochenen
Wortes verwandten, lehrt uns eingehend Quintilian.
 
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