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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Editor]; Schormann, Michael Heinrich [Editor]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Editor]; Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; VGH-Stiftung [Editor]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Editor]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Maybaum, Georg: Bild und Abbild der landschaftlichen Freiräume im Dritten Reich
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0031
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Bild und Abbild der landschaftlichen Freiräume im Dritten Reich

Gewährleistung trassenbegleitenden Grüns sogar der
beidseitige „bauliche Schutzstreifen [...] von 10 m auf
100 m erweitert."51
Bewegen wir uns nach Süden entlang der Strecke
München - Salzburg kommen wir an einer der unzäh-
ligen Stellen des »historischen Spatenstichs« vorbei.
Emst Vollbehr, in zeitgenössischen Darstellungen mit
Käppi und der Armbinde der Organisation Todt unter
dem Malerschirm stehend,52 hat den Bau- und Baum-
zustand kurz vor der ehemaligen Landesgrenze - Ös-
terreich war seit März 1938 an das Deutsche Reich
und seine Autobahnen angeschlossen - mit Blick auf
die Alpen für uns eingefangen (Abb. 8). Bemerkens-
wert wie bei den Fotografien Erna Lendvai-Dircksens
und den meisten seiner übrigen Gemälde: Die Abwe-
senheit der Arbeiter, ein Bild wie nach Feierabend.
Vielleicht machen wir von dort einen kleinen Abstecher
zur Deutschen Alpenstraße, kommen am Mauthäusl
vorbei, denken an das Gemälde von Fritz Bayerlein53
- der Professor mit der Parklandschaft - und spüren
die Erhabenheit - und auch das Bedrohliche? - der
Berge. Beim Weg durch Wald und Park, über Berg und
Tal erreichen wir schließlich den Obersalzberg. Hier in
den Alpen, wo „höchste Gipfelerfahrungen" geboten
werden und „hellste Lichterscheinungen"54 uns im In-
nersten berühren, hatte Hitler seinen Berghof errich-
ten lassen. Den vorgeblich idyllischen Zustand, ein in
die Landschaft behutsam eingepasstes, regionaltypi-
sches Bauwerk, hat Anton Reinbold Ende der 1930er

Jahre im Gemälde auftragsgemäß dargestellt.55 Die
Wirklichkeit am Obersalzberg war mit Führerkult, Hei-
matzerstörung, Enteignung und Vertreibung bekann-
termaßen eine ganz andere.56
Genau hier, im Konglomerat der Bauten des Obersalz-
bergs, wird auf Hitlers zweiter Residenz die Landschaft
zur bloßen, allerdings atemberaubenden Kulisse he-
rabgewürdigt: eine durch das Panoramafenster zu
bestaunende Bergwelt. Seit 2005 untersucht Pia Lan-
zinger mit ihrem Projekt „Verhängnisvolle Rahmen"57
die Blickkonditionierung und Bildproduktion rund um
den Berghof.58
Der Bergfilm
An dieser Stelle, zwischen Kehlsteinhaus und Un-
tersbergmassiv, sei exemplarisch für alle Kunstschaf-
fenden im Dritten Reich ein Blick auf die Geschichte
des Bergfilms und auf die Brüche und Chancen der
Akteure eingeblendet: Ende der 1920er Jahre kom-
men der promovierte Geologe Dr. Arnold Fanck, der
Jagdflieger im Ersten Weltkrieg Ernst Udet, der Süd-
tiroler Architekt Luis Trenker und die »Selbstdarstel-
lerin«59 Leni Riefenstahl in unterschiedlicher Konstel-
lation zusammen, um dem neuen Genre besonderen
Glanz zu verleihen. Um die Bilder von der Landschaft
einzufangen, bedienen sie sich modernster Technik,
und gehen, darin liegt das Revolutionäre, hinaus aus
dem Studio in die freie Natur.60


9 Arnold Fanck: „Die Wolken vom Kulissenmaler, ,Der Berg' von Albert Speer", Werkfoto aus einem Film über geplante
Neubauten in Berlin (Fanck, 2009, wie Anmerkung 59, S. 152).
 
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