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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Hrsg.]; Schormann, Michael Heinrich [Hrsg.]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Hrsg.]; Winghart, Stefan [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; VGH-Stiftung [Hrsg.]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Hrsg.]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Ganzert, Joachim: Die Gymnastik- und Feierhalle in Buchau - Zeugnis eines "printemps du sacre" im 20. Jahrhundert?
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0051
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47

Joachim Ganzert
Die Gymnastik- und Feierhalle in Buchau -
Zeugnis eines ,printemps du sacre' im 20. Jahrhundert?

Es sind einige eher grundsätzliche Überlegungen, die
ich zum Thema dieser Publikation beisteuern will und
die sich im Zusammenhang mit unserer virtuellen Re-
konstruktion der Synagoge in Buchau (in Oberschwa-
ben/Baden-Württemberg) und der mehr oder weniger
gleichzeitigen Beschäftigung mit der dortigen ,Gym-
nastik- und Feierhalle' aus der NS-Zeit ergeben haben.
Wir konnten 2013 eine Art Zwischenbilanz unserer
vor mehr als zehn Jahren begonnenen Arbeiten in ei-
nem kleinen Buch1 vorlegen, weshalb ich auf diese Er-
gebnisse hier auch nur einleitend und sehr kursorisch
eingehen werde.
Mein daraus folgendes Anliegen ist vor allem ein ent-
schiedenes Plädoyer für eine allgemeine Neudimensi-
onierung unseres Wahrnehmungshorizontes im Hin-
blick auf die Auseinandersetzung - allerdings nicht
nur! - mit der NS-Zeit. Unabhängiges Urteilen und so
auch denkmalpflegerisches Bewerten ist ja nur durch
Vergleichen in einem angemessen großen Kontext
möglich. Und dies scheint mir besonders dann ange-
bracht, wenn es sich bei den zu beurteilenden Ver-
hältnissen um Situationen handelte bzw. handelt, die
massiver Kontextreduktion, eindimensionaler Propa-
ganda und brutaler Vereinnahmungspraxis ausgesetzt
waren und zum Teil durchaus auch noch sind.

I.
Südwestlich von Ulm liegt das während der Eiszeiten
entstandene Federsee-Becken, in dessen westlichem
Teil - dort, wo sich das heutige Buchau befindet - eine
ehemalige Insel/Halbinsel bereits in der Steinzeit einen
idealen Siedlungsort darstellte. Und so bot sich auch
bei den im Federseegebiet zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts durchgeführten prähistorischen Grabungen eine
Befundsituation, die in selten so dichter Folge bedeu-
tende vorgeschichtliche Zeugnisse von der Eiszeit bis
zur Eisenzeit belegte.
Die neuere Geschichte Buchaus ist vor allem durch das
Ende des 8. Jahrhunderts gegründete Benediktinerin-
nenkloster geprägt, das 1803 säkularisiert wurde. Die
erstmals im 11. Jahrhundert erwähnte Stadt Buchau
wird 1320 als freie Reichsstadt genannt und ab 1570
entwickelte sich dort eine jüdische Gemeinde, die
dann 1838 ein Drittel der Buchauer Bevölkerung aus-
machte. Durch den Bau einer großen, in mehrerer
Hinsicht außergewöhnlichen Synagoge (Abb. 1,2) war
Buchau zeitweilig Zentrum der Israeliten Oberschwa-
bens und des Allgäus.
Mit dem Kauf des ehemaligen Kloster- bzw. Stiftskom-
plexes (Abb. 3) im Jahre 1937 durch die ,Nationalsozi-

2 Innenraum-Simulation der Synagoge von Buchau für das Jahr 1838. Buchau-Archiv von Prof. Dr. Joachim Ganzert.
 
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