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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Hrsg.]; Schormann, Michael Heinrich [Hrsg.]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Hrsg.]; Winghart, Stefan [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; VGH-Stiftung [Hrsg.]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Hrsg.]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Dreeßen, Wiebke: Die Spielstätte „Stedingsehre" als Gegenstand der Inventarisation und Baudenkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0061
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Wiebke Dreeßen
Die Spielstätte „Stedingsehre" als Gegenstand der Inventarisation
und Baudenkmalpflege

„Sehr geehrte Damen und Herren, da wir für
unsere Versicherung eine verbindliche Auskunft
darüber benötigen, ob die Freilichtbühne Book-
holzberg inklusive des dazugehörigen Spieldorfes
dem Denkmalschutz unterliegt oder nicht, bitten
wir Sie, dieses zu überprüfen und uns darüber
Mitteilung zu machen." Dieses an die Bezirksre-
gierung Weser-Ems in Oldenburg am 31. Januar
1984 gerichtete Schreiben des Berufsförderungs-
werkes Bookholzberg ist der Beginn der inhaltli-
chen und denkmalfachlichen Beschäftigung von
Seiten der niedersächsischen Denkmalpflege mit
einem Ort und „einer monumentalen und my-
thenumrankten NS-Kultstätte".
Anfang 1984 waren die geschichtlichen Zusammen-
hänge und Hintergründe, die aus dieser Anfrage, wie
sie wenige Jahre nach Inkrafttreten des Niedersäch-
sischen Denkmalschutzgesetzes so oder in ähnlicher
Form zahlreich bei den Denkmalbehörden eingingen,
dem Bearbeiter der für die Denkmalausweisung sei-
nerzeit zuständigen Bezirksregierung als Oberer Denk-
malschutzbehörde nicht bekannt, zumal er nicht aus
dem Weser-Ems-Gebiet stammte. Er teilte also zu-
nächst mit, dass er in der ihm zugänglichen Literatur
lediglich in einem Band von 1982 über den Landkreis
Oldenburg knappe Hinweise gefunden habe, die je-
doch keine Ausführungen zu der aufgeworfenen Fra-
ge einer eventuellen Denkmaleigenschaft habe. Unter
Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 3
des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes, wo-
nach Baudenkmale bauliche Anlagen, Teile baulicher
Anlagen und Grünanlagen sind, an deren Erhaltung
wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissen-
schaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öf-
fentliches Interesse besteht, bat er mit Schreiben vom
23.03.1984 um umfassende Unterrichtung über die
Freilichtbühne und das Spieldorf.
Die Antwort des Berufsförderungswerkes vom
02.04.1984 lautete wie folgt: „Wie Sie eindeutig for-
mulieren, unterliegt gegenwärtig die Freilichtbühne
Bookholzberg inklusive des dazugehörigen Spieldor-
fes nicht dem Denkmalschutz. Ihrer Bitte, Ihnen Un-
terlagen zu überlassen, die Tatsachen bzw. Voraus-
setzungen für die Denkmaleigenschaft begründen
können, können wir nicht entsprechen, da wir leider
über keinerlei Unterlagen über diese Anlage verfügen.
Daher wenden Sie sich bitte an das Staatshochbauamt
Oldenburg-Nord, das eventuell solche archiviert hat."
Dann folgt noch ein erster Hinweis auf die besondere

Vergangenheit: „Allerdings glauben wir, dass es sehr
fragwürdig wäre, und dieses nicht nur von der morali-
schen Seite, eine nationalsozialistische Kultstätte unter
Denkmalschutz zu stellen." Nach Aktenlage erfolgte
dann im April des Jahres aufgrund dieses Schreibens
noch ein Telefonat zwischen der Bezirksregierung We-
ser-Ems und dem Berufsförderungswerk. Danach sei
die Anfrage der Brandkasse Auslöser für die Anfrage
gewesen. Das Berufsförderungswerk habe kein Inter-
esse an der Feststellung der Denkmaleigenschaft, weil
vermutlich die Beiträge anders bemessen würden. Die
Sache müsse nicht weiter verfolgt werden.
Geschichtlicher Rückblick
Zu der Gemeinde Ganderkesee im Landkreis Olden-
burg gehört im nördlichen Teil etwa auf halbem Wege
zwischen Oldenburg und Bremen der heutige Ortsteil
Bookholzberg am Rande der Geestlandschaft, an die
sich nördlich die flache Marschlandschaft des Stedin-
ger Landes bis zur Weser anschließt. An diesem to-
pografisch ideal gelegenen Ort wurde in den Jahren
1934/35 die Freilichtbühne „Stedingsehre" errichtet;
in der NS-Zeit als „Niederdeutsche Gedenkstätte Ste-
dingsehre Bookholzberg" oder auch „Thingstätte
Stedingsehre" bezeichnet. Anlass für die Errichtung
dieser Anlage waren politische Motive, die ein histo-
risches Ereignis aufgriffen. Am 27. Mai 1234 wurde
in der Nähe des Dorfes Altenesch an der Weser ein
Aufstand der Stedinger Bauern gegen den Erzbischof
von Bremen durch ein Kreuzfahrerheer blutig nieder-
geschlagen.
Nachdem schon Anfang des 19. Jahrhunderts im
Zuge romantisch nationaler Erhebungen die Stedin-
ger, die ihre bäuerlichen Freiheiten gegen die lan-
desherrschaftlichen Ansprüche des Kirchenfürsten zu
verteidigen versucht hatten, wiederentdeckt wurden,
errichtete man zur Erinnerung an den 600. Jahres-
tag der Schlacht bei Altenesch 1834 am Weserdeich
ein klassizistisch gestaltetes Denkmal in Form eines
Obelisken. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert er-
schienen zahlreiche literarische Werke, in denen der
unerschrockene Kampf der sich heldenhaft gegen
die Fremdherrschaft wehrenden Bauern als Vorbild
für das deutsche Volk dargestellt wurde. Das Thema
wurde auch von den Nationalsozialisten als geeignet
für ihre kulturpolitischen Ziele erkannt. So wurde die
700. Wiederkehr des Tages der Schlacht von Alten-
esch am 27. Mai 1934 am vermeintlichen Ort unter
 
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