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"Unter der GrasNarbe" <Veranstaltung, 2014, Hannover>; Schomann, Rainer [Hrsg.]; Schormann, Michael Heinrich [Hrsg.]; Wolschke-Bulmahn, Joachim [Hrsg.]; Winghart, Stefan [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; VGH-Stiftung [Hrsg.]; Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur [Hrsg.]; Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Unter der GrasNarbe: Freiraumgestaltungen in Niedersachsen während der NS-Diktatur als denkmalpflegerisches Thema : Dokumentation der Tagung vom 26.-29. März 2014 in Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG, Heft 45.2015

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Bein, Reinhard: Rahmenbedingungen der Umgestaltung Braunschweigs zu einer nationalsozialistischen Musterland
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https://doi.org/10.11588/diglit.51271#0125
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Reinhard Bein
Rahmenbedingungen der Umgestaltung Braunschweigs
zu einem nationalsozialistischen Musterland

Bei der vorgezogenen Landtagswahl am 14. Septem-
ber 1930 musste die zuvor allein regierende Sozial-
demokratische Partei Deutschlands (SPD) eine herbe
Niederlage hinnehmen. Im verkleinerten Landtag be-
saßen die Bürgerliche Einheitsliste (BEL), bestehend
aus Deutschnationaler Volkspartei (DNVP), Deutscher
Volkspartei (DVP) sowie Wirtschaftsparteien, mit 11
und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
(NSDAP) mit 9 Mandaten die Hälfte der 40 Mandate
und konnten mit der Leihstimme des liberalen Jung-
deutschen Ordens eine geduldete Koalitionsregie-
rung bilden. Die SPD mit 17 und die Kommunistische
Partei Deutschlands (KPD) mit 2 Mandaten bildeten
die Opposition. Die Nationalsozialisten drängten auf
zwei der vier Ministerien: Inneres- und Volksbildung.
Und obwohl nur drittstärkste Fraktion, verlangten und
erhielten sie das Amt des Landtagspräsidenten, das
ihnen ermöglichte, bei Abstimmungen einen Abge-
ordneten der Linksparteien unter einem Vorwand, wie
dem Vorwurf der Störung oder Beleidigung des Saales
zu verweisen, sodass die Mehrheit gesichert war.
Der Innen- und Volksbildungsminister besetzte in der
Personalpolitik die wichtigen Ämter mit Parteigän-
gern. Das betraf Verwaltung, Polizei und Schulwesen.

Was im Reich 1933 durch das „Gesetz zur Wiederher-
stellung des Berufsbeamtentums" geschah, nämlich
die Säuberung aller Ämter und Verbände von Anhän-
gern der Linksparteien und von Juden, praktizierten
NSDAP und BEL in Braunschweig in noch nicht ganz
so strenger Form bereits ab 1930. An Stellen, wo Per-
sonalwechsel noch nicht möglich war, bereitete man
geplante Auswechslungen durch die Anlage Schwar-
zer Listen vor, um im Bedarfsfall schnell handeln zu
können. Wo die SPD noch Kommunen beherrschte,
griff die neue Regierung durch die Einsetzung von
Staatskommissaren mit Vetobefugnissen in deren
Selbstverwaltung ein. Braunschweig erreichte mit die-
sen Maßnahmen einen Vorsprung in der Nazifizierung
Deutschlands, den es nach dem Sieg der NSDAP im
Reich behalten und ausbauen wollte.
Der Innenminister, ab 1931 der ehemalige Mittel-
schullehrer Dietrich Klagges, nutzte sein Amt, um die
Opposition zu schwächen, indem er deren Zeitungen
ein ums andere Mal eine Zeitlang verbot, sodass sie
ums Überleben kämpfen mussten und nicht mehr
mit der gewohnten Schärfe die Politik der politischen
Gegner bekämpften. Das betraf vor allem die von der
SPD herausgegebene Tageszeitung „Volksfreund" mit


1 Braunschweig, Blick vom Turm der St. Andreaskirche auf einen Teil der Altstadt Braunschweigs mit St. Katharinen und
Hagenmarkt im Vordergrund, Postkarte aus den 1930er Jahren, Archiv Michael Heinrich Schormann.
 
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