Michael Geschwinde
Die Lübbensteine und die Planungen einer Thingstätte für Helmstedt im Dritten Reich
119
Abschluß und Krönung eines Festspielplatzes für die
Einwohner Helmstedts zu machen, in Erfüllung ge-
hen, so hätten sie ihre volle Würdigung gefunden."16
Bis April 1936 war die Neuaufstellung beider Gräber
abgeschlossen.17 Lediglich die offenkundig falsche
Aufrichtung eines Decksteines des Südgrabes zu einer
Art Stele erfolgte vielleicht aus dem Gedankengut der
Zeit. Alfred Tode, Hofmeisters Nachfolger nach dessen
Tod 1936 notierte hierzu in einer wütenden Aktenno-
tiz: „Falsch! Dadurch wird das Bild unrichtig! Tode."18
2003 wurde die vermeintliche Stele im Zuge der Sa-
nierung der Lübbensteine wieder korrekt als Deckstein
des Südgrabes eingebaut.
Ein hymnischer Text in der Braunschweigischen Lan-
deszeitung feierte die Grabungen:
„Das Schönste, Bleibende aber ist, daß man die-
ses ehrwürdige Denkmal aus der Vorgeschichte
unserer Heimat [...] wieder in den Mittelpunkt
rückt [...] Besonders eindrucksvoll werden die
Lübbensteine in der Form, in der sie einst die Ge-
beine unserer Vorfahren aufnahmen, wieder ins
Land grüßen [...] Über die Jahrtausende hinweg
aber knüpfen wir heute dort wieder an, wo die
Tradition einst abgerissen ist, und die überliefer-
ten alten Kultstätten werden heute mit neuem
Leben erfüllt."19
In einem kurzen Text - wohl einem Redemanuskript
- schreibt Hofmeister: „Heldischer Ahnengeist klingt
von den Lübbensteinen."20
Soviel Emphase traf auf taube Ohren. Während die
Grabungen ebenso wie die Rekonstruktion der beiden
Gräber abgeschlossen waren, trat bei der Gestaltung
der Thingstätte Stillstand ein. Hintergrund war, dass
der Errichtung von Thingstätten keine Priorität mehr
eingeräumt wurde, der Begriff schließlich sogar einem
offiziellen Verdikt verfiel. 1936 beantragte die Stadt
Helmstedt bei der Braunschweigischen Landesregie-
rung die Übereignung des Geländes,21 jedoch mit dem
fatalen Ergebnis, dass diese jetzt erst auf die tatsäch-
lichen Eigentumsverhältnisse aufmerksam wurde und
von der Stadt Pachtgeld einforderte.22
Letztlich kam der Bau der Thingstätte aus Finanzman-
gel nie zustande. Bereits 1937 wurde der Zustand
an den Lübbensteinen durch Müllablagerungen und
spielende Kinder problematisch. Versuche der Stadt
Helmstedt, die Pflege des Platzes der SS anzudienen,
blieben in Ansätzen stecken und eine angedachte Pa-
tenschaft Heinrich Himmlers kam nie zustande.23 Der
erste Aktenvermerk nach Kriegsende hält den depri-
mierenden Zustand der Gräber zu diesem Zeitpunkt
fest:
„Am 30.4.1949 wurde anläßlich einer Flurbege-
hung [...] festgestellt, daß die Lübbensteine so-
wie ihre nähere Umgebung als kulturgeschicht-
liche Denkmäler z.T. wenig beachtet werden,
z.T. sogar Ansätze von mutwilligen Zerstörungen
aufweisen. Der gesamte Osthang des Höhenrü-
ckens [...] ist dicht mit Schrebergärten bebaut, in
denen teilweise bereits massive Wohnlauben er-
richtet sind und auch noch im Bau sind. Dadurch
ist das Landschaftsbild grundlegend gewandelt.
Zudem wird die Böschung des Höhenrückens,
insbesondere die umgebenden Hecken in übels-
ter Weise als Schuttabladeplatz benutzt. Auch die
Großsteingräber selbst dienen als Abladestelle
für zerschlagene Flaschen, leere Konservendosen
und dergl. Vom nördlichen, gut erhaltenen Groß-
steingrab sind nach der Herbstbestellung wahr-
scheinlich im Winter oder Frühjahr drei Steine
des Grabes von mehreren Zentnern Gewicht den
Westhang hinab in das anschließende Getreide-
feld gerollt worden."24
Die vorübergehende Inanspruchnahme der Lübben-
steine für die nie realisierte nationalsozialistische
Thingstätte hatte diesen also eher geschadet. Die
Zerstörung der Raumwirkung nach Osten zur Stadt
Helmstedt durch die dort nach dem Krieg entstan-
denen Kleingärten konnte nie wieder rückgängig
gemacht werden. Vandalismus und Verschmutzung
sind immer noch ein Problem vor Ort, auch wenn die
Schäden in den letzten Jahren etwas zurückgegangen
sind. Darüber hinaus ist die Thingstätte an den Lüb-
bensteinen ein anschauliches Beispiel dafür, wie im
angeblichen „Führerstaat" mangelnde Koordination
und gegenseitige Blockade staatlicher Stellen für Cha-
os und mangelnde Effektivität sorgten.
Die Lübbensteine und die Planungen einer Thingstätte für Helmstedt im Dritten Reich
119
Abschluß und Krönung eines Festspielplatzes für die
Einwohner Helmstedts zu machen, in Erfüllung ge-
hen, so hätten sie ihre volle Würdigung gefunden."16
Bis April 1936 war die Neuaufstellung beider Gräber
abgeschlossen.17 Lediglich die offenkundig falsche
Aufrichtung eines Decksteines des Südgrabes zu einer
Art Stele erfolgte vielleicht aus dem Gedankengut der
Zeit. Alfred Tode, Hofmeisters Nachfolger nach dessen
Tod 1936 notierte hierzu in einer wütenden Aktenno-
tiz: „Falsch! Dadurch wird das Bild unrichtig! Tode."18
2003 wurde die vermeintliche Stele im Zuge der Sa-
nierung der Lübbensteine wieder korrekt als Deckstein
des Südgrabes eingebaut.
Ein hymnischer Text in der Braunschweigischen Lan-
deszeitung feierte die Grabungen:
„Das Schönste, Bleibende aber ist, daß man die-
ses ehrwürdige Denkmal aus der Vorgeschichte
unserer Heimat [...] wieder in den Mittelpunkt
rückt [...] Besonders eindrucksvoll werden die
Lübbensteine in der Form, in der sie einst die Ge-
beine unserer Vorfahren aufnahmen, wieder ins
Land grüßen [...] Über die Jahrtausende hinweg
aber knüpfen wir heute dort wieder an, wo die
Tradition einst abgerissen ist, und die überliefer-
ten alten Kultstätten werden heute mit neuem
Leben erfüllt."19
In einem kurzen Text - wohl einem Redemanuskript
- schreibt Hofmeister: „Heldischer Ahnengeist klingt
von den Lübbensteinen."20
Soviel Emphase traf auf taube Ohren. Während die
Grabungen ebenso wie die Rekonstruktion der beiden
Gräber abgeschlossen waren, trat bei der Gestaltung
der Thingstätte Stillstand ein. Hintergrund war, dass
der Errichtung von Thingstätten keine Priorität mehr
eingeräumt wurde, der Begriff schließlich sogar einem
offiziellen Verdikt verfiel. 1936 beantragte die Stadt
Helmstedt bei der Braunschweigischen Landesregie-
rung die Übereignung des Geländes,21 jedoch mit dem
fatalen Ergebnis, dass diese jetzt erst auf die tatsäch-
lichen Eigentumsverhältnisse aufmerksam wurde und
von der Stadt Pachtgeld einforderte.22
Letztlich kam der Bau der Thingstätte aus Finanzman-
gel nie zustande. Bereits 1937 wurde der Zustand
an den Lübbensteinen durch Müllablagerungen und
spielende Kinder problematisch. Versuche der Stadt
Helmstedt, die Pflege des Platzes der SS anzudienen,
blieben in Ansätzen stecken und eine angedachte Pa-
tenschaft Heinrich Himmlers kam nie zustande.23 Der
erste Aktenvermerk nach Kriegsende hält den depri-
mierenden Zustand der Gräber zu diesem Zeitpunkt
fest:
„Am 30.4.1949 wurde anläßlich einer Flurbege-
hung [...] festgestellt, daß die Lübbensteine so-
wie ihre nähere Umgebung als kulturgeschicht-
liche Denkmäler z.T. wenig beachtet werden,
z.T. sogar Ansätze von mutwilligen Zerstörungen
aufweisen. Der gesamte Osthang des Höhenrü-
ckens [...] ist dicht mit Schrebergärten bebaut, in
denen teilweise bereits massive Wohnlauben er-
richtet sind und auch noch im Bau sind. Dadurch
ist das Landschaftsbild grundlegend gewandelt.
Zudem wird die Böschung des Höhenrückens,
insbesondere die umgebenden Hecken in übels-
ter Weise als Schuttabladeplatz benutzt. Auch die
Großsteingräber selbst dienen als Abladestelle
für zerschlagene Flaschen, leere Konservendosen
und dergl. Vom nördlichen, gut erhaltenen Groß-
steingrab sind nach der Herbstbestellung wahr-
scheinlich im Winter oder Frühjahr drei Steine
des Grabes von mehreren Zentnern Gewicht den
Westhang hinab in das anschließende Getreide-
feld gerollt worden."24
Die vorübergehende Inanspruchnahme der Lübben-
steine für die nie realisierte nationalsozialistische
Thingstätte hatte diesen also eher geschadet. Die
Zerstörung der Raumwirkung nach Osten zur Stadt
Helmstedt durch die dort nach dem Krieg entstan-
denen Kleingärten konnte nie wieder rückgängig
gemacht werden. Vandalismus und Verschmutzung
sind immer noch ein Problem vor Ort, auch wenn die
Schäden in den letzten Jahren etwas zurückgegangen
sind. Darüber hinaus ist die Thingstätte an den Lüb-
bensteinen ein anschauliches Beispiel dafür, wie im
angeblichen „Führerstaat" mangelnde Koordination
und gegenseitige Blockade staatlicher Stellen für Cha-
os und mangelnde Effektivität sorgten.