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Zur Pflege des „Ahnenerbes" und des völkisch-nati-
onalen Geschichtsbewusstseins gehörten die so ge-
nannten Weihestätten: Der Dom wurde auf Veranlas-
sung Hitlers vier Jahre lang zu einer „Weihestätte der
Nation" umgebaut. Hier sollte Heinrich der Löwe ver-
ehrt werden. Als Weihestätte galt ebenfalls die groß-
zügig ausgebaute Anlage im Hainberg (Ambergau), in
der Göring das Reichshubertusfest zu feiern pflegte.
So genannte Thingstätten, ab 1935 Weihestätten
genannt, entstanden im Braunschweiger Land in der
Stadt Braunschweig und bei Holzminden. Als Weihe-
stätte galt auch das Franzsche Feld am Nussberg, auf
dem Hitler 1931 hatte aufmarschieren lassen. Planung
blieb dort ein 90 Meter hohes „Blutzeugendenkmal".
Dietrich Klagges ließ die Landesarchäologen Hermann
Hofmeister bzw. Alfred Tode die Pfalz Werla bei Schla-
den ausgraben, die jungsteinzeitlichen Hünengräber
bei Helmstedt wiederaufrichten, belebte durch Grün-
dung einer Steinmetzschule neben dem Kaiserdom in
Königslutter die mittelalterliche Bauhüttentradition
und ließ in Braunschweig durch Alfred Tode ein „Haus
der Vorzeit" entstehen, mit dem die Überlegenheit
der germanischen Vorfahren über Griechen und Rö-
mer demonstriert werden sollte.
Keine Weihestätte, aber zur Gewinnung Görings für
die Ansiedlung bedeutender Einrichtungen in Braun-
schweig entstand 1934/35 der erste Reichsjägerhof,
der später dann aber, als solche in wildreichen Jagdge-
bieten entstanden, zum Gaujägerhof heruntergestuft
wurde.
In NS-Deutschland entstanden in dieser Zeit mit dem
Raum Halle-Leuna-Bitterfeld und dem Raum Salzgit-
ter-Braunschweig-Wolfsburg zwei bedeutende neue
Industriegebiete. Für den Braunschweiger Raum wären
in diesem Zusammenhang das Rammeisbergprojekt
in Goslar, Vienenburg und Oker; die Reichswerke in
Salzgitter mit zahlreichen Nebenbetrieben; der damals
größte Verschiebebahnhof Deutschlands in Braun-
schweig, zahlreiche Rüstungswerke als Zweigbetriebe
vorhandener Werke, meist getarnt in Waldgebieten;
das Volkswagenwerk in Fallersleben (Wolfsburg, das
allerdings in Preußen lag) und das Volkswagen-Vor-
werk in Braunschweig, Talsperren im Harz, wie die
Oker- und die Eckertalsperre, und ein Stichkanal für
die Reichswerke Hermann Göring in Salzgitter unter
vielem mehr zu nennen. Dass Dietrich Klagges auch im
wirtschaftlichen Bereich, der ja nicht seinem Einfluss
unterlag, an Braunschweigs Aufwertung dachte, lässt
sich dadurch belegen, dass er Göring bei der Besichti-
gung des Geländes für den Komplex Reichswerke, der
sich teils auf braunschweigisches, teils auf preußisches
Gebiet erstreckte, falsche Karten vorlegte, um Haupt-
verwaltung und Hütte auf braunschweigisches Gebiet
zu bekommen.
Alle diese Industrieanlagen, Gebäude, Schauplätze
und ihr landschaftliches Umfeld haben ihre Geschich-
te, alle sind noch vorhanden und haben zum größten
Teil neue Funktionen. Hitler äußerte sich während des
Krieges in einem seiner „Tischgespräche" über Klag-
ges' Pläne, Braunschweig auf die Funktion einer Gau-
hauptstadt vorzubereiten. Er erklärte, eine Gauhaupt-
stadt Braunschweig schließe er aus, aber als Ausgleich
könne er sich eine Kulturhauptstadt vorstellen.
Literaturhinweis:
Reinhard Bein und Ernst-August Roloff, Der Löwe unterm
Hakenkreuz, Reiseführer durch Braunschweig und Umge-
bung 1930-1945, MatrixMedia Verlag, Göttingen, 2010.
Zur Pflege des „Ahnenerbes" und des völkisch-nati-
onalen Geschichtsbewusstseins gehörten die so ge-
nannten Weihestätten: Der Dom wurde auf Veranlas-
sung Hitlers vier Jahre lang zu einer „Weihestätte der
Nation" umgebaut. Hier sollte Heinrich der Löwe ver-
ehrt werden. Als Weihestätte galt ebenfalls die groß-
zügig ausgebaute Anlage im Hainberg (Ambergau), in
der Göring das Reichshubertusfest zu feiern pflegte.
So genannte Thingstätten, ab 1935 Weihestätten
genannt, entstanden im Braunschweiger Land in der
Stadt Braunschweig und bei Holzminden. Als Weihe-
stätte galt auch das Franzsche Feld am Nussberg, auf
dem Hitler 1931 hatte aufmarschieren lassen. Planung
blieb dort ein 90 Meter hohes „Blutzeugendenkmal".
Dietrich Klagges ließ die Landesarchäologen Hermann
Hofmeister bzw. Alfred Tode die Pfalz Werla bei Schla-
den ausgraben, die jungsteinzeitlichen Hünengräber
bei Helmstedt wiederaufrichten, belebte durch Grün-
dung einer Steinmetzschule neben dem Kaiserdom in
Königslutter die mittelalterliche Bauhüttentradition
und ließ in Braunschweig durch Alfred Tode ein „Haus
der Vorzeit" entstehen, mit dem die Überlegenheit
der germanischen Vorfahren über Griechen und Rö-
mer demonstriert werden sollte.
Keine Weihestätte, aber zur Gewinnung Görings für
die Ansiedlung bedeutender Einrichtungen in Braun-
schweig entstand 1934/35 der erste Reichsjägerhof,
der später dann aber, als solche in wildreichen Jagdge-
bieten entstanden, zum Gaujägerhof heruntergestuft
wurde.
In NS-Deutschland entstanden in dieser Zeit mit dem
Raum Halle-Leuna-Bitterfeld und dem Raum Salzgit-
ter-Braunschweig-Wolfsburg zwei bedeutende neue
Industriegebiete. Für den Braunschweiger Raum wären
in diesem Zusammenhang das Rammeisbergprojekt
in Goslar, Vienenburg und Oker; die Reichswerke in
Salzgitter mit zahlreichen Nebenbetrieben; der damals
größte Verschiebebahnhof Deutschlands in Braun-
schweig, zahlreiche Rüstungswerke als Zweigbetriebe
vorhandener Werke, meist getarnt in Waldgebieten;
das Volkswagenwerk in Fallersleben (Wolfsburg, das
allerdings in Preußen lag) und das Volkswagen-Vor-
werk in Braunschweig, Talsperren im Harz, wie die
Oker- und die Eckertalsperre, und ein Stichkanal für
die Reichswerke Hermann Göring in Salzgitter unter
vielem mehr zu nennen. Dass Dietrich Klagges auch im
wirtschaftlichen Bereich, der ja nicht seinem Einfluss
unterlag, an Braunschweigs Aufwertung dachte, lässt
sich dadurch belegen, dass er Göring bei der Besichti-
gung des Geländes für den Komplex Reichswerke, der
sich teils auf braunschweigisches, teils auf preußisches
Gebiet erstreckte, falsche Karten vorlegte, um Haupt-
verwaltung und Hütte auf braunschweigisches Gebiet
zu bekommen.
Alle diese Industrieanlagen, Gebäude, Schauplätze
und ihr landschaftliches Umfeld haben ihre Geschich-
te, alle sind noch vorhanden und haben zum größten
Teil neue Funktionen. Hitler äußerte sich während des
Krieges in einem seiner „Tischgespräche" über Klag-
ges' Pläne, Braunschweig auf die Funktion einer Gau-
hauptstadt vorzubereiten. Er erklärte, eine Gauhaupt-
stadt Braunschweig schließe er aus, aber als Ausgleich
könne er sich eine Kulturhauptstadt vorstellen.
Literaturhinweis:
Reinhard Bein und Ernst-August Roloff, Der Löwe unterm
Hakenkreuz, Reiseführer durch Braunschweig und Umge-
bung 1930-1945, MatrixMedia Verlag, Göttingen, 2010.