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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

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Grote, Rolf-Jürgen; Königfeld, Peter: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen - ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie: aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden
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https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0009
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und anschließend auf die gesamte Bundesrepublik Deutsch-
land ausgeweitet, wobei geplant ist, maximal sechs Objekte
auf ihre Schadensursachen gründlich zu untersuchen. Für die
vertiefte Kausalanalyse sollen Wandmalereien gleicher Entste-
hungszeit und ähnlicher Technik, aber unterschiedlicher Erhal-
tungszustände und Umweltbelastung ausgewählt werden.
Die großräumigen kulturgeschichtlichen Zusammenhänge be-
dingen, daß auch Ausmalungen im benachbarten Ausland
zum Vergleich herangezogen werden müssen.
Entsprechende erste Ergebnisse dieser Zusammenarbeit ent-
halten Vorberichte bzw. vergleichende Betrachtungen im fol-
genden Aufsatzteil.
Im Vorfeld der naturwissenschaftlichen Untersuchungen ist
eine qualifizierte Bestandsanalyse durch einen Kunsthistoriker
unabdingbar, um den Bestand objektweise nach denkmal-
pflegerischen und kunsthistorischen Kriterien qualitativ er-
schöpfend zu erfassen sowie die Originalsubstanz in ihrer
Genese und Geschichte, wenn möglich auch in ihrem strati-
graphischen Aufbau, herauszuarbeiten. Diese Kenntnisse sind
für alle weitergehenden restauratorischen und naturwissen-
schaftlichen Untersuchungen des Projektes wesentliche
Grundvoraussetzung, um Schadensdiagnosen stellen zu kön-
nen. In diesem Zusammenhang kommt einer ätiologischen
Bestandserfassung in enger Zusammenarbeit mit qualifizier-
ten Wandmalerei-Restauratoren und dem Kunsthistoriker die
Aufgabe zu, objektweise Material über Untergründe und Putz-
aufbau, Maltechnik, Verwendung von Pigmenten und Binde-
mitteln sowie ältere Restaurierungsmaßnahmen an die Wand-
malereien zu sammeln und für die naturwissenschaftlichen
Analysen vorzubereiten.
Die Zusammenarbeit von Kunsthistorikern und Restauratoren
mit den Naturwissenschaftlern muß von der Auswahl der auf
Erhaltungszustand und Schadensphänomene zu untersu-
chenden Wandmalereien über die Formulierung der Anforde-
rungsprofile für die naturwissenschaftlichen Untersuchungen
bis zur Darstellung einer Schadenstypologie erfolgen. Dabei
erfolgt eine enge interdisziplinäre Abstimmung des Instituts
für Denkmalpflege, Hannover, vor allem mit den Mikrobiologen
und Physikern der Universität Oldenburg, den Mineralogen
und Chemikern der Bundesanstalt für Geowissenschaften
und Rohstoffe, Hannover, den Bauphysikern und Klimatolo-
gen der TU Braunschweig sowie der Fachhochschule Hanno-
ver, Fachbereich Bibliothekswesen, Information und Doku-
mentation.
Einer vertiefenden Auseinandersetzung mit den ausgewählten
Untersuchungsflächen, die auf der kunsthistorisch-denkmal-
pflegerischen sowie naturwissenschaftlichen Erstdiagnose
basiert, dient die Oberflächen-Bildanalyse. Dabei wird mit ver-
schiedenen optischen Techniken (Auf- und Streiflicht-Fotogra-
fie, Ultraviolett- und Infrarot-Licht-Techniken, Binokular-Mikro-
skopie) bis in den Mikrobereich der aktuelle Schadenszustand
der Malereiepidermis exakt erfaßt und mit fotografischen und
videotechnischen Arbeitshilfen dokumentiert. Eine ständige
Einsatzoptimierung und Eignungsüberprüfung der anzuwen-
denden Verfahren ist unabdingbar, da es sich um eine völlig
neuartige Aufnahme- und Analysetechnik bei Schäden an
Wandmalereien handelt, die ein berührungsloses und daher
objektschonendes Vorgehen erlaubt.
Die oben genannten Untersuchungen bilden eine unerläßliche
Basis für gezielte Materialentnahmen aus den Malereien, die
sich wegen der kulturgeschichtlich wertvollen Materie not-
wendigerweise auf geringste Mengen originaler Substanz be-
schränken müssen. Da die Proben nicht in beliebiger Menge
verfügbar sein können, müssen sie unmittelbar nach der Ent-
nahme verfälschungssicher behandelt werden. Dabei ist etwa
an die Verflüchtigung gasförmiger Bestandteile oder das Ab-
sterben mikrobiellen Befalls zu denken. Der Einsatz von mobi-
len Kleinlabors wird zur schnellen, effektiven und damit ökono-

mischen Probenbearbeitung führen. Im Verbund mit den Erst-
diagnosen des Teams bietet es die Möglichkeit, bereits vor
Ort speziellen Fragen ohne zeitlichen Verzug unmittelbar nach-
zugehen bzw. Weichenstellungen für die nachfolgenden er-
gänzenden mikroskopischen und mikrochemischen Detailun-
tersuchungen in den Labors der verschiedenen naturwissen-
schaftlichen Disziplinen vorzunehmen.
Das äußerst komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen dem
Raum mit seiner Ausmalung und den Wirkungsmechanismen
- Wärmeaustausch, Klima, kapillare Feuchte, materialspezifi-
sche Komponenten - wird u.a. mit den Mitteln der Infrarot-
Thermographie verdeutlicht. Die sich dabei abzeichnenden
Schwachstellen, z. B. „Wärmelecks’’, müssen in Korrelation
gebracht werden mit den Schadensphänomenen und dienen
zum einen der Konkretisierung der weiteren Untersuchungsin-
halte, zum anderen der Auswahl aussagekräftiger Hauptunter-
suchungsflächen.
Es ist abzusehen, daß bei der Durchführung des notwendiger-
weise sehr komplex angelegten Pilotprojektes eine Fülle sehr
unterschiedlich strukturierter Dokumentationsunterlagen und
Daten zu bearbeiten sein wird. Bezogen auf die Menge der
anfallenden Befunde, optischen Erscheinungen, Proben und
Analysen, die bei Bewertung der Schadensursachen immer
wieder als wichtige Belege und Vergleichsmaterialien herange-
zogen werden müssen, ist eine exakte fotogrammetrische
Zustandserfassung als Basisdokumentation erforderlich. Sie
ist darüber hinaus als Gliederungssystem für die computerge-
stützte Informations-Erfassungssystematik eine unverzicht-
bare Voraussetzung. Denn für ein optimales Forschungser-
gebnis ist unerläßlich, daß während der gesamten Projekt-
dauer die erarbeiteten Analyseergebnisse gesammelt, ver-
netzt und durch Wissenschaftsdokumentation ausgewertet
werden. Dabei sind eine datentechnische Erfassung sowie
ein enger Datentransfer der bearbeiteten Objekte sowie der
Versuchsergebnisse innerhalb des Teams unerläßlich.
Ziel sollte die Schaffung und Fortschreibung einer Datenbank
für die laufende denkmalpflegerische Betreuung von Wand-
malereien sowie weiterführende naturwissenschaftliche For-
schungen sein. Zugleich ermöglicht dieses wichtige, projekt-
übergreifende Arbeitsinstrument bei entsprechender Aufbe-
reitung der Forschungsergebnisse eine zügige Umsetzung in
einen „Übersichts-Bild- und Info-Atlas”, der entsprechend
dem fortschreitenden Erkenntnisstand aktualisiert werden
sollte.
Weitere Arbeitsschwerpunkte
(Flankenprojekte)
Nur durch eine intensive Erfassung der individuellen Scha-
densbilder, die Untersuchung der Beziehungen zwischen den
Standortbedingungen sowie dem Alterungsverhalten und den
verwendeten Materialien, ist eine fundierte Analyse der Scha-
densursachen und eine Quantifizierung der Schadensfaktoren
möglich. Zur Erreichung dieses Zieles sind verschiedene spe-
zielle wissenschaftliche Teilaufgaben vorgesehen.
Daneben ist es aufgrund der zu erwartenden Komplexität der
sehr heterogenen, gebündelt auftretenden Schadensagentien
erforderlich, die Phänomene an vereinfachten Modellen aus-
sagekräftig zu simulieren, da die Orginale nur in einem ganz
eng begrenzten Umfang mit derartigen Versuchen belastet
werden dürfen. Soweit sich dies ermöglichen läßt, ist es ge-
plant, Simulationsflächen neben den originalen Hauptuntersu-
chungsflächen aufzubringen, um einen direkten Vergleich zu
haben. Um die Entwicklung von simulierten Wandmalereien
in jahreszeitlichen Zyklen unter entsprechenden Belastungen
gegebenenfalls bis zur Zerstörung episodenhaft beobachten
und analysieren zu können, werden in Doppelklimakammern
Modellmauern möglichst mit originalen Abbruchmaterialien
bzw. mit imitiertem Originalmaterial erstellt. Die Simulationen

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