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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

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Die Ev.-ref. Kirche in Eilsum
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Petersen, Karin; Krumbein, Wolfgang E.: Mikroorganismen beschleunigen den Zerfall mittelalterlicher Wandgemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0117
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Mikroorganismen beschleunigen den Zerfall mittelalterlicher
Wandgemälde
Wolfgang E. Krumbein / Karin Petersen

Die Schädigungen von Wandgemälden und Putzen durch lös-
liche Salze und deren Ausblühungen, die insbesondere beim
Wechsel der klimatischen Bedingungen offensichtlich werden,
sind inzwischen allgemein bekannt.
Durch Mikroorganismen induzierte oder verstärkte Schadens-
prozesse werden im Gegensatz dazu auch von Fachleuten
noch als geringfügig angesehen, sofern sie überhaupt akzep-
tiert werden. Auch nach mehreren Jahrzehnten teils intensiver
Forschung auf dem Gebiet der Biodeterioration von Wandge-
mälden1-4 werden selbst mehr oder weniger geschlossene
und mit bloßem Auge sichtbare Besiedlungen durch Mikroor-
ganismen häufig nur als ästhetisches Problem angesehen
oder als Salzausblühungen oder Verschmutzungen fehlinter-
pretiert. In der Regel werden daher auch vor größeren restau-
ratorischen Eingriffen kaum Untersuchungen zur mikrobiellen
Besiedlung und dem damit verbundenen Schadenspotential
durchgeführt. Bei genauer Analyse dürfte sich aber gerade
eine Vielzahl der Folgeschäden, die nach solchen Maßnahmen
gelegentlich auftreten, ganz oder zumindest teilweise auf die
Aktivierung dieses mikrobiellen Schadenspotentials im Zuge
der Arbeiten und durch Mikroorganismen begünstigende Ma-
terialien, die eingesetzt werden, zurückführen lassen.
Bei der überwiegenden Zahl von Untersuchungen an Wand-
gemälden handelt es sich bisher um Fallstudien. Im Rahmen
des BMFT-Verbundprojektes wird nun erstmals ermöglicht (in
enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Denkmalpflege,
Hannover, und den weiteren Projektteilnehmern), umfassende
und grundlegende Untersuchungskonzepte zu entwickeln
und diese vergleichend an einer Vielzahl von Objekten durch-
zuführen sowie über einen längeren Zeitraum an diesen Objek-
ten auch unter Berücksichtigung klimatisch bedingter jahres-
zeitlicher Schwankungen zu überprüfen. Dieser langfristige
Aspekt ist insbesondere wichtig für die Entwicklung und Über-
prüfung von Konzepten zur rechtzeitigen Identifizierung und
anschließenden Eindämmung der mikrobiellen Schädigung.
Voraussetzung für mikrobielle Aktivität
Im Folgenden sollen allgemeine Ausführungen sowohl zu den
notwendigen Voraussetzungen für mikrobielle Aktivität als
auch zu mikrobiellen Schadensprozessen sowie deren mögli-
cher Beeinflussung durch restauratorische und bauphysikali-
sche Eingriffe auf und in Wandgemälden und Putzen darge-
stellt und anhand der spezifischen Gegebenheiten in der Ev.-
ref. Kirche von Krummhörn-Eilsum, Ldkr. Aurich, vergleichend
erläutert werden.
Für die mikrobielle Zerstörung der Wandmalereien in Eilsum
sind sowohl Algen und Cyanobakterien als auch Aktinomyce-
ten und andere chemoorganotrophe Bakterien sowie Pilze
von Bedeutung. Nitrifizierende Bakterien könnten hier eben-
falls eine Rolle spielen. Ihr Vorhandensein läßt sich aber mit
den derzeit zur Verfügung stehenden Analysemethoden noch
nicht überprüfen, da hierfür eine Probenmenge im Grammbe-
reich erforderlich ist. Daher werden zu dieser Gruppe auch
keine weiteren Ausführungen gemacht. Das Schadenspoten-

tial nitrifizierender Bakterien ist jedoch u. a. von Bock5 ausführ-
lich bearbeitet worden.
Standortfaktoren
Grundlage jeglicher mikrobieller Aktivität ist eine ausreichende
Versorgung der Organismen mit Feuchte, die sowohl aus der
Raumluft und über Kondensationsereignisse auf der Oberflä-
che der Malschicht als auch über in der Wand aufsteigende
Grundfeuchte, über den Transport durch Fugen oder nach
Wassereinbrüchen in Folge von Bauschäden erfolgen kann.
Während Algen und Cyanobakterien mit Hilfe der Lichtenergie
Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und in körpereigenes
Material überführen, sind die obengenannten chemoorgano-
trophen Gruppen auf organische Substrate angewiesen.
Quellen für organisch gebundenen Kohlenstoff stellen vor al-
lem - außer bei reiner al fresco Maltechnik - die als Bindemittel
benutzten organischen Materialien in ausreichendem Maße
dar. In Folge der über Jahrhunderte angesammelten auch
organischen Verschmutzungen, verstärkt durch restauratori-
sche Maßnahmen sowie nicht zuletzt aufgrund der Aktivität
von Algen und Cyanobakterien in den entsprechenden Berei-
chen, stehen in und auf jedem Wandgemälde für chemoorga-
notrophe Mikroorganismen verwertbare Substrate zur Verfü-
gung. Auch eine ausreichende Versorgung mit den erforderli-
chen mineralischen Komponenten muß als gegeben ange-
nommen werden. Bisher wurde vorausgesetzt, daß der
Standort Wandgemälde als poröses, luftexponiertes System
den für die Atmung notwendigen Sauerstoff in ausreichender
Menge zur Verfügung stellt. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob
dies auch unter mikrobiell gebildeten Schleimfilmen oder nach
Fixierung tatsächlich der Fall ist. Die Möglichkeit, daß hier
Gärungen ablaufen, ist nicht auszuschließen und muß im Ein-
zelfall geprüft werden.
Schadensmechanismen
Die bekanntesten mikrobiell induzierten Schadensmechanis-
men lassen sich wie folgt einteilen:
- als Biofilm oder Mikrobenmatte oberflächlich aufliegender
Bewuchs
- Verlust organischer Substanz (Bindemittel)
- mikrobiell induzierte Quellungs- und Schrumpfungsme-
chanismen
- Exkretion von aggressiven Säuren
- färb- und festigkeitsändernde Oxidations- und Reduk-
tionsprozesse
„Oberflächlich aufliegender” Bewuchs führt in seiner Gesamt-
heit zu einer häufig schon mit bloßem Auge feststellbaren
Beeinträchtigung durch grüne, dunkle oder auch gräuliche
Biofilme und in die Malschichten eindringende Mikrobenmat-
ten aus Algen, Cyanobakterien, Pilzen oder mehreren Orga-
nismengruppen. In der Regel kann jedoch bei genauer Ana-
lyse gezeigt werden, daß es sich durchaus nicht „nur” um
aufliegende Biofilme handelt, sondern auch um in die Mal-
und Putzschichten eindringende und diese verändernde Mi-

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