Architektur als Zitat - die Chorapsis
Marita Pfeiffer
In seiner Darstellung zur mittelalterlichen Kunst in Westfalen
(1853) hob Wilhelm Lübke bereits die Besonderheit der archi-
tektonischen Gestaltung der Alten Kirche* in Idensen hervor,
die unter Bischof Sigward von Minden in den Jahren
1120-1129 errichtet wurde. Den Ausführungen Lübkes fol-
gend, verwies auch Fiedeler (1859) in seiner Veröffentlichung
des Quellenmaterials zu dem Kirchenbau Sigwards auf die
„Originalität” dieser Architektur. Seit der Entdeckung mittelal-
terlicher Wandmalereien durch C. W. Hase im Jahre 1858 und
deren Freilegung in den Jahren 1930-1934 war aber weniger
die Architektur, als vielmehr die Kirchenausmalung in Idensen
kontinuierlich Gegenstand kunsthistorischer Forschungen1
und denkmalpflegerischer Maßnahmen.2 So ist die Ausma-
lung des Sigwardbaues auch derzeit eines der Hauptobjekte
* Die heutige Bezeichnung der bei Wunstorf im Landkreis Hannover
gelegenen „Alten Kirche” stammt aus der Zeit, als die Dorfge-
meinde im Jahre 1895 ein zweite Kirche in Idensen errichten ließ.
Die im folgenden Text häufig verwendete Bezeichnung als „Sig-
wardskirche" hingegen nimmt Bezug auf Bischof Sigward von Min-
den (1120-40), der die Kirche in Idensen als Eigenkirche gründete.
des BMFT-Projektes „Wandmalereischäden”. Das große Inter-
esse an dem Bildprogramm in Idensen hatte jedoch zur Folge,
daß die Architektur der Kirche zum bloßen Träger der Male-
reien degradiert und in den „Hintergrund” gedrängt wurde.
Daß aber die Architektur und die Malereien der Kirche als
Gesamtkonzeption des Auftraggebers Sigward von Minden
nicht losgelöst voneinander gesehen werden dürfen, soll im
folgenden am Beispiel der Untersuchung der Apsisarchitektur
im Zusammenhang mit der Darstellung des Martyriums der
11 000 Jungfrauen auf der Westwand der Kirche gezeigt wer-
den.3
Die Apsis der Sigwardskirche (Abb. 1,2) schließt außen unmit-
telbar an das Langhaus des kreuzförmigen, dreijochigen Saal-
baues an und ist in ihrer äußeren Begrenzung polygonal über
fünf Seiten eines Zehnecks gestaltet. Im Innern dagegen ver-
mittelt ein schmales Joch den Übergang vom Langhaus zur
leicht eingezogenen Apsis, die im Gegensatz zur äußeren
polygonalen Form innen halbkreisförmig ausgebildet ist.
Die Apsis (Abb. 3) wird von einer Halbkuppel überspannt, die
auf sechs in den Altarraum eingestellten Vollsäulen ruht. Je-
1 Wunstorf-Idensen, Ldkr. Hannover, Alte Kirche, Ansicht von Südosten.
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Marita Pfeiffer
In seiner Darstellung zur mittelalterlichen Kunst in Westfalen
(1853) hob Wilhelm Lübke bereits die Besonderheit der archi-
tektonischen Gestaltung der Alten Kirche* in Idensen hervor,
die unter Bischof Sigward von Minden in den Jahren
1120-1129 errichtet wurde. Den Ausführungen Lübkes fol-
gend, verwies auch Fiedeler (1859) in seiner Veröffentlichung
des Quellenmaterials zu dem Kirchenbau Sigwards auf die
„Originalität” dieser Architektur. Seit der Entdeckung mittelal-
terlicher Wandmalereien durch C. W. Hase im Jahre 1858 und
deren Freilegung in den Jahren 1930-1934 war aber weniger
die Architektur, als vielmehr die Kirchenausmalung in Idensen
kontinuierlich Gegenstand kunsthistorischer Forschungen1
und denkmalpflegerischer Maßnahmen.2 So ist die Ausma-
lung des Sigwardbaues auch derzeit eines der Hauptobjekte
* Die heutige Bezeichnung der bei Wunstorf im Landkreis Hannover
gelegenen „Alten Kirche” stammt aus der Zeit, als die Dorfge-
meinde im Jahre 1895 ein zweite Kirche in Idensen errichten ließ.
Die im folgenden Text häufig verwendete Bezeichnung als „Sig-
wardskirche" hingegen nimmt Bezug auf Bischof Sigward von Min-
den (1120-40), der die Kirche in Idensen als Eigenkirche gründete.
des BMFT-Projektes „Wandmalereischäden”. Das große Inter-
esse an dem Bildprogramm in Idensen hatte jedoch zur Folge,
daß die Architektur der Kirche zum bloßen Träger der Male-
reien degradiert und in den „Hintergrund” gedrängt wurde.
Daß aber die Architektur und die Malereien der Kirche als
Gesamtkonzeption des Auftraggebers Sigward von Minden
nicht losgelöst voneinander gesehen werden dürfen, soll im
folgenden am Beispiel der Untersuchung der Apsisarchitektur
im Zusammenhang mit der Darstellung des Martyriums der
11 000 Jungfrauen auf der Westwand der Kirche gezeigt wer-
den.3
Die Apsis der Sigwardskirche (Abb. 1,2) schließt außen unmit-
telbar an das Langhaus des kreuzförmigen, dreijochigen Saal-
baues an und ist in ihrer äußeren Begrenzung polygonal über
fünf Seiten eines Zehnecks gestaltet. Im Innern dagegen ver-
mittelt ein schmales Joch den Übergang vom Langhaus zur
leicht eingezogenen Apsis, die im Gegensatz zur äußeren
polygonalen Form innen halbkreisförmig ausgebildet ist.
Die Apsis (Abb. 3) wird von einer Halbkuppel überspannt, die
auf sechs in den Altarraum eingestellten Vollsäulen ruht. Je-
1 Wunstorf-Idensen, Ldkr. Hannover, Alte Kirche, Ansicht von Südosten.
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