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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

DOI Heft:
Die Alte Kirche in Idensen
DOI Artikel:
Drescher, Gerhard; Emmenegger, Oskar; Möller, Roland; Pursche, Jürgen: Maltechnische Befunde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0077
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Maltechnische Befunde
Gerhard Drescher / Oskar Emmenegger / Roland Möller / Jürgen Pursche

Einleitung
Die Geschichte der Restaurierung von Wandmalerei darf ge-
trost als leidvoll bezeichnet werden. Der reproduzierende Um-
gang mit Wandmalerei befriedigte durch Freilegung wohl vor
allem die naive Entdeckerfreude einer Pseudoarchäologie, die
auch heute noch sehr schnell und leicht ihren „Freundeskreis”
findet. Der Rückblick gestattet grundsätzlich die Feststellung,
daß die Qualität der Freilegung, aber auch die Restaurierung
selbst, proportional zum Alter der Maßnahme abnimmt.1
Ein wesentliches Kriterium für den Grad der Beschädigung,
z.B. durch eine Freilegung, ist im Kunstwerk selbst vorgege-
ben und liegt in seiner Maltechnik begründet. Einerseits die
Unterlassung von Voruntersuchungen, andererseits die Be-
trauung unzulänglich ausgebildeter oder nicht ausreichend
erfahrener Auftragnehmer mit Untersuchungsmaßnahmen
führten bis zur jüngsten Vergangenheit zu Restaurierungser-
gebnissen, die vom Standpunkt heutiger Untersuchungsme-
thodik als katastrophal bezeichnet werden müssen. Die nicht
oder nur mangelhaft ausgearbeiteten Dokumentationen oder
der Anspruch an eine Bestandsdokumentation lediglich als
Vorlage für Erneuerung und Rekonstruktion fügen sich in die-
ses Bild.2
Neben diesen hoffentlich weitgehend der Vergangenheit an-
gehörenden Aspekten sollte aber ein aktuelles Problem nicht
unbeachtet bleiben. Naturwissenschaftliche Untersuchungen
und Analysen, wie sie heute möglich und durchsetzbar gewor-
den sind, werden mit steigender Auftragslage immer häufiger
zum Alibi degradiert, weil die kritiklose Übernahme ihrer Er-
gebnisse ohne kompetente Überprüfungen, in besonderem
Maße aber bereits unzureichende Vorbereitung und damit
fragwürdige methodische Ansätze den Mangel an Aussage-
kraft oder sogar Fehlinterpretationen decken und sich damit
Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr voneinander trennen las-
sen.
Die systematische Sichtung, Analyse und Auswertung der
komplexen Schadenszusammenhänge, ihrer Wechselwirkun-
gen und Bedingungen, ist nun Ziel eines ersten Forschungs-
projektes auf Bundesebene, das auch die Untersuchung der
romanischen Wandmalereien in der vor 1130 als Grablege des
Mindener Bischofs Sigward errichteten Alten Kirche von
Wunstorf-Idensen, Ldkr. Hannover, zum Gegenstand hat.
Die Würdigung der Malerei in der Alten Kirche von Idensen
kann kaum besser dargestellt werden, als mit zwei Zitaten
von einem der namhaftesten Kenner der mittelalterlichen Ma-
lereien, nämlich von Otto Demus. Er schreibt „Architektur und
Ausstattung der vor 1129 erbauten Kirche sind hier eine voll-
kommene Synthese eingegangen” und „Man hat den Stil die-
ser bedeutendsten erhaltenen Wandmalereien Niedersach-
sens mit dem Helmarshausener Kunstkreis in Zusammenhang
gebracht, in dessen sehr aktiven Skriptorium (z.B. Uppsala,
Univ. Bibi. 119.683) ottonische, byzantinische und westliche
(Maasgebiet!) Elemente zu einer Einheit verschmolzen wur-
den, die dem Stil von Idensen eng verbunden sind”.3 Die
Kommentare zur Technik der romanischen Wandmalereien im

Norden sind in der Regel knapp. Es heißt, daß es sich um
Kalkmalereien handelt, wie sie Theophilus Presbyter4 be-
schreibt, Malereien in Fresko seien selten. Hier bringen nun
die Malereien von Idensen völlig neue Erkenntnisse und geben
einen zusätzlichen Gesichtspunkt hinsichtlich der Vielfalt tech-
nischer Möglichkeiten. Die Wände- und Gewölbeflächen der
Kirche wurden um 1130 mit figürlichen Darstellungen vollstän-
dig ausgemalt. Erst 1889 sind die mehrfach übermalten Male-
reien entdeckt worden, wobei vorerst nur im nördlichen Quer-
haus Teilfreilegungen erfolgten. 1931 hat der Kirchenmaler
Wildt die noch übertünchten Malereien vollständig freigelegt
und nach damaliger Auffassung retuschiert und ergänzt.5
Der unterschiedliche Erhaltungszustand dieser Malerei, von
gut bis schlecht, schockiert zwar und stimmt ernüchternd,
wenn man erkennen muß, daß durch die Freilegung und frü-
here Restaurierungen dieser Malerei schwere Schäden und
nicht wieder rückgängig zu machende Verluste zugefügt
wurden. Doch ließen sich dadurch die Maltechnik sowie der
Malaufbau besonders gut abklären, was bei einer geschlos-
sen erhaltenen Malerei nicht möglich ist. Allerdings ist dies
ein trauriger Trost; vor allem, wenn die Untersuchungen bestä-
tigen, daß wir heute einen ca. 80 Prozent größeren Originalbe-
stand hätten, wenn die Maltechnik und deren Schwachstellen
vor der Freilegung erkannt, geklärt und lokalisiert worden wä-
ren. Schon allein diese Ergebnisse fordern, daß Wandbilder
in jedem Fall auf ihre Maltechnik untersucht werden müssen,
bevor Arbeiten an ihnen und ihrer Umgebung durchgeführt
werden.
Mauerwerk
Das lagergerechte Mauerwerk und die Bogenkonstruktionen
sind aus Sandstein ausgeführt; Stoß- und Lagerfugen nur
wenige Millimeter breit. Die Oberflächenstruktur der bearbeite-
ten Quader weist auf die Verwendung des Breitbeils (Fläche)
hin.
Die Gewölbe sind aus Tuffstein gemauert.6 Die Unregelmäßig-
keit des Tuffsteins sowie der Wölbetechnik haben eine un-
ebenere Tektur zur Folge, die im Gegensatz zu den planen
Flächen der Werksteinmauern und ihrer Wandöffnungen steht.
Putzaufbau und Mörtelmischung
Der originale Putzaufbau wurde an der Vierung sowie an der
Apsis und den Gurten untersucht. Vorhandene Ausbrüche
ermöglichten einen zerstörungsfreien Befund, und die gezielte
Untersuchung an jüngeren Putzergänzungen brachte zusätz-
liche Informationen.
Bedingt durch die Verwendung der unterschiedlichen Mauer-
materialien - Tuffstein und Sandsteinquader - war ein differen-
zierter Putzaufbau erforderlich, um das oberflächige Erschei-
nungsbild der jeweiligen Architekturzonen weitestgehend an-
zugleichen. So genügte Einschichtputz auf den Werksteinen,
während der Putz auf den Gewölbeflächen aus Tuff in mehre-
ren Lagen aufgetragen werden mußte. Dort beginnt der Putz-
aufbau mit dem Schließen der Mauerfugen im Sinne der Pietra

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