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Möller, Hans-Herbert [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

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Grote, Rolf-Jürgen; Königfeld, Peter: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen - ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie: aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden
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https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0010
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bieten die Chance, unter realistischen Bedingungen neue Un-
tersuchungstechniken und Analyseverfahren zu testen. Dazu
müssen sie allerdings mit der gleichen Sorgfalt und Intensität
durchgeführt werden wie an den Echtobjekten.
Klimatologisch-bauphysikalische
Untersuchungen
Wichtig ist zunächst die Untersuchung des Einflusses der
Atmosphäre und des Umfeldes der Wandmalereien. Der bau-
physikalisch-klimatologischen Forschungskomponente, die
durch die Technische Universität Braunschweig - Institut für
technischen Ausbau - abgedeckt wird, ist daher von Beginn
des Projektes an eine erhebliche Bedeutung zuzumessen.
Denn vom Raumklima und seinen Komponenten Lufttempera-
tur, Luftfeuchte und Luftbewegung sowie von den Oberflä-
chentemperaturen wird ein großer Einfluß auf historische
Wandmalereien ausgeübt.
Daneben spielen die außerklimatischen Verhältnisse, wie
Wind, Regen, Sonne und Frost, der bauliche Zustand und die
Bewegung des Mauerwerks, die vom Grundwasser aufstei-
gende Feuchtigkeit und die Nutzung des Gebäudes eine wich-
tige Rolle. Das Ziel dieses Teilprojektes besteht darin, das
dynamische Verhalten möglichst vieler Komponenten durch
Kurz- und Langzeitmessungen zu erfassen, die Meßergeb-
nisse sinnvoll auszuwerten und ihre Korrelation aufzuzeigen.
Die Entwicklung neuer Nahfeldklimaerfassungs- und Sonden-
meßsysteme für die Feuchtewanderungen in der Wand ist in
diesem Zusammenhang unerläßlich. Bis zu ihrer technischen
Einsatzmöglichkeit müssen allerdings noch die für die weiter-
führenden chemisch-mineralogischen und mikrobiologischen
Analysen notwendigen bauphysikalisch-klimatologischen Da-
ten mit konventionellen Methoden erfaßt und für den Wissen-
schaftsverbund ausgewertet werden.
Die Forschungsarbeit wird mit der Entwicklung eines Klima-
meßsystems begonnen, das mit entsprechenden Sensoren
in der Lage ist, die Lufttemperatur, die Luftfeuchte und die
Luftbewegung in der Nahfeldatmosphäre, insbesondere im
mm-, cm- und dm-Grenzschichtbereich, vor den Wandmale-
reien zu erfassen. Die Eignungsprüfung und Erprobung dieses
Meßsystems wird voraussichtlich vor der Nachbildung einer
verputzten und bemalten historischen Mauerwerkswand in
einer vorhandenen Klimakammerstattfinden. Die Modellwand
soll auf der einen Seite mit dem Außenklima und auf der
anderen Seite mit einem indirekt erzeugten Raumklima beauf-
schlagt werden. Die zu simulierenden Außen- und Raumklima-
daten werden mit den Tages-, Wochen- und Monatsgangwer-
ten nachgefahren, die von gemessenen Originalobjekten
stammen. Daneben soll ein Meßverfahren zur Untersuchung
der Verhältnisse im Inneren der Wand entwickelt werden. So
ist daran gedacht, in kleinen Bohrkanälen mit Sensoren be-
stückte Trommelelemente in Kettenform in die Wand einzufüh-
ren, um die Relativbewegungen, die Feuchtigkeit und die Tem-
peratur des Mauerwerks über den gesamten Querschnitt zu
messen. Das bauphysikalische Verhalten der Wand ließe sich
somit unter wechselnden Klimabeanspruchungen und durch
Simulation der aufsteigenden Erdfeuchtigkeit nach Vorgabe
aus den Originalobjekten relativ genau bestimmen.
Zur Erfassung und Visualisierung dynamischer Vorgänge auf
der Wandmalerei-Oberfläche, wie Scherbewegungen zwi-
schen dieser und ihrem Trägermaterial im Verlauf wechselnder
bauphysikalisch-klimatologischer Einflüsse, werden als pro-
jektbezogene neue Meßverfahren im [i-Bereich die Laserholo-
graphie und Nahfeld-Fotogrammetrie eingesetzt.
Mineralogie und anorganische Chemie
Der Nachvollzug besonderer Problemfelder ist nur in Spezial-
labors zu bewältigen: so z. B. Bestimmung der Materialzusam-

mensetzung, Altersbestimmung und -verhalten, Dynamik der
Alterierungsvorgänge anhand der mineralogischen und che-
mischen Stoffumwandlungen, Einwirkungen durch äußere
Einflüsse wie Restaurierungen. Diese Faktoren werden durch
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe,
Hannover, erforscht.
Mikrobiologie und organische Chemie
Ein weiteres wichtiges Teilprojekt schließlich wird vom Fachbe-
reich Biologie der Universität Oldenburg durchgeführt: experi-
mentell gestützte Untersuchungen über die Auswirkungen von
Algen-, Pilz- und Bakteriengesellschaften auf Wandmalereien
sowie in deren Untergrund; Prüfung der biologischen Wirkung
von verwendeten Pigmenten und Farbstoffen, Bindemitteln
und Konservierungsstoffen.
Die aktuellen Forschungsergebnisse dieser Disziplin haben in
ständig wachsendem Maße den Nachweis erbracht, daß Pig-
mente, Bindemittel, Konservierungs- und Restaurierungsmit-
tel, aber auch witterungs- und zivilisatorisch bedingte Stoffe
in der Umgebung von Wandmalereien als Nährstoffe von Mi-
kroben dienen können. Sie katalysieren Mikrobewuchs, des-
sen Stoffwechselprodukte und Sekundärreaktionen korrosive
Biotransferketten aufbauen. Die dadurch entstehenden Schä-
den sollen eingehend analysiert und miteinander verglichen,
die mikrobiogenen Veränderungen an den Objekten sowie im
Labor durch Mikroskopie, Physiologie und Biochemie erfaßt
werden. Außerdem ist die Analyse biogener, aus den Farben
und Bindemitteln sowie aus der Atmosphäre stammender
organischer Stoffe vorgesehen. Stoffaustauschmessungen
sollen zeigen, unter welchen Umweltbelastungen die Besied-
lung und optische Beeinträchtigung sowie die Biokorrosions-
rate an Wandmalereien am höchsten ist.
Zielvorstellungen
Insgesamt bietet das Forschungsvorhaben eine einmalige
Chance, Schäden an Wandmalereien in einem breit ausgefä-
cherten Wissenschaftsverbund sowie mit zum Teil neuen Ver-
fahren und Geräten in ihrer Vielfalt gezielt zu ermitteln. Ein
derartiger Forschungsansatz ist, auch im Vergleich mit interna-
tionalen Standards, absolut neuartig. Allerdings haben sich
für die zentrale Wissenschaftskoordination durch das Institut
für Denkmalpflege bei der Projektdurchführung Schwierigkei-
ten dadurch ergeben, daß die Flankenprojekte mit großem
Zeitverschub begonnen haben und durch die Projektorganisa-
tion bedingt fachlich weitgehend autonom agieren.
Erste Arbeitsergebnisse haben bereits zwei mittelalterliche Kir-
chen in Niedersachsen erbracht, deren Wandmalereien erheb-
liche Schäden zeigen. Seit November 1987 wird die Apsisaus-
malung der Ev.-ref. Kirche in Krummhörn-Eilsum, Ldkr. Aurich,
an der ostfriesischen Nordseeküste untersucht. Ab 1963 frei-
gelegt und restauratorisch bearbeitet, präsentieren sich die
außerordentlich bedeutenden Malereien, die wohl um 1260
im sogenannten sächsischen Zackenstil entstanden sind,
heute in einem sehr desolaten Zustand, ohne daß die Scha-
densursachen bislang genau bekannt sind. Eine ähnliche Si-
tuation zeigt sich in der Alten Kirche in Wunstorf-Idensen,
Ldkr. Hannover, deren um 1130 entstandene hervorragende
Raumausmalung ebenfalls eingehend untersucht wird.
Ab 1989 sind weitere wichtige Wandmalereien im gesamten
Bundesgebiet in das vorerst bis 1991 geplante Pilotprojekt
einbezogen worden. Voraussetzung für eine gezielte Auswahl
weiterer Untersuchungsobjekte ist allerdings, daß die an den
beiden niedersächsischen Kirchenausmalungen durchge-
führte Testphase positiv abgeschlossen ist. Für die Hauptun-
tersuchungsphase sieht das Forschungskonzept fundierte
Schadensanalysen an Wandmalereien in verschiedenen Re-
gionen vor, die kulturgeschichtlich bedeutend sind, etwa der

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