könnte die Restaurierungsgenese nähere Auskunft geben: Um
1870 in Wachs-Emulsionstechnik und starken eigenmächti-
gen Vergoldungen erstmals umfassend restauriert, 1950 von
den Spuren des 19. Jahrhunderts teilweise wieder befreit und
erneut großflächig übermalt, wäre nach Untersuchungen von
1970 und 1988 der Jetztzustand nur unter erheblichem Auf-
wand zu konservieren.22 Zuvor wären die betreffenden Wand-
und Gewölbebereiche sorgsam und detailliert zu untersuchen
und der Originalbestand flächendeckend zu kartografieren,
zumal der berechtigte Verdacht besteht, daß ein Großteil der
mehrmaligen und starken Übermalungen eigenmächtige Re-
konstruktionen darstellen oder daß sich beispielsweise durch
die Verwendung ungeeigneter Materialien die Originale in ihrer
Substanz verändert haben.
Gerade bei den Beispielen mit großer restauratorischer Ver-
gangenheit handelt es sich in der Regel nicht nur um zeitge-
bundene Restaurierungen mittelalterlicher Wandbilder, son-
dern zugleich um dem Mittelalter nachempfundene Neu-
schöpfungen, wobei den eigentlichen Originalen zusätzlich
der „Atem der jeweiligen Zeit eingehaucht” wurde (zumindest
war man derzeit der festen Überzeugung, das Original wieder-
belebt zu haben, wenn man es auch oft durch falsche Behand-
lungsmethoden totrestauriert hat!). Folglich besitzen derartige
Maßnahmen inzwischen selbst Zeugniswert und erscheinen
erhaltenswürdig.
Im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten, in denen man
aufgrund einer streng puristischen Auffassung Restaurierun-
gen aus späterer Zeit zu entfernen trachtete, besteht gegen-
wärtig die Ansicht, daß auch die Zustandsveränderungen bis
zum heutigen Tag (und über diesen hinaus) mit zum Alterungs-
prozeß und mit zum Original gehören. Dies muß zwangsläufig
zu einem eher anachronistischen, quasi historistischen Vorge-
hen23 führen: der Restaurierung/Konservierung einer (oder
mehrerer) Restaurierung(-en) einer mittelalterlichen Wandma-
lerei.
2. Aspekt „Originalsubstanz”
Wie muß eine Definition des Originalitätsbegriffs beschaffen
sein, wenn beispielsweise einer Wandmalerei die eigentliche
Substanz (bis auf Minimalreste) abhanden gekommen ist?
Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Apsisausmalung der Eil-
sumer Kirche24 (Abb. 2-5) ergibt nur noch wenige Malerei-
inseln und teilweise stark gefährdete, lose haftende Schollen
vor einem (durch originale und spätere Putzzonen, mineralo-
gisch und biologisch bedingte Schäden, äußere Einwirkungen
etc. verursachten) uneinheitlichen Hintergrund.25 Daß dieser
Befund nicht nur auf mangelhafte Bauunterhaltung zurückzu-
führen ist, sondern auch in der eigentlichen Wandmalereitech-
nik und in den verwendeten Materialien (im weitesten Sinne
auch betreffs der Architektur) begründet liegt, soll hier nur
angemerkt sein.26 Es zeigt sich hierbei nur mit aller Deutlich-
keit, daß mancher Verfall von Wandmalerei erst mit der Freile-
gung (in Eilsum erst Ende der 60er Jahre) einsetzt und dann
einen rapiden und unaufhaltsamen Verlauf nehmen kann
(schon in den 70er Jahren, bereits unmittelbar nach der Freile-
gung).
In den Originalzonen dieses Hinter-, bzw. Untergrundes haben
sich allerdings die Vorzeichnungen, Putzeinfärbungen (einer
Untermalung?) und Farbpigmentreste und damit der kompo-
sitionelle Entwurf und das ikonographische Programm erhal-
ten, die eine qualitative Bewertung (von äußerst hohem Rang),
stilistische Beurteilung (Umkreis des sogenannten Sächsi-
schen Zackenstils) und zeitliche Einordnung (um 1240/50)
ermöglichen - abgesehen von der seltenen Möglichkeit, Ein-
blick in den künstlerischen Schaffensprozeß zu nehmen. Die
hohe Qualität der locker hingesetzten Vorzeichnung, die plasti-
sche Bewegtheit der Figuren und ihre ansprechende Leben-
2 Krummhörn-Eilsum, Ldkr. Aurich, Ev.-ref. Kirche, Apsis: Detail mit
linker Hand Christi und Thron.
3 Eilsum, Apsis: Detail des Gemmenthrones.
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1870 in Wachs-Emulsionstechnik und starken eigenmächti-
gen Vergoldungen erstmals umfassend restauriert, 1950 von
den Spuren des 19. Jahrhunderts teilweise wieder befreit und
erneut großflächig übermalt, wäre nach Untersuchungen von
1970 und 1988 der Jetztzustand nur unter erheblichem Auf-
wand zu konservieren.22 Zuvor wären die betreffenden Wand-
und Gewölbebereiche sorgsam und detailliert zu untersuchen
und der Originalbestand flächendeckend zu kartografieren,
zumal der berechtigte Verdacht besteht, daß ein Großteil der
mehrmaligen und starken Übermalungen eigenmächtige Re-
konstruktionen darstellen oder daß sich beispielsweise durch
die Verwendung ungeeigneter Materialien die Originale in ihrer
Substanz verändert haben.
Gerade bei den Beispielen mit großer restauratorischer Ver-
gangenheit handelt es sich in der Regel nicht nur um zeitge-
bundene Restaurierungen mittelalterlicher Wandbilder, son-
dern zugleich um dem Mittelalter nachempfundene Neu-
schöpfungen, wobei den eigentlichen Originalen zusätzlich
der „Atem der jeweiligen Zeit eingehaucht” wurde (zumindest
war man derzeit der festen Überzeugung, das Original wieder-
belebt zu haben, wenn man es auch oft durch falsche Behand-
lungsmethoden totrestauriert hat!). Folglich besitzen derartige
Maßnahmen inzwischen selbst Zeugniswert und erscheinen
erhaltenswürdig.
Im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten, in denen man
aufgrund einer streng puristischen Auffassung Restaurierun-
gen aus späterer Zeit zu entfernen trachtete, besteht gegen-
wärtig die Ansicht, daß auch die Zustandsveränderungen bis
zum heutigen Tag (und über diesen hinaus) mit zum Alterungs-
prozeß und mit zum Original gehören. Dies muß zwangsläufig
zu einem eher anachronistischen, quasi historistischen Vorge-
hen23 führen: der Restaurierung/Konservierung einer (oder
mehrerer) Restaurierung(-en) einer mittelalterlichen Wandma-
lerei.
2. Aspekt „Originalsubstanz”
Wie muß eine Definition des Originalitätsbegriffs beschaffen
sein, wenn beispielsweise einer Wandmalerei die eigentliche
Substanz (bis auf Minimalreste) abhanden gekommen ist?
Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Apsisausmalung der Eil-
sumer Kirche24 (Abb. 2-5) ergibt nur noch wenige Malerei-
inseln und teilweise stark gefährdete, lose haftende Schollen
vor einem (durch originale und spätere Putzzonen, mineralo-
gisch und biologisch bedingte Schäden, äußere Einwirkungen
etc. verursachten) uneinheitlichen Hintergrund.25 Daß dieser
Befund nicht nur auf mangelhafte Bauunterhaltung zurückzu-
führen ist, sondern auch in der eigentlichen Wandmalereitech-
nik und in den verwendeten Materialien (im weitesten Sinne
auch betreffs der Architektur) begründet liegt, soll hier nur
angemerkt sein.26 Es zeigt sich hierbei nur mit aller Deutlich-
keit, daß mancher Verfall von Wandmalerei erst mit der Freile-
gung (in Eilsum erst Ende der 60er Jahre) einsetzt und dann
einen rapiden und unaufhaltsamen Verlauf nehmen kann
(schon in den 70er Jahren, bereits unmittelbar nach der Freile-
gung).
In den Originalzonen dieses Hinter-, bzw. Untergrundes haben
sich allerdings die Vorzeichnungen, Putzeinfärbungen (einer
Untermalung?) und Farbpigmentreste und damit der kompo-
sitionelle Entwurf und das ikonographische Programm erhal-
ten, die eine qualitative Bewertung (von äußerst hohem Rang),
stilistische Beurteilung (Umkreis des sogenannten Sächsi-
schen Zackenstils) und zeitliche Einordnung (um 1240/50)
ermöglichen - abgesehen von der seltenen Möglichkeit, Ein-
blick in den künstlerischen Schaffensprozeß zu nehmen. Die
hohe Qualität der locker hingesetzten Vorzeichnung, die plasti-
sche Bewegtheit der Figuren und ihre ansprechende Leben-
2 Krummhörn-Eilsum, Ldkr. Aurich, Ev.-ref. Kirche, Apsis: Detail mit
linker Hand Christi und Thron.
3 Eilsum, Apsis: Detail des Gemmenthrones.
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