4 Eilsum, Apsis: Detail des Gemmenthrones, Edelsteinimitation.
digkeit, die einzig mit skizzierenden Linien erzielt wird, lassen
den Verlust der eigentlichen Malsubstanz um so bedauerlicher
erscheinen. Sie machen aber auch den Wunsch verständlich:
Besser eine „Spuren”-Konservierung vor Ort als ein erfolgloses
Stacco (= Abnahme) oder ein totaler Verzicht auf Sichtbarma-
chung. Wobei in diesem speziellen Fall der ausgemalte Raum-
5 Eilsum, Apsiskalotte: Mandorla mit thronendem Christus.
teil heute vom liturgisch genutzten Kirchenraum abgetrennt
ist und dadurch seine ursprüngliche Bestimmung in jeglicher
Hinsicht verloren hat: malerisch, räumlich, liturgisch.
Der Umgang mit dem frescohaft im Putz konservierten Kom-
positionsentwurf als einer dem Wandbild zugehörigen, vorauf-
gehenden, aber in der ursprünglichen Intention nicht auf Sicht
bestimmten, ja unsichtbaren Teilstufe erfordert ein Umdenken
hinsichtlich ästhetisch-qualitativer Maßstäbe und der histori-
schen Realität.
3. Aspekt „Bestandsaufnahme und mittel-
alterliche Maltechniken”
Zu welchen (Fehl-)Schlüssen verleitet ein vordergründig her-
vorragender Erhaltungszustand, dem erst in Detailuntersu-
chungen, unter speziellen Bedingungen, entscheidende
Oberflächenverluste (insbesondere in den Secco-Partien)
nachgewiesen werden können? Solcherlei Feststellungen er-
weisen, daß zuvorderst die Werteskala hinsichtlich des Origi-
nalitätsbegriffs korrigiert und grundsätzlich eine umfangreiche,
detaillierte Bestandsaufnahme durchgeführt werden muß.
In Gegenüberstellung mit anderen, eher bruchstück- oder
schemenhaft erhalten gebliebenen Wandmalereien erfährt der
unbefangene wie auch der spezialisierte Betrachter in Iden-
sen27 (Abb. 6) das überraschende Erlebnis einer vergleichs-
weise sehr guten Erhaltung. Dieser optische Eindruck wird
gebildet und beeinflußt durch eine verhältnismäßig kräftige
Farbigkeit und die größtenteils ganzheitlich überlieferte Kom-
position (von einigen, stellenweise auch umfassenderen Verlu-
sten abgesehen).
Gewiß: Der Zustand ist hier in erster Linie der ehemals ange-
wendeten Wandmalereitechnik28 zu verdanken, deren Pla-
nung und Arbeitsabläufe noch heute aus der Nähe beobachtet
und nachvollzogen werden können.29 Dennoch birgt selbst
diese scheinbar optimalere Technik - gerade für die modellie-
renden Secco-Partien - Nachteile in sich: losere Haftung die-
ser Schichten und ihr Abblättern/Abpudern bei restaurativen
Maßnahmen (z. B. bei Freilegung Gefahr der Haftung der
Schichten an Decktünchen) oder äußeren Einwirkungen (z. B.
Absprengen vom Untergrund infolge Feuchteentwicklung in-
nerhalb des Trägers und dadurch Salztransport an die Oberflä-
che).
Welche Konsequenzen derartige Oberflächenverluste für die
Beurteilung und vor allem für die stilkritische Einordnung ha-
ben können, mag die Gegenüberstellung zweier Details aus
der Gewölbezone der Idenser Kirche verdeutlichen: jeweils
die Petrusköpfe aus Pfingst- und Taufszene (Abb. 7 und 8).
Der Petrus der Taufszene wirkt durch die Farbabstufung des
Inkarnats, durch Weißhöhungen und dunkle Ockerschatten
plastisch modelliert und räumlich illusionistisch. Wie stark der
reliefartige Farbschichtenaufbau wirklich ist, läßt sich vor allem
im Streiflicht bestens erkennen; doch zeigt diese unbarmher-
zige Beleuchtung ebenso die selbst hier zu beobachtenden,
allerdings geringen partiellen Verluste der Secco-Partien.
Dagegen wirkt der Petrus der Pfingstszene zweidimensional-
flach, unplastisch, ohne jede Oberflächenbewegung oder
Tiefe. Sicher muß man berücksichtigen, daß mehrere Meister
in Idensen tätig waren, sicher kann man Hände scheiden,30
doch darf man auch nicht unterschätzen, was alles an Leben-
digkeit des Ausdrucks und optischer Wirksamkeit der reliefier-
ten Oberfläche mit dem großflächigen Verlust der mehrschich-
tigen Secco-Partien verloren geht (gerade der unterschiedli-
che Verfallsstatus ist an diesem Ausschnitt deutlich zu erken-
nen). In diesem Sinne hat Ehmke sogar unbewußt Recht mit
ihrer, wenn auch nicht derart wörtlich gemeinten Beschrei-
bung: „Es fehlen die Zwischentöne, Schatten und Weißhöhun-
gen”.31
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