Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

DOI Heft:
Die Alte Kirche in Idensen
DOI Artikel:
Pfeiffer, Marita: Architektur als Zitat - die Chorapsis
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0073
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lotte an, so daß die fünf Bögen der Wandfelder des Oberga-
dens in den unteren Rand der Halbkuppel einschneiden. Diese
Systematik ist mit derjenigen in Idensen insofern vergleichbar,
als hier die durch Blendbögen verbundenen Wandvorlagen
die Apsiskalotte aufnehmen und die Bögen in die Halbkuppel
einschneiden.17 Doch sind die Vorlagen in der Georgskirche
als Lisenen ausgebildet, die - wie die Halbsäulen in Speyer
- der Wand als Rücklage bedürfen und insofern keine Eigen-
ständigkeit beanspruchen.
Auffällig ist, daß die Vollplastik der Arkadenstützen in Idensen
tektonisch weder im Rahmen der Gliederungssystematik der
Wand noch des Gewölbes erforderlich ist, d. h. es hätten hier
ebenso auch Halbsäulen als Arkadenstützen stehen können.
Um so mehr scheint die Bedeutung der Vollsäulen allein darin
zu liegen, die Trennung der Arkatur von der Wand zu veran-
schaulichen und die Eigenständigkeit der Gliederung hervor-
zuheben. So werden in Idensen Wand und Arkatur durch
einen „Zwischenraum“ voneinander geschieden. Neben der
Funktion als Wandgliederung einerseits und als Gewölbeträ-
ger andererseits enthält die Arkatur demnach auch Form-
elemente einer Raumgliederung, die Anlaß geben, bei der
Betrachtung der Apsisgliederung in Idensen die Arkatur einen
Binnenchores zu assoziieren. Bis in die dreißiger Jahre des
12. Jahrhunderts weist in Deutschland einzig die Kirche St.
Maria im Kapitol zu Köln (1065) eine Umgangschorarchitektur
auf.18 Ein Vergleich mit dieser Architektur wird zeigen, daß die
Gestaltung der Chorapsis des Sigwardbaues tatsächlich in
der Abhängigkeit dieser Kölner Kirche zu sehen ist.
Die ursprüngliche Gestalt der 1056 geweihten basilikalen Drei-
konchenanlage St. Maria im Kapitol in Köln (Abb. 7 und 8)
rekonstruierte Rahtgens in seiner immer noch grundlegenden
Monografie.19 Dieser Rekonstruktion zufolge20 zeigt die Ost-
anlage drei im Grund- und Aufriß gleichartig angelegte Kon-
chen, die an eine quadratische, flachgedeckte Vierung an-
schließen.21 Querarme und Ostflügel bestehen jeweils aus
einem flachgedeckten und einem etwas niedrigeren, tonnen-
gewölbten Joch, an das eine halbrunde, gewölbte Apsis an-
schließt. Um diese drei gleichartig strukturierten Konchen führt
- in der Breite der Seitenschiffe - ein kreuzgratgewölbter
Umgang. Der in unserem Zusammenhang relevante Binnen-
chor der Ostkonche wird im Untergeschoß von sieben Säulen-
arkaden begrenzt. Dabei sind fünf Arkaden auf die halbrunde
Binnenapsis und zwei auf das an die Apsis grenzende, ton-
nengewölbte Chorjoch bezogen; dort setzen die Bögen je-
weils auf Halbsäulen an, die Pfeilern vorgelegt sind.22 Auffällig
ist, daß in St. Maria im Kapitol der Übergang vom Chorjoch
zur Apsis zwar durch einen leichten Mauereinzug gekenn-
zeichnet ist, innerhalb der Arkadenstützen aber keine Zäsur
vorgenommen wurde, etwa durch Gurtbogenpfeiler23 wie
z. B. in der ab 1133 errichteten Klosterkirche St. Godehard in
Hildesheim.24 Vielmehr werden die Binnenapsis und das
Chorjoch von einer durchlaufenden Arkatur gegliedert, wobei
die beiden Arkadenbögen des Chorjoches vom Ansatz der
leicht eingezogenen Apsis angeschnitten werden.
Ein Vergleich der Arkatur des Binnenchores von St. Maria im
Kapitol mit der der Chorapsis der Sigwardskirche macht die
formalen Abhängigkeiten deutlich. Sowohl die fünfbogige Ar-
katur der Apsis, als auch deren Fortsetzung im tonnengewölb-
ten Chorjoch sowie die jeweils vom Apsisansatz angeschnitte-
nen Arkadenbögen sind in der Kölner Kapitolskirche vorgebil-
det. Stärker als dort ist in Idensen der Apsisansatz als ca.
30 cm breiter Mauervorsprung akzentuiert, so daß das ton-
nengewölbte Chorjoch deutlich abgesetzt ist. Die durchlau-
fende Arkadengliederung aber stellt dieses Joch - wie in St.
Maria im Kapitol - in einen engen strukturellen Zusammen-
hang mit der Apsis. Darüber hinaus ist vor allem das Motiv
der vollplastischen Säulen, die in der Sigwardskirche zeichen-
haft auf einen Umgang verweisen, nur aus der Formenrezep-


6 Längsschnitt.


7 Köln, St. Maria im Kapitol, Rekonstruktion des frühromanischen
Baues, Grundriß.


tion der Säulenarkatur des Umgangschores von St. Maria im
Kapitol zu verstehen.
Der Binnenchor von St. Maria im Kapitol war - wie in der
heutigen Anlage - im Gründungsbau zweigeschossig. Ein
Gesims trennte die Säulenarkaden des Untergeschosses vom
Obergaden.25 Da dieser ursprünglich vermutlich ungegliedert
war, stellte die Übertragung des zweigeschossigen Aufriß-
systems auf die eingeschossige Chorapsis der Sigwardskir-
che kein Problem dar.26 Im Rahmen dieser Formenreduktion
wurde aber in Idensen auf ein Arkadengesims verzichtet; es
hätte die Gewölbefläche der Halbkuppel „zerschnitten“. So
werden hier die Apsisbögen lediglich von einem gemalten
Horizontalband begrenzt, das die figürliche Kuppelmalerei von
dem Bereich der Arkadenbögen, die von ornamentalen Bän-
dern begleitet werden, trennt.

71
 
Annotationen