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Möller, Hans-Herbert [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen: ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie; aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden — [Hannover]: Inst. für Denkmalpflege, Heft 8.1990

DOI issue:
Die Alte Kirche in Idensen
DOI article:
Pursche, Jürgen; Drescher, Gerhard; Emmenegger, Oskar; Möller, Roland: Maltechnische Befunde
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50505#0089
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Anlegemittels bzw. die Silhouetten der vergoldeten Flächen
sichtbar. Wenige gut erhaltene Restflächen dokumentieren die
ursprüngliche Erscheinungsweise (Abb. 35).
Farbmittel
Aufgeführt sind hier nur die von Geilmann analysierten Pig-
mente. Eine Nachprüfung dieser Analysen ist in Arbeit, konnte
aber bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nicht mehr
durchgeführt werden. Da die Qualität der Analysen Geilmanns
jedoch derart hervorragend ist, wird sich hier kaum viel än-
dern:29
Schwarz: Pflanzenschwarz
Grau: Gemisch von Kalk und Holzkohle
Grün: Basisches Kupfercarbonat
Gelb: Gelber Ocker in verschiedenen Gelbstufen
Blau: Lapislazuli
Rot: Zinnober, Eisenoxydat in verschiedenen Rotstu-
fen25
Weiß: Calciumcarbonat Kalk (Calciumhydroxyd) und Gips
als Gemisch26
Vermutlich wurde auch Mennige verwendet, das aber durch
neue Analysen bestätigt werden müßte.
Alle verwendeten Pigmente, außer Zinnober und Lapislazuli,
kommen auch als mit Kalk aufgehellte Mischungen vor.
Textile Muster, Imitationen von Edelstein-
und Perlschmuck
An Gewändern von Heiligen, Diakonen und Würdenträgern
konnten verschiedene textile Muster erfaßt werden, die in der
Ausführung, in Größe und Form Gemeinsamkeiten aufweisen.
Die Muster orientieren sich an Vorritzungen, die in der Form
von Rhomben oder in der Art von Quadraturen die jeweilige
Fläche der Gewänder, auch der Gewandsäume, Bordüren
und Kragenmuster rastern. Zur Ornamentik zählen Palmet-
ten-, Kreuzstich- und Schachbrettmuster, vielblättrige Roset-
ten sowie verschiedenste geometrische Motive, die wech-
selnd in Blau, Grün, Gelb und selten in Rot dargestellt sind.
Gemalte weiße Perlen und Edelsteine in Grün und Blau zieren
die Gewandsäume und Bordüren27 (Abb. 36, 37, 38).
Malabfolgen an einem Beispiel
Die gestaffelte und sehr diszipliniert vorgetragene Technik der
Modellierung von Inkarnaten wurde am Beispiel eines Kopfes
(Diakon) aus der Malerei der Vierung rekonstruiert. Der Ablauf
des Malprozesses wird hier nur für das Gesicht mit Hilfe von
acht Mustertafeln veranschaulicht. Die Tafel Nr. 8 zeigt darüber
hinaus die Fertigstellung der Malerei in ihrem Umfeld (nachfol-
gende Doppelseite 39-46).
Tafel 1
- Anträgen des Intonacos;
- Ziehen des Zirkelschlages für den Nimbus in gelber Farbe
mit dem Pinsel. Das Einstichloch ist in der Mitte der rechten
Augenbraue des Diakons;
- Ausführen der Intonacozeichnung in gelber Farbe.
Tafel 2
- Flächiges Anlegen der ersten Untermalung von mit Kalk
aufgehellter gelber Farbe für die Nimbusfläche. Die Farbe der
Nimbusfläche wird auch für das Gesicht angewendet und
bildet dort den Lokalton für das Inkarnat. Die Struktur des
frischen Putzes verändert sich dabei nur gering. Die Intonaco-
zeichnung bleibt im feuchten Zustand noch weitestgehend
erkennbar.

Tafel 3
- Nachziehen der Intonacozeichnung mit dünnflüssiger,
Nachziehen der Konturen des Gesichtsumrisses mit decken-
der roter Farbe. Gleichzeitig wird mit einer roten Binnenzeich-
nung für die Schattenbereiche von Augen, Augenhöhlen,
Nase, Mund und Kinn die Disposition des Gesichtes formu-
liert.
Tafel 4
- Schattierung. Zunächst werden die so begrenzten Schat-
tenflächen mit unvermischter gelber Farbe mehr oder weniger
stark lasierend ausgelegt: Augenhöhlen, Nasenumrisse, Mund
und Kinn. Weiterhin zieht der Idenser Meister an der linken
Halsseite des Diakons (unterhalb des Kinns) mit dem gleichen
Gelb parallel verlaufende Schattenlinien, die sich vom ausge-
sparten hellgelben Inkarnatton gut unterscheiden. Während
diese Methode nachweislich für alle Köpfe der Vierung ange-
wandt wurde, läßt sich im Kirchenschiff und in den Seitenka-
pellen nur die vereinfachte Ausführungsform der Gesichter
beobachten. Hier bleibt es ausschließjich bei der Darstellung
des flächenhaften Typus der Schatten, der in seiner schablo-
nenhaften Form die Verwendung von Malhilfen nicht ganz
ausschließen läßt. Ferner flächiges Anlegen der Untermalung
mit roter Farbe für den Bereich der Haare.
Tafel 5
- Vertiefung der Schatten. Die gelben Schatten der Augen-
höhlen, des Mundes, der Nasenumrisse sowie des Kopfkon-
turs werden leicht lasierend mit roter Farbe überdeckt. Da-
durch entsteht eine verfeinerte Abstufung der Schattenmodel-
lierung.
Tafel 6 + 7
- Malen der Lichter. Der Lokalton wurde dafür offensichtlich
mit Kalk aufgehellt und in drei Helligkeitsstufen bei Augen-
brauen, um die Augenhöhlen herum sowie bei Nase, Kinn,
Hals und Stirn angewandt.
Sie sind der anatomischen Form folgend, in parallel verlaufen-
den Linien gezogen. Dabei bleiben in der Regel die Intonaco-
bzw. Binnenzeichnung, der Gesichtsumriß, die Schattenlasu-
ren sowie partiell der Inkarnatton ausgespart.
Durchführung: Die erste Helligkeitsstufe wird mit aufgehelltem
Inkarnatton gemalt. Durch das Aneinanderlegen dünner Pin-
selstriche (ca. 3 mm) entsteht in der Summe eine erste breitere
Lichtzone (Tafel 6). Für die zweite Helligkeitsstufe wird der
Weißanteil erhöht. Die Gesamtbreite dieses Striches ist
schmaler und wird dem ersten breiteren Lichtstreifen aufge-
setzt. Die dritte Helligkeitsstufe wiederholt den beschriebenen
Vorgang mit fast weißem Farbton. Diese letzte Höhung wird
durch linienhaftes Aufträgen bzw. gezielte Akzentuierung er-
reicht. Mit gleicher Farbe wird auch der Augapfel unter Aus-
sparung der Pupille gemalt (Tafel 7).
Tafel 8
- Abschließendes Nachziehen der Binnenzeichnung und der
Gesichtskonturen mit kräftigem Rot (Zinnober);
- Fertigstellung der Umgebung. Es ist auffallend, daß die
Plazierung stilistisch anspruchsvollerer Mittel, wie die be-
schriebene feine Durchmodellierung von Gesichtern, sich auf
den zentralen, liturgisch bedeutsamen Bereich der Kirche zu
beschränken scheint.
Vermutlich war die Malerei in der Apsis und der Kalotte ebenso
detailliert ausgeführt, läßt sich dort aber wegen des schlech-
ten Erhaltungszustandes nicht mehr nachweisen.
Es wäre sicher falsch, anzunehmen, daß verschiedene Hände
zu verschiedenen Ergebnissen der Malerei geführt hätten. Die
Unterschiede dürften eher konzeptionell bedingt und das Er-
gebnis einer meisterlich geleiteten Werkstattarbeit sein.

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